Kultur | Salto Weekend

Waving back

Ein Gastbeitrag der Kuratorin Sabine Gamper zur aktuellen Ausstellung von Sara Enrico und Sophie Hirsch in der Galerie Doris Ghetta
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Foto: G. Ghetta

Sara Enrico (Turin) und Sophie Hirsch (Wien) verbringen beide eine Künstlerresidenz in New York, Sara Enrico am ISCP, International Studio and Curatorial Program als Gewinnerin des Premio New York, welcher einen Studienaufenthalt für herausragende Positionen junger zeitgenössischer Kunst aus Italien vorsieht, gefördert vom Italienischen Außenministerium und Internationalen Kooperationen mit der Unterstützung vom Istituto Italiano di Cultura New York und von der Italian Academy bei der Columbia University; Sophie Hirsch lebt seit 3 Jahren als freischaffende Künstlerin in New York, wo sie das Artist Fellowship der New York Foundation for the Arts (NYFA) bekommen hat, ein Stipendium für im Staate New York lebende Künstler, mit dem Ziel, deren künstlerische Vision und Sprache zu fördern. Nach Einladung zu dieser gemeinsamen Ausstellung haben sich die beiden Künstlerinnen nun auch erstmals in New York persönlich kennengelernt, und sind in einen spannenden Dialog miteinander getreten.

Unsere skulpturalen Objekte beinhalten in sich verborgene Körper, und machen deren Empfindsamkeiten sichtbar.
(Sara Enrico und Sophie Hirsch, NY, 2018)

Gemeinsam ist den beiden künstlerischen Positionen, dass sie sich im Sinne einer abstrahierenden Recherche mit Körpern in ihrer räumlichen Ausdehnung, ihrer Statik, ihrer Dynamik und ihrer Oberflächen beschäftigen. Ausgehend von der Prämisse des Körpers als architektonischer Struktur, untersuchen die beiden Künstlerinnen, welche Faktoren einen Körper transformieren und stabilisieren, und wie im Gegensatz dazu Dynamik und Bewegung entsteht. Was geschieht, wenn Körper aus dem Gleichgewicht geraten?
Dann kommen Kompensationsstrategien zum Zuge, ausgleichende Bewegungen, welche die ursprüngliche Form des Körpers verändern. Der Körper als weiche und dynamische Einheit in Verbindung mit der Idee der prekären Pose ist zentraler Gegenstand der Auseinandersetzung dieser beiden Künstlerinnen.

Sara Enrico geht dabei in ihrer Recherche von der Untersuchung der Oberflächen und der Materialien als narrativer und alchemistischer Einheiten aus, indem sie Stoffe, Leinwände und weiche Materialien wie Schaumstoff zu abstrakten Körperteilen formt. Diese abstrakten Formen untersuchen und durch ihre Positionierung im Raum deren Statik, räumliche Ausdehnung sowie inhaltliche Bedeutung auch die „haptische“ Dimension unseres Schauens. In dieser Ausstellung präsentiert sie Arbeiten aus den Serien „RGB (skin)“ (2015-17), „Untitled“ (2015) und „Stretch Squeeze Still“ (2018), eine neue Arbeit, die die Künstlerin eigens für dieses Ausstellungsprojekt realisiert hat. Durch das Verwenden von Textilien als Ausgangsmaterialien vermitteln die Skulpturen in ihren instabilen Posen eine Idee von animierter Körperlichkeit. Bei „RGB (skin)“ spielt die Verwendung des Scanners und die digitale Gestaltung der Oberflächen eine grundlegende Rolle. Bei „Untitled“ formt Sara Enrico anthropomorphe Objekte aus mit Ölfarbe behandelter Malerleinwand, welche sich durch eine elementare, reduzierte Formensprache kennzeichnen. Durch die Dynamiken des Eigengewichts dieser Körper entstehen ambivalente plastische Erscheinungen, welche durch ihre kontrastierenden Bedeutungsebenen ein erzählerisches Potential entfalten.

Sophie Hirsch beschäftigt sich gerade in ihren letzten Arbeiten vorwiegend mit Struktur und Balance, wie vor allem in ihrer Arbeit „Eccentric Contraction“ (2017) deutlich wird. Die Skulptur erinnert an ein Trainingsgerät, und evoziert Themen wie Spannung und Gleichgewicht. Durch die Kombination von Materialien mit teils kontrastierenden Eigenschaften, werden gegensätzliche Prinzipien wie das Harte und das Weiche, das Transparente und das Opake, das Schwere und das Leichte, das Flexible und das Resistente, miteinander in einen dynamischen Austausch gebracht. Eigens für die Ausstellung entsteht das Werk „Proposal“ (2018), eine ausladende skulpturale Arbeit aus großen Silikonteilen, welche Flächen und Hohlräume bilden. Diese werden mit Stoff kombiniert und auf einem Aluminiumgerüst montiert, welches mit Gipsblöcken ausbalanciert wird. Eine Arbeit, deren energetische Ausstrahlung sich aus der Kombination von unterschiedlichen Kräften speist, welche wiederum ein völlig neues, sensibles Gleichgewicht erschaffen. Durch unübliche und sehr experimentelle Materialkompositionen und Formen verweist Sophie Hirsch auf die widersprüchliche Natur unseres Körpers als sehr verletzliches und gleichzeitig extrem starkes Konstrukt.

Die energetisch hoch aufgeladenen, kraftvollen Formen und Kompositionen von Sara Enrico und Sophie Hirsch sind abstrakte Darstellungen von Erfahrungen, welche wir als körperliche Wesen in einer räumlichen Umgebung sammeln.