Umwelt | Großraubtiere

Brüsseler Wolfsgeheul

In einer länderübergreifenden Konferenz wurde am Dienstag im EU-Parlament versucht, Druck auf die EU-Kommission in Sachen Wolfsmanagement zu machen. Mit mäßigem Erfolg.
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Foto: Ute Schweigkofler

Gehen wir dem Wolf endlich an den Kragen: So hörte sich - salopp gesagt - der mehrheitliche Tenor einer Konferenz zum Südtiroler Dauer-Aufreger in Brüssel an. „Defending pastoralism: towards a European Wolf Plan“ – unter diesem Titel trommelten 12 EU-Abgeordnete, darunter SVP-Parlamentarier Herbert Dorfmann, am Dienstag in einer parteiübergreifenden Initiative ReferentInnen aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen. Das Ziel? Mit einer gemeinsamen Resolution Druck auf die EU-Kommission auszuüben, in Sachen Wolfsmanagement aktiv zu werden. Denn, so das fast einstimmige Credo der Vortragenden: Angesichts von gut 20.000 Wölfen in Europa und exponentiell steigenden Rissen von Nutztieren in vielen europäischen Regionen sei der strenge Artenschutz des Wolfes nicht mehr gerechtfertigt. „Neben dem Raben ist der Wolf mittlerweile das weit verbreitetste Tier auf der nördlichen Halbkugel”, meinte Herbert Dorfmann. Umso mehr müsse man sich heute der Frage stellen, ob man sich in dichtbesiedelten Gebieten wie Südtirol aus reinen Gründen der Biodiversität den hohen Preis zahlen wolle, den die Rückkehr der Fleischfresser mit sich bringe. 

Nicht nur Dorfmann, sondern viele der Vortragenden und Abgeordneten, die bei der Brüsseler Konferenz das Wort ergriffen, beantworteten diese Frage negativ.  Das Bild, das Vertreter von Schafbauern, Jagdverbänden, regionalen Verwaltungsstellen und insbesondere auch französische und spanische EU-Abgeordnete zeichneten, ist düster. „Die Tendenz geht dahin, das die Weidehaltung völlig aufgegeben werden wird”, warnte unter anderen Gregor Grill, österreichischer Delegierter der Landwirtschaftskammer. „Ohne Regelwerk wird der Landwirt aus einem natürlichen Lebensraum vertrieben werden”, stimmten ihm spanische Delegierte zu. „12.000 Tiere wurden zuletzt allein in Frankreich gerissen“, berichteten französische Parlamentarier. 

Wie sehr das Thema auch außerhalb von Südtirol brennt, zeigte sich schon daran, dass EU-Umweltkommissar Karmenu Vella selbst – zumindest kurz – an der Konferenz teilnahm. Die Kommission ist sich der Herausforderungen absolut bewusst, die mit der Rückkehr des Wolfes in viele europäische Regionen verbunden sind, versicherte er den Konferenzteilnehmenden, unter denen auch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler und SVP-Senator Meinhard Durnwalder saßen. Um eine Ko-Existenz, ein Zusammenleben zwischen Mensch und Großraubtier zu ermöglichen, könne Brüssel jedoch keine Patentlösungen liefern. Vielmehr sehe er seine Rolle als die eines Vermittlers zwischen den unterschiedlichen Interessen und als Hüter der Verträge, unterstrich der maltesische Umweltkommissar. Schließlich gibt es neben aufgebrachten Viehaltern und Interessensvertretern auch eine starke Lobby für den Schutz und die Wiederansiedlung des Wolfs, erinnerte der EU-Kommissar. Dazu hätten sich die Mitgliedsstaaten auch mit der Berner Konvention und der Flora-Fauna-Richtlinie verpflichtet.

Nichtsdestotrotz räumte auch der EU-Kommissar ein, dass Handlungsbedarf bestehe. Jedoch weniger auf Ebene der Kommission, sondern vielmehr auf Seiten der einzelnen Nationalstaaten bzw. vor allem auf lokaler Ebene, findet er. Vellas Botschaft: Es braucht ein Ensemble unterschiedlicher und auf die jeweiligen regionalen Besonderheiten abgestimmter Interventionen. „Doch es muss sicherlich mehr gemacht werden, um das Risiko zu reduzieren, dass Nutztiere gerissen werden“, so der EU-Kommissar. Ob mit traditionellen Verfahren, die es schon immer gab, oder modernen Lösungen wie Elektrozäunen: "Technische Lösungen unter Einbindung der Landwirte sind möglich – und die EU-Kommission wird solche Schutzmaßnahmen weiter unterstützen", versicherte Karmenu Vella. 

Und erntete dafür recht emotionale Reaktionen. „Ich arbeite seit 29 Jahren hier, doch ich habe mich noch nie so böse und hilflos gefühlt wie heute Nachmittag“, meinte beispielsweise der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz. Wenn er bei sich zu Hause, in Nordrhein-Westfalen, die Worte des Kommissars wiedergäbe, müsste er den Notausgang auf der Weide suchen, polemisierte er. Und stellte damit bei weitem nicht als einziger die gängigsten Herdenschutzmaßnahmen in Frage. Einfach zeitmäßig und wirtschaftlich nicht drin, wenn zwei Drittel der Schafhalter Nebenerwerbsbauern sind, hieß es auch aus Österreich. Alles ausprobiert, doch gerissen wird dennoch, berichteten französische Abgesandte. Einzig und allein der frühere niedersächsische Umweltminister Stephan Wenzel hatte eine Erfolgsgeschichte auf Lager: „Herdenschutz wirkt“, versicherte er den Konferenzteilnehmern aufgrund der Erfahrungen in Niedersachsen. Auch dort sei der Wolf nach 150 Jahren wieder zurückgekehrt und jage überall dort, wo ihm leichtes Spiel gemacht wird. „In Landkreisen, wo es einen frühzeitigen und guten Herdenschutz gab, hatten wir dagegen fast keinen einzigen Riss“, erzählte Wenzel. Und warnte davor, dass schlecht geschützte Tiere auch dazu beitragen würden, das Vieh des Nachbarn zu gefährden. „Der Wolf darf nicht die Erfahrung machen, dass Nutztiere einfacher zu jagen sind als Wild“, warnte er. 

 

Fazit von mehr als drei Stunden intensiven Austauschs und Diskussion: Noch gibt es auch auf Brüsseler Ebene keine mehrheitsfähigen Lösungen in Sachen Wolf. Auch weil es immer noch zu wenige eindeutige wissenschaftliche Daten zu Populationen oder der Frage der Hybride gibt. Vor allem aber zeigten die Kommissionsvertreter am Dienstag wenig Bereitschaft, eine einheitliche Lösung im Sinne der Nutztierhalter zu liefern, in dem die Anhänge der Schutzvereinbarungen in die Richtung abgeändert werden, dass Abschüsse einfacher und mit weniger Auflagen gemacht werden können. „Hier wird deutlich: es gibt keine Antworten auf die Sorgen der Schäfer“, resümierte CDU-Abgeordneter Florenz. Mit „Kauft mal ein paar Zäune und bildet euch ein bissl weiter“ würden sich seine WählerInnen nicht abspeisen lassen, warnte Karl-Heinz Florenz. „Wir müssen Antworten liefern, sonst laufen uns die BürgerInnen in Europa davon.“