Politik | Rom

Totgeschwiegene leben länger?

In der ersten Version des Koalitionspapiers von 5 Sterne und Lega ist von Sonderautonomie keine Rede. “Bleibt das so, ist das unbefriedigend”, sagt Manfred Schullian.
Manfred Schullian
Foto: Salto.bz

Während das Tauziehen um den Namen des nächsten Ministerpräsidenten in Rom weiterläuft – “Qualsiasi nome stia girando secondo me è bruciato”, ließ der Leader der 5 Sterne Bewegung Luigi Di Maio am Mittwoch Nachmittag wissen –, ist am Dienstag Abend ein erster Entwurf des Koalitionsprogrammes zwischen 5 Sterne und Lega aufgetaucht. Kurz nach 20 Uhr veröffentlichte der Huffingtonpost das Dokument mit dem Titel “Contratto per il governo del cambiamento”. Die darin enthaltenen 25 Punkte geben einen ersten Einblick in die Vorhaben der sich anbahnenden Gelb-Grünen Regierung.

Manfred Schullian hat am Mittwoch Vormittag vor allem Punkt 15 genau unter die Lupe genommen: “Riforme istituzionali e Autonomia”. Man wolle das Regierungsprogramm, das 5 Sterne und Lega vorlegen genau studieren bevor man über eine Unterstützung befinde – so die Devise, die in der Parteileitung der SVP in den vergangenen Tagen ausgegeben wurde. Ausschlaggebend sei das Autonomie-Programm von Gelb-Grün.

Sieht man in dem nun öffentlich gewordenen Papier die Grundlage für eine Unterstützung einer 5-Sterne-Lega-Kabinetts gegeben? “Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass die SVP-Gremien intern entscheiden werden, wie wir uns verhalten werden – ob und in welcher Form auch immer wir unsere Unterstützung zusagen”, schickt der SVP-Kammerabgeordnete und Sprecher des Gruppo Misto Manfred Schullian auf Nachfrage von salto.bz voraus.

Abgesehen davon fänden sich gar einige “floskelhafte Wiederholungen” unter Punkt 15 wieder, etwa die Herabsetzung der Anzahl der Parlamentarier auf 400 Kammerabgeordnete und 200 Senatoren. Speziell zum Thema Autonomie selbst seien nur “sehr generelle Aussagen” wiederzufinden – “und vor allem ohne jegliche Bezugnahme auf die Sonderautonomien”.

Tatsächlich heißt es in dem Papier: “(…) l’impegno sarà quello di porre come questione prioritaria nell’agenda di Governo l’ottenimento, per tutte le Regioni che lo richiedono, di maggiore autonomia, in attuazione dell’art. 116, terzo comma, della Costituzione (…)”. Jenen Regionen, die danach streben, sollen also mehr Kompetenzen übertragen werden, Hand in Hand mit mehr Verantwortung und Verwaltungsfunktionen auf lokaler Ebene. “Wir sind sicher nicht dagegen, wenn andere Regionen mehr Zuständigkeitsbereiche kriegen”, sagt Manfred Schullian, “und es ist absolut berechtigt, dass mit dem Zugeständnis von mehr Kompetenzen und den entsprechenden Geldflüssen auch mehr Eigenverantwortung verbunden ist”.

“Was 5 Sterne und Lega “groß ‘logica della geometria varbiabile’ nennen, gibt es ja eigentlich schon, nämlich die Möglichkeit, Autonomie auf Grundlage von Art. 116 der Verfassung auszubauen”, meint Schullian. “Das ist allerdings nur in sehr beschränkten Sachbereichen möglich und hat gar nichts damit zu tun, dass hier völlig neue Ansätze oder Prinzipien in Sachen Autonomie geschaffen würden.”
“Die Sonderautonomie hingegen wird praktisch totgeschwiegen” – ein No-Go für Schullian: “Das ist sicherlich keine zufriedenstellende Form des Umgangs mit Autonomie.”

Schon am Mittwoch Mittag verbreitet sich die Nachricht, dass das am Vorabend aufgetauchte Dokument “überholt” sei und dass die 5 Sterne Bewegung und die Lega bereits an einem überarbeiteten Version bastelten. “Jetzt warten wir mal auf die definitive Fassung”, gibt sich Schullian gelassen, “aber wenn die Version in Sachen Autonomie so bleibt – ohne Bezug auf die Sonderautonomien –, dann kann das für uns sicherlich nicht befriedigend sein”. Die endgültige Entscheidung über ein Ja oder Nein zu einer möglichen 5-Sterne-Lega-Regierung fällt wie gesagt in den parteiinternen SVP-Gremien – sobald eine endgültige Fassung des Koalitionspapiers samt Namen des künftigen Premiers auf dem Tisch liegen.

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Salto User
Manfred Gasser Do., 17.05.2018 - 11:35

Wie kann diese Partei nur über diesen einen Punkt reden!?!?
Was ist mit Flat Tax, Zukunft des Euro, Wahlreform, Rentenreform, Fornero, usw.?
Hat das keinen Einfluss auf die Entscheidung der SVP, wenn nur diese eine Satz im Koalitionsprogramm steht?
Traurig, sehr traurig!!

Do., 17.05.2018 - 11:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 17.05.2018 - 22:01

Die SVP-Parlamentarier sind nicht nach Rom gewählt worden, um sich um Flat Tax, Euro usw. zu kümmern, sondern um die Interessen Südtirols gegenüber dem italienischen Staat zu vertreten.

Do., 17.05.2018 - 22:01 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 18.05.2018 - 16:17

Ach so, wichtig sind die Interessen Südtirols!!
Und wer definiert die bitte? Die Südtiroler?
Habe ich als Südtiroler mehr davon, wenn ich weniger Steuern bezahle, oder wenn die Südtiroler Parlamentarier wieder mal neue Zuständigkeiten ins Land holen, die dann auch noch ich bezahlen kann?

Fr., 18.05.2018 - 16:17 Permalink
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pérvasion Fr., 18.05.2018 - 22:42

Antwort auf von Manfred Gasser

Es steht (stand) den Südtiroler Wahlberechtigten ja frei, ggf. mehrheitlich für Kandidatinnen zu stimmen, die sich um die sogenannte Flat Tax kümmern (die gar keine ist). Sie haben aber mehrheitlich für Kandidatinnen gestimmt, die prioritär auf die Autonomie achten. Aber keine Sorge, es sitzen genug andere Leute in Rom, die sich um Ihre Anliegen kümmern.

Fr., 18.05.2018 - 22:42 Permalink