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Der Anwalt aus Genua

Luca Lanzalone, die Hauptfigur im Korruptionsskandal um den Bau des römischen Stadions, hat jahrelang für die Südtiroler Sparkasse gearbeitet. Eine vergessene Geschichte.
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Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser
Ein Pech kommt selten allein.
Am Mittwoch durchsuchten zwei Dutzend Beamte der Finanzwache Genua nicht nur die Büros der Sparkasse, sondern auch die Privatwohnungen von drei Funktionären der Sparkasse. Zudem wurden die Ermittler im Morgengrauen in den Privatwohnungen von Sparkassen-Präsident Gerhard Brandstätter und Generaldirektor Nicola Calabrò vorstellig.
Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Genua stellten die Ermittler auf der Suche nach den verschwundenen Millionen der Lega Nord Dokumente und Daten sicher. Die Sparkassenspitze geht davon aus, dass die Polizeiaktion auf „ein Missverständnis“ beruhe. Gerhard Brandstätter und Nicola Calabrò legten noch am selben Tag durchaus schlagende Dokumente für diese Leseart vor. Es wird sich zeigen, ob die Polizeiaktion ein Schlag ins Wasser war oder nicht.
Gleichzeitig ging am selben Tag 600 Kilometer von Bozen entfernt eine noch spektakulärere Polizeiaktion über die Bühne. In Rom platzte am Mittwoch der Korruptionsskandal um den Neubau des römischen Fussballstadions. Neun Lokalpolitiker, Berater und Funktionäre der M5S, des PD und von Forza Italia wurden verhaftet, gegen 27 Personen wird ermittelt. Die Hauptperson im Korruptionsskandal ist Luca Lanzalone. Lanzalone, der inzwischen als Präsidenten des römischen Elektrizitäts- und Wasserwerks Acea zurückgetreten ist, wurden in den Hausarrest überstellt.
 
Lanzalone ist aber auch jenes Bindeglied, das die italienische Hauptstadt mit der Südiroler Landeshaupstadt verbindet. Besser gesagt mit der Südtiroler Sparkasse. „In der Bank hofft man, dass sich niemand mehr daran erinnert“, sagt einer, der beruflich einiges mit dem jetzt verhafteten Anwalt aus Genua zu tun hatte.
 

Casaleggios Vertrauter

 


Wer aber ist Luca Lanzalone?
Der 48jährige Genueser hat in seiner Geburtsstadt Rechtswissenschaften studiert und mit einer Doktorarbeit über die Reform des amerikanischen Konkursrechtes promoviert. Lanzalone war Assistent und Lektor an der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Universität Genua und ab 1995 Senior-Partner des „Studio Legale Lanzalone & Partners“ mit Büros in Genua, Lodi, Mailand, Miami und New York.
Luca Lanzalone wird von allen als sehr versiert und bestens vernetzt beschrieben. In den vergangenen Jahren hat er sich politisch der 5 Sterne-Bewegung angenähert. Er soll vom heutigem Justizminister Alfonso Bonafede in die Bewegung gebracht worden sein. Zunächst als Berater des Bürgermeister von Livorno, Filippo Nogarin, bei der Reform der städtischen Müllabfuhrgesellschaft. Danach schrieb der Anwalt aus Genua im Auftrag von Davide Casaleggio und Beppe Grillo das neue Statut der 5-Sterne-Bewegung. Lanzalone gilt in den politischen Kreisen als „Problemlöser“. 2016 breitet er seine Beratungstätigkeit nach Rom aus, wo er der M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggi als juridischer Berater und Anwalt zu Hand geht. Der Anwalt arbeitet eng mit Luigi Di Maio und Riccardo Fraccaro zusammen. 2017 wird er Präsident des städtischen Strom- und Wasserwerks ACEA.
 
Vor seinem Aufstieg in die höchsten M5S-Kreise war Luca Lanzalone aber auch Verwaltungsratsmitglied eines kleinen aber feinen Genueser Unternehmens, das sich auf den Wertpapierhandel spezialisiert hat. Der Millennium SIM SPA. Und über die Millennium SPA kam der Anwalt aus Genua, dann auch zur Südtiroler Sparkasse.
 

Die Sparkassentochter

 
Die Millennium Sim Spa wird 2000 in Genua gegründet. Die Abkürzung Sim steht für „Società di intermediazione mobiliare“, also ein Unternehmen, das auf den Handel, auf die Vermittlung und Verwaltung von Wertpapieren spezialisiert ist. Das Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 7 Millionen Euro gehörte anfänglich zu 81,83 Prozent Andrea Tempofosco, einem Politikwissenschaftler und Unternehmer aus Genua.
Millennium spezialisiert sich schon bald auf den Online-Wertpapierhandel. Das Unternehmen bietet als eine der ersten Firmen in Italien das sogenannte Trading on­site als Dienstleistung an. Es handelt sich dabei um eigene Computerräume, wo der Kunde mithilfe von qualifiziertem Personal direkt und selbst Wertpapiere handeln kann. 
Am 2. Oktober 2008 kauft die Südtiroler Sparkasse 4.200.000 Aktien der Millennium, die einen Nominalwert von je einem Euro haben, um 8.642.000 Euro. Die Bank übernimmt damit 60 Prozent der Millennium und die Kontrolle über das Unternehmen. Wenig später wird der Rechtssitz von Genua an den Sparkassensitz nach Bozen verlegt. Der Kauf wird innerhalb der Sparkasse als Schritt in Richtung neue Technologien und neue Märkte verkauft. Doch eine richtige Strategie lässt sich aus der Übernahme der Millennium nicht erkennen. Im Gegenteil: Das Unternehmen hat fast den gesamten Kundenstock in Ligurien und damit in einem Gebiet, in dem die Sparkasse überhaupt nicht tätig ist. Auch die Tatsache, dass man sofort 60 Prozent übernimmt und damit die Millennium zur Konzerntochter macht, kann man im Nachhinein nur schwer nachvollziehen. 
Wirtschaftlich entwickelt sich die Millennium-Übernahme in den darauffolgenden Jahren zum Desaster. Das Wertpapier-Unternehmen schreibt einen Verlust nach dem anderen. Die Sparkasse muss mehrmals ihre Beteiligung abwerten. Am Ende sinkt der Wert der 60-Prozent-Beteiligung auf 3.550.000 Euro. Das heißt man hat über 5 Millionen Euro verloren.
 
2013 setzt man der Talfahrt ein Ende. Am 2. August 2013 verkauft die Sparkasse die 60 Prozent an der Millennium an die Invest Banca Spa, einer Bank aus Empoli in der Toskana. Die Sparkasse bekommt dafür knapp 2,5 Millionen Euro und eine 4,7 Prozent-Beteiligung an der Invest Banca SPA. Ende 2016 verkauft die Sparkasse, die Hälfte dieser Beteiligung. Heute hält sie noch 2,3 Prozent an der Invest Banca Spa. Auch diese Beteiligung musste abgewertet werden. 2017 ist sie noch 358.948 Euro wert.
 

Der Kontrolleur

 
Luca Lanzalone saß bis zum Juni 2015 fast 15 Jahre lang im Verwaltungsrat der Millennium SIM SPA
Nach der Übernahme 2008 entsandte die Sparkasse den damalige Vizegeneraldirektor der Sparkasse Richard Maria Seebacher und den damalige Leiter der Abteilung Finanzen und Controlling Sergio Lovecchio in den Verwaltungsrat der Millennium. Zum Präsidenten des Aufsichtsrates des Unternehmens wurde Peter Gliera ernannt.
Im Verwaltungsrat sitzt mit ihnen zwischen 2008 und 2013 auch Luca Lanzalone.
Der jetzt verhaftete Anwalt war dabei kein Mauerblümchen, sondern eine der wichtigsten Figur im Unternehmen. Im Februar 2009 befördert ihn der Millenium-Hauptaktionär Sparkasse sogar zum Referenten für die interne Revision und die Compilance. Das heißt Lanzalone war für die Kontrolle der Einhaltung der Regeln und Gesetze in der Sparkassentochter zuständig. Einen Monat nachdem die Sparkasse die Millennium verkauft hatte, legt Lanzalone im September 2013 dieses Amt nieder.
Nach den aktuellen Ereignissen in Rom klingt das Ganze fast wie ein schlechter Witz.
Auch deshalb will man den Namen Luca Lanzalone in der Sparkasse inzwischen lieber vergessen.
Und hofft dass auch dieses Pech an der Bank diskret vorübergeht.