Wirtschaft | Russland

Russlands Interessen in Afrika

Russland hat in den vergangenen Jahren seine wirtschaftlichen Interessen und militärischen Kooperationen in Afrika verstärkt und seine politischen Allianzen ausgebaut
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
MP
Foto: MP

Im Wettlauf um den afrikanischen Kontinent ist nicht nur China besonders aktiv, sondern auch Russland engagiert sich immer stärker. Schon zu Zeiten der Sowjetunion hatten viele afrikanische Länder enge Beziehungen zu Russland*. Nach dem Zusammenbruch der UDSSR schwand Russlands Einfluss in Afrika, doch in den vergangenen Jahren hat Russland  seine politischen, wirtschaftlichen und vor allem seine militärischen Beziehungen zu zahlreichen afrikanischen Ländern weiter ausgebaut, auch um den westlichen Einfluss zu verdrängen.

Nach der Annexion der Krim 2014 und den Sanktionen der westlichen Länder hat Russland seine Beziehungen zu den nicht-, darunter auch zu Afrika intensiviert. „Die Stärkung der Beziehungen zu afrikanischen Ländern ist eine der Prioritäten der russischen Außenpolitik.“ sagte Russlands Präsident Putin im Oktober 2019, als der erste Russland-Afrika-Gipfel im russischen Sotschi stattfand, um weitere Kooperations-Möglichkeiten mit den afrikanischen Ländern auszuloten. Russland will einerseits die politischen Allianzen mit afrikanischen Ländern intensivieren, um in internationalen Gremien, wie der UNO, verlässliche Partner zu gewinnen, andererseits sollen die wirtschaftlichen Beziehungen durch Handelsabkommen und Investitionen ausgebaut werden. Russland will sich auch Zugang zu den Rohstoffen und Bodenschätzen der afrikanischen Länder sichern und die Entwicklung der Energie- und Stromversorgung durch russische Unternehmen unterstützen.  Vor allem aber soll die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung- und Sicherheit gestärkt werden. Auch in den wichtigen Bereichen Wissenschaft und Technologie soll die Zusammenarbeit ausgebaut werden.

Wenn Russland auch, verglichen mit den USA, China und den großen EU-Ländern wirtschaftlich weniger stark in Afrika präsent ist, so gibt es doch einige Sektoren, in denen Russland stark vertreten ist. Insbesondere im Erdöl- und Gas-Sektor und im Abbau von Bodenschätzen, beides Bereiche, in denen russische Unternehmen über große Expertise verfügen, sind russische Konzerne in Afrika aktiv. Diese Sektoren sind für viele afrikanische Länder von strategischer Bedeutung und machen den Großteil ihrer Exporte aus.

Russische Öl- und Gas-Unternehmen, wie Rosneft und Gazprom sind in Ägypten, Libyen, Algerien, Nigeria, Ghana, Kamerun und Mosambik im Erdöl- und Gassektor tätig. Russische Bergbauunternehmen fördern Diamanten in Angola, Platin in Simbabwe und russische Unternehmen sind am Abbau von Gold im Sudan beteiligt. Der Aluminiumproduzent Rusal besitzt Minen in Guinea, das über die größten Bauxit-Vorkommen in Afrika verfügt. Auch in einer Reihe anderer afrikanischer Länder sind russische Konzerne beim Abbau von Bodenschätzen beteiligt.

.

Russlands “Soft Power” in Afrika

Die sogenannte "Soft Power"*** ist ein weiterer Bereich, in dem Russland in den vergangenen Jahren in Afrika besonders aktiv geworden ist, um seinen Einfluss auf dem Kontinent auszuweiten. So werden die Inhalte russischer Nachrichtensender wie RT und Sputnik von vielen afrikanischen Sendern aufgegriffen und verbreiten Nachrichten im Einklang mit Moskaus Weltanschauung. Während der Covid-Pandemie hat Russland afrikanischen Ländern Millionen Dosen von COVID-19-Impfstoff geliefert. Russlands stärkster Soft-Power-Wert liegt in seinem Image als unabhängiger, pragmatischer und durchsetzungsfähiger Akteur, der dem Westen die Stirn bieten kann, und mit allen Ländern "offen für Geschäfte" ist, unabhängig von der jeweiligen Regierung und dem Grad der Demokratie. Russlands politische Werte – Multilateralismus, Antiimperialismus und Nichteinmischung – werden von den politischen Entscheidungsträgern in Afrika besonders geschätzt.

.

Russlands Handel mit Afrika hat sich seit 2015 verdoppelt

Russlands Handel mit Afrika ist verglichen mit den EU-Ländern und China sehr gering, hat sich aber seit 2015 verdoppelt. Über ein Drittel von Afrikas Handel entfällt auf die EU-Länder, 14% auf China, 9% auf die USA, 5% auf Indien und 2% auf Russland. Die wichtigsten Handelspartner Russlands in Afrika sind Ägypten, Algerien, Marokko, Südafrika und Tunesien. Ein großer Teil von Russlands Exporten nach Afrika bezieht sich auf militärische Güter, doch auch Getreideexporte, vor allem Weizen und Mais stellen einen wichtigen Teil der Exporte dar.

.

Russland hat seine Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet mit afrikanischen Ländern stark ausgebaut

Moskau hat in den vergangenen Jahren die Waffenexporte in afrikanische Länder stark ausgeweitet. Laut SIPRI (Stockholm Institute für Internationale Friedensforschung) haben anfangs des Millenniums die USA die meisten Waffen nach Afrika verkauft, doch das änderte sich in den nachfolgenden Jahren. Russland avancierte mit einem Anteil von 35% im Zeitraum 2017-2021 zum mit Abstand größten Waffenlieferant für Afrika, vor Frankreich, den USA und China. Russische Waffen sind für afrikanische Staaten attraktiver, als amerikanische Waffen, da sie billiger sind.

Seit 2015 hat Russland über zwanzig neue militärische Kooperationsabkommen mit afrikanischen Staaten unterzeichnet und unterhält inzwischen mit 40 afrikanischen Ländern Militärabkommen. Die Streitkräfte von Algerien, Angola und Äthiopien sind fast vollständig mit Waffen und militärischen Instrumenten aus russischer Produktion ausgestattet. Eine Vielzahl von hochrangigen Militärs aus afrikanischen Ländern absolvieren ihre Ausbildung an russischen Militärakademien. Zudem entsendet Russland politische und militärische Berater und Söldner in mehrere afrikanischen Länder. Berüchtigt wehen ihrer brutalen Methoden ist die russische „Söldnergruppe Wagner“****, die in mehreren afrikanischen Ländern eingesetzt ist. Seit 2021 gibt es einen russischen Marine-Stützpunkt in Port Sudan.  

Im Zeitraum 2000 bis 2010 gingen 13% der russischen Rüstungsexporte nach Afrika, in den Jahren 2011 bis 2021 stieg der Anteil auf 19%. Nur die Rüstungsexporte in die GUS-Staaten***** stiegen ähnlich stark an. Im Unterschied zu den USA und Europa, mischt sich Russland, genauso wie China nicht in die inneren Angelegenheiten der afrikanischen Staaten ein, was für die Länder Afrikas russische Investitionen und Kooperationen attraktiver macht als die der westlichen Länder.

Für Ende 2022 ist der zweite Russland-Afrika-Gipfel geplant, ob er auch tatsächlich stattfindet, ist wegen des Ukraine-Krieges ungewiss. Welche Folgen der Ukraine-Krieg auf die russisch-afrikanischen Beziehungen haben wird, ist schwer vorherzusagen. Einerseits werden die Kosten des Krieges und die Sanktionen Russlands Wirtschaft schwächen und es werden daher weniger Mittel für Investitionen und Hilfen in Afrika zur Verfügung stehen, andererseits wird Russland versuchen, sich einen alternativen Markt zu sichern, um die Sanktionen zu umgehen und seine guten Beziehungen mit nicht-westlichen Ländern weiter zu intensivieren, um so auf befreundete Länder in der internationalen Arena zählen zu können. Viele afrikanische Länder sind auf Getreidelieferungen aus der Ukraine angewiesen. Russland blockiert derzeit den Schiffsverkehr im Schwarzen Meer und verhindert so ukrainische Getreidelieferungen in afrikanische Länder. Es bleibt abzuwarten wie die Afrikanischen Länder diese Haltung Russlands bewerten.

* Zur Zeit der Dekolonisierung ab den 50er Jahren kam es zu einem Wettlauf um Einfluss, Macht und Stützpunkte auf dem afrikanischen Kontinent zwischen der Sowjetunion und dem Westen. Durch die Unterstützung antikolonialer Bewegungen in Afrika versuchte die Sowjetunion Einfluss und Verbündete auf dem afrikanischen Kontinent zu gewinnen und gleichzeitig die westlichen Rivalen zu schwächen. Im Fokus standen vor allem die nordafrikanischen Länder mit großen Ölvorkommen und ihren langen Mittelmeerküsten, das Horn von Afrika mit seiner strategischen Nähe zum Roten Meer, dem Suezkanal und dem Mittleren Osten, sowie auch die Länder im südlichen Afrika (Angola, Kongo, Südafrika etc.) mit ihren reichen Rohstoffvorkommen und Bodenschätzen. Das Vakuum, das nach dem Rückzug der Kolonialmächte entstanden war, gab den beiden Supermächten gute Möglichkeiten in lokale Konflikte einzugreifen und die meist armen Staaten durch Waffenlieferungen und Entwicklungshilfe zu unterstützen und so Einfluss zu gewinnen.

** Auf diplomatischer und politischer Ebene scheint sich Russlands Engagement in Afrika ausgezahlt zu haben. Als am 2. März 2022 in der  Vollversammlung der Vereinten Nationen  in New York eine Resolution zur Abstimmung vorgelegt wurde, wo ein sofortiger, kompletter und bedingungsloser" Truppenabzug von Russland gefordert wurde, stimmten von den 193 UNO-Mitgliedern 144 Länder zu,  unter den 49 Ländern, die sich der Stimme enthielten oder die nicht an der Abstimmung teilnahmen, waren 25 afrikanische Staaten, Eritrea votierte sogar dagegen.

***Unter Soft Power versteht man eine besondere Form der Machtausübung von Staaten und politischen Akteuren über andere Staaten, ohne dass dazu wirtschaftliche Anreize oder militärische Bedrohungen eingesetzt werden. Zu den Mitteln der Soft Power zählen im Unterschied zu »harter Macht« die Vorbildfunktion und die Vermittlung eigener Normen und Werte. 

**** Die Wagner-Gruppe ist eine russische Söldnergruppe. Sie ging vermutlich aus der privaten Söldnerfirma "Slavonic Corps Limited" hervor, die im Jahr 2013 russische Kämpfer für Assads Krieg in Syrien rekrutierte und von Dmitri Utkin, gegründet wurde. Dmitri Utkin vertritt eine neonazistische Ideologie und hat sich den Kampfnamen Wagner zugelegt (da er die Musik des Komponisten Wagner liebt), nach dem die Gruppe benannt ist. Über die Existenz der Gruppe waren erstmals zu Beginn des Krieges in der Ost-Ukraine 2014 Berichte aufgetaucht, als  "Wagner"-Kämpfer die pro-russischen Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk unterstützten. Söldner der Wagner-Gruppe waren und sind immer noch in afrikanischen Krisenregionen wie Libyen und dem Sudan, in Madagaskar, der Zentralafrikanischen Republik, in Mali und in Mosambik für Russland im Einsatz. Sie nehmen dort eine Reihe von Aufgaben wahr, zum Beispiel die Ausbildung der lokalen Militärs und der regierungstreuen Milizen und unterstützen lokale Kräfte bei Militär-Operationen.  Sie übernehmen auch den Schutz von Regierungschefs und wichtigen Politikern der Länder. So sollen laut aktuellen Berichten Söldner der Wagner-Gruppe im Sudan eingesetzt sein, um die Militärregierung zu unterstützen. Jahrelang hatte der Kreml die Präsenz der Söldner im Sudan geleugnet, erst 2019 gab das russische Außenministerium erstmals zu, dass russische Unternehmen im Sudan tätig seien. Im Mai 2022 bestätigte der russische Außenminister Sergej Lawrow erstmals den Einsatz von Wagner-Söldnern in Mali und Libyen, erwähnte allerdings, dass die Wagner-Gruppe eine private Söldnergruppe sei, die „nichts mit dem russischen Staat zu tun“ habe. Die Regierung von Mali spricht unterdes von russischen „Militärberatern“. Auch für die Sicherheit lokaler und russischer Geschäftsleute, die in diesen Ländern tätig sind, soll die Wagner-Gruppe zuständig sein, die Sicherung von Mineralvorkommen und die Überwachung des Bergbaubetriebs ist ebenfalls Teil ihrer Tätigkeiten. Die Wagner-Gruppe soll vom Oligarchen Jewgeni Prigoschin finanziert werden, der als enger Vertrauter von Wladimir Putin gilt.

Den Söldnern der Wagner-Gruppe werden schwere Verstöße gegen Menschenrechte vorgeworfen. Laut der Vorsitzenden der „UNO-Arbeitsgruppe für den Einsatz von Söldnern“ Sorcha MacLeod, nehmen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen überall dort zu, wo Söldner eingesetzt sind, zu, da sie finanziell motiviert sind und deshalb auch keinen Anreiz haben Konflikte zu beenden.

Nach westlichen Schatzungen sollen 10.000 bis 20.000 Söldner der Wagner-Gruppe auch im Ukraine-Krieg auf russischer Seite eingesetzt sein.

***** Die zwölf Staaten der GUS sind: Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland.

Bild
Profil für Benutzer Thomas Benedikter
Thomas Benedikter Sa., 09.07.2022 - 15:20

Vielen Dank, Monika Psenner, für diesen gehaltvollen Beitrag mit Einblicken in die russischen Interessenlage in Afrika. Das fast die Hälfte der Staaten Afrikas bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung vom 2.3.2022 zur russischen Invasion in der Ukraine sich der Stimme enthalten hat, spricht Bände. Es bestätigt die Abhängigkeit der afrikanischen Despoten von ihrem Haupt-Waffenlieferanten. Der Angriff und seine Folgen auch für Afrika, insbesondere in Nahrungsmittelversorgung, wird dieser subalternen Unterstützung des Putin-Regimes vermutlich keinen Abbruch tun. In den nächsten Monaten werden Millionen Afrikaner:innen schwerste Krisen erleiden, wenn nicht dem Hungertod ausgeliefert, weil der Kreml die Getreidelieferungen aus der Ukraine blockiert. Der Bittgang der AU-Spitze in den Kreml im Juni, um einen Teil dieser Lieferungen freizubekommen, hat nichts genutzt. Das zeugt halt vom Zusammenhalt der Despoten und Diktaturen: was zählt ist der eigene Machterhalt - in Afrika oft mithilfe "billiger" russischer Waffen und Söldner - und nicht das Überleben der eigenen Bürger.

Sa., 09.07.2022 - 15:20 Permalink