Kultur | Salto Weekend

Natürlich künstlich

Wie der Dualismus Kunst und Natur in Südtirol aufeinandertrifft.
avs.jpg
Foto: AVS

Vom Troi Unika Kunst-Wanderweg in Gröden bis hin zum Knottenkino bei Vöran: Südtirol ist reich an künstlerischen Interventionen in der Natur. Aber auch umgekehrt finden sich viele Naturreferenz in Südtiroler Kunst wieder. Dabei gibt sich der Dualismus „Kunst und Natur“ alle Mühe aufgelöst zu werden: Künstlerisches und Wissenschaftliches überlappen, vermischen, ergänzen sich und finden sogar in naturkundlichen Museen Sichtbarkeit. Häufiger Schnittpunkt ist das Thema Umweltschutz:

Kann Kunst neue kritische Perspektiven zum Schutz des Alpenraumes bieten?

Eine Südtiroler Wanderausstellung, die schon seit einigen Jahren durch die Lande zieht und (wortwörtlich) zeitgenössische Kunst aus Müll präsentiert, ist Neobiota. Der Titel („neos“ – neu und „bios“ – Leben) steht für die Bezeichnung jener Biologismen, die erst durch den menschlichen Einfluss auf die Umwelt neue Lebensräume erschließen und besiedeln. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Gipfelzigarette, die sich, wie der Name verrät, vor allem an den höchstgelegensten und schwer-erreichbaren Stellen des Berges befindet. Die Ausstellung stellt die in den Bergen angesiedelten neuen Arten und Gattungen vor und klassifiziert sie: von den Plastikflaschen (Lagona plastica), zum Papiertaschentücher (Muccinnium charta confectum), bis hin zum Zigarettenstummel (Fusulus nicotianus).

 

 

2014 eintstand in Zusammenarbeit des AVS mit Hannes Egger und den Filmemachern von Heimatsendung der Kurfilm " target="_self">Neobiota. Auf den Spuren neuer Spezies, in dem sich einn Team von Gebirgsmüllforschern auf die Suche nach den Südtiroler Neobiota begibt.

Jetzt zieht die Wanderausstellung des Alpenvereins Südtirol nach Trafoi, ins Nationalparkhaus Naturafoi, wo sie noch bis Oktober besichtigt werden kann. Auch wenn die Ästhetik von Neobiota stark jene der Ready-mades und Objet trouvés erinnert, geht es hier nicht um Kunst als Selbstzweck. Im Vordergrund steht die Sensibilisierung im Auftrag der Umwelt. Denn einige dieser Neobiota sind besonders ausdauerfähig und resistent. Durch ihre rasche Vervielfältigung verdrängen sie andere heimische Arten und verändern das Ökosystem. Die Sonderausstellung Müll im Nationalpark Stilfserjoch zeigt die schwerwiegenden Folgen dieses neuen Phänomens auf und erklärt wie es mit wenigen einfachen Handgriffen verhindert werden kann. Es gibt auch ein auf Kinder ausgerichtetes Programm: Vom „Upcycling statt Wegwerfen“ bis hin zum Theater „Hänsel und Gretel finden Müll“.
 

 

Dass Kunst, die Natur- und Umweltschutz thematisiert, nicht unbedingt auf jegliche Ästhetik verzichten muss, dass sie formale Ästhetik und soziale Funktion vereinen kann, beweisen die Künstler Philipp Messner, Hansjoerg Dobliar und Walter Niedermayr in der Ausstellung Snow Future im Naturmuseum in Bozen. Philipp Messner verwandelt in seinem Werk CLOUDS Schneekanonen in überdimensionale Sprühdosen: Er fügt den Maschinen Lebensmittelfarbe bei, bis sie bunten Kunstschnee spucken. Und obwohl der pastell- bis rosafarbige bunte Schnee fast schon flauschig aussieht, wirkt er doch abstoßend. Die Farbigkeit verleiht dem Schnee einen giftigen und künstlichen Touch. Im Vergleich dazu sieht der herkömmliche weiße Kunstschnee wieder ganz natürlich aus. Die Ausstellung von Kunstwerken zum Massentourismus und Klimawandel in der Alpenregion wird auch hier durch wissenschaftliche Erklärungen zum Thema ergänzt: der Dualismus „künstlich“ und „natürlich“ wird in Form von Kunst in einem naturkundlichen Museum thematisiert und erreicht dadurch eine neue Dimension.

 

 

Fast schon performativ ist die Aktion Whatsalp (kein Schreibfehler): eine Wanderung quer durch die Alpen, von Wien bis nach Nizza. Der steinige Weg führte die Gruppe vergangene Woche auch durch Südtirol, um auch hier zur nachhaltigen Entwicklung und dem Schutz des Alpenraumes aufzurufen. Bereits 1992, in einer pre-social-media Ära, fand die Wanderung erstmals statt. Damals war das Projekt TransALPedes, politisch motiviert und versuchte durch langsames Wandern den „Mobilitätswahn“ in den Alpen zu stoppen. Die diesjährige Wanderung steht im Zeichen einer wissenschaftlichen Dokumentation und soll gesellschaftliche, technische und umweltbezogene Veränderungen der letzten 25 Jahre deutlich machen. Am Freitag trafen sich die Wandernden in Meran mit Schülern und Mitgliedern des Meraner Jugendparlaments, sowie der Umweltstadträtin Madeleine Rohrer, um die zukünftigen Herausforderungen in den Alpen zu diskutieren.

 

 Kunst ist die Brücke zwischen Mensch und Natur

Es ist Zeit, Friedrich Hundertwassers Zitat endlich neu zu interpretieren.