Umwelt | Bienen

Ein Risiko für alle

Nach dem Fall von elf verendeten Bienenvölkern in Vilpian, der zur Anzeige gebracht wurde, warnen die Grünen: Bienenschutz geht uns alle an und gelingt nur gemeinsam.
Imkerin am Stock
Foto: Südtirolfoto/Udo Bernhart

2017 war kein einfaches Jahr für Südtirols Imker. “Herausfordernd”, fasste Obmann Engelbert Pohl Anfang März auf der Hauptversammlung des Imkerbundes das zu Ende gegangene Jahr zusammen. Viele Honigtöpfe waren leer geblieben. Vor allem wegen des Wetters: Kälteeinbrüche, Trockenheit und viele Regentage während der Blütezeit. Doch während der Mensch das Wetter nicht beeinflussen kann, machte  vielen Imkern und ihren Bienen auch 2017 eine sehr wohl menschengemachtes Problem zu schaffen: der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, der Bienenvölker schwächt und vernichtet. Lange Zeit wollte man das, was viele Imker seit Langem beobachten, vielerorts nicht wahrhaben: den Zusammenhang zwischen der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und Bienensterben.

Hätte es nach vielerlei Meldungen aus den Reihen der Imker – etwa vergangenen September – und der Präsentation der Ergebnisse der APISTOX-Studie im Februar 2017 noch eines letzten Beweises bedurft, so wurde er nun geliefert.
Elf Bienenvölker waren Anfang Mai in Vilpian verendet. Der Imker ließ die toten Tiere in einem spezialisiertes Labor in Padua und am Fachinistitut für Bienenschutz in Braunschweig analysieren. Der Befund: hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, eines davon mit dem verbotenen Wirkstoff Chlorpropham und weitere aus der Gruppe der Neonikotinoide. Der Gift-Mix war für die kleinen Tiere wohl tödlich. Der betroffene Imker erstattete Strafanzeige, wegen Ausbringung verbotener und bienengefährdender Mittel. Ein Schritt mit Signalwirkung – es dürfte der erste Fall einer Anzeige infolge von Bienensterben sein.
“Dass nun Imker tatsächlich zu solch drastischen Mitteln wie Strafanzeigen greifen müssen, zeigt die Dramatik der Sachlage in der ganzen Breite auf”, reagieren die Grünen auf die Nachricht.

 

Nicht nur die Imker

Erst vor wenigen Monaten hatten Brigitte Foppa, Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba bei Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler nachgefragt, wie Politik, Obstwirtschaft und Wissenschaft auf die APISTOX-Studie reagieren werden. Als konkrete Maßnahmen nennt Schuler in seiner Antwort: Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln samt Verbot bienengefährlicher Wirkstoffe und Suche nach Alternativen, eine andere Art der Bodenpflege – etwa auf alternierendes Mulchen verzichten und Ausweichmöglichkeiten für die Bienen schaffen – und ein noch intensiveres Bienenmonitoring. Zugleich verweist der Landesrat auf das Verantwortungsbewusstsein der Imker. Diese könnten “ein präventives Risikomanagement betreiben”, um ihre Bienen bestmöglich vor den Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zu schützen. Um das Restrisiko “trotz aller Vorschriften und Vorsichtsmaßnahmen bei der Ausbringung dieser Mittel” zu vermeiden, “müssten die Bienenstöcke außerhalb des Intensivobstbaus aufgestellt werden”, so Schuler, der zugleich daran erinnert, dass Pflanzenschutzmittel nicht nur in der Landwirtschaft, sondern zum Beispiel auch im öffentlichen Bereich und in Privatgärten ausgebracht werden.

Sicher, die Verantwortung für ein Bienenvolk liege beim Imker, meinen die Grünen. “Aber die Bienengesundheit ist keineswegs Privatsache, sondern eine Angelegenheit der Allgemeinheit”, schreiben Foppa, Heiss und Dello Sbarba in einer Aussendung. “Zu wichtig sind Bienen für die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion für die gesamte Gesellschaft.” Laut Grünen brauche es einen Schulterschluss von Landwirtschaft, Imkerei und KonsumentInnen: “Die Aufforderung ergeht an den Landesrat und die Landwirtschaftsvertretungen, hier gemeinsame Sache zu machen.”

Bereits im Jänner 2017 wurde eine technische Arbeitsgruppe zum Schutz der Bienen und zur gemeinsamen Lösungsfindung eingerichtet, an dem Vertreter des Amtes für Landwirtschaft, der Obst- und Weinwirtschaft ebenso sitzen wie ihre Beratungsringe, der Bauernbund, die Laimburg, und die Imker – unterstützt vom Julius-Kühn-Institut, das den Imkerbund fachlich begleitet. Dennoch meinte Engelbert Pohl noch im März dieses Jahres: “Wir setzen schon lange auf ein Miteinander aller betroffenen Parteien und hoffen, dass es vermehrt zu einem Umdenken kommt. Ein Bewusstsein dafür, wie wichtig Bienen für unser Land sind. Die vielen immer wieder gleichen Aussagen, dass man Bienen helfen muss und dass sie wichtig sind, reichen leider nicht um das Überleben dieser wichtigen Insekten zu gewährleisten; diese Aussagen müssen schon tatkräftig umgesetzt werden. Jeder in unserem so schönen Lande kann dafür etwas tun.”

Im Falle der toten Bienen in Vilpian jedenfalls stellt sich Landesrat Schuler hinter die Imker. “Es ist uns allen – Imkern, Bauern und Konsumenten – ein Anliegen, dass solchen Fällen nachgegangen wird”, meinte er vergangene Woche in den Dolomiten. “Passiert das nicht, so wird die ganze Landwirtschaft wegen einzelner schwarzer Schafe in Verruf gebracht.” Völlig zufrieden mit dieser Ansage sind zumindest die Grünen nicht. Sie warnen: “Das Thema und die auftretenden Probleme dürfen nicht marginalisiert werden, indem man sich auf einzelne Entgleisungen hinausredet.”

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Karl Maier Mo., 16.07.2018 - 12:00

"[...] hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, eines davon mit dem verbotenen Wirkstoff Chlorpropham [...]"
Der Wirkstoff Chlorpropham wird zur Keimhemmung bei Kartoffeln in der Lagerung eingesetzt.

https://psmregister.baes.gv.at/psmregister/

http://www.fitosanitari.salute.gov.it/fitosanitariwsWeb_new/

Deshalb ist eine Kontermination in einem Obstanbaugebiet durch diesen Wirkstoff schwierig nachzuvollziehen.

Mo., 16.07.2018 - 12:00 Permalink
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Daniele Menestrina Mo., 16.07.2018 - 12:14

Antwort auf von Karl Maier

So was in der Art steht auch auf der deutschen Seite von Wikipedia. Auf der englischen wird das Ganze schon ein bisschen ausführlicher:
Chlorpropham .... is a plant growth regulator and herbicide used as a sprout suppressant for grass weeds, alfalfa, lima and snap beans, blueberries, cane fruit, carrots, cranberries, ladino clover, garlic, seed grass, onions, spinach, sugar beets, tomatoes, safflower, soybeans, gladioli and woody nursery stock. It is also used to inhibit potato sprouting and for sucker control in tobacco.
Womit ich nicht Wikipedia nun zur ultimativen Wahrheitsquelle erheben möchte.

Mo., 16.07.2018 - 12:14 Permalink
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Markus Gufler Mo., 16.07.2018 - 13:30

"Das Thema und die auftretenden Probleme dürfen nicht marginalisiert werden, indem man sich auf einzelne Entgleisungen hinausredet"

D.h. man legt großen Wert darauf, einen ganzen Berufsstand pauschal zu beschuldigen?

Mo., 16.07.2018 - 13:30 Permalink
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Markus Gufler Mo., 16.07.2018 - 19:14

Antwort auf von Manfred Gasser

Nein! Nein eben nicht! Diesmal nicht wieder ablenken, und - der Einfachheit halber - einen Pauschalschuldigen suchen.
Wenn es "in Terlan einen Fall" gibt, dann ist dort zu schauen wer der Verursacher gewesen sein könnte. Bauer, Privathaushalt, ... Und wenn es einen weiteren Fall gibt dann dort. Und dann hart bestrafen.

Im erwähnten Dolomiten Interview auch gesagt hat Schuler „Schade, dass der Fall nicht sofort gemeldet wurde. In den Blättern werden die Stoffe nach dieser langen Zeit wohl nicht mehr nachweisbar sein“ . Und diese Analysen dürften wohl grundlegend bei der Enttarnung des Schuldigen sein. Frage and den Imker: warum nicht sofort gemeldet?

Nicht generalisieren sollte man deshalb und pauschal "die Bauern" unter Verdacht stellen. Genauso wenig wie man so etwas mit Frauen, Italienern, Ausländern oder Juden tun sollte. Diese Gedankengänge sind in vielen unserer Köpfe leider noch tief und in vielfältigen Auswüchsen verwurzelt. In komplizierten Zeiten nehmen dann viele den vermeintlich einfachen Weg und suchen leicht zu deklarierende Zielgruppen als voll Schuldige. Einziges zu erfüllendes Kriterium: es darf einen selbst nicht betreffen: Bauern? bingo!
Und hat man erst mal jemanden beschuldigt, da fühlt man sich dann schnell und relativ "Gut" als "Mensch" und moralisch überlegen sowieso. Solche Gefühle können abhängig machen und fordern nach mehr...

Mo., 16.07.2018 - 19:14 Permalink
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Ludwig Thoma Di., 17.07.2018 - 21:40

Antwort auf von Markus Gufler

Lustig, dass es von Bauernseite immer wieder heißt, die Vergiftung könne ja auch vom privaten Gebrauch herrühren. Spricht man dann mit den Bauern wird schnell klar, dass die Bauerschaft ziemlich genau ihre schwarzen Schafe kennt, aber nicht nahmhaft macht und sich dann wundert, wenn es Pauschalurteile gibt.

Di., 17.07.2018 - 21:40 Permalink
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rotaderga Mo., 16.07.2018 - 14:49

Die meisten Landwirte und auch Imker führen das aus was Beratungsringe und Imkerbund vorgeben. Ich würde da mal genauer nachschauen. Der Fisch stinkt meistens....

Mo., 16.07.2018 - 14:49 Permalink
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Louis de Funès Mo., 16.07.2018 - 15:48

Wenn wir die Probleme nur in Bezug auf die Honigbiene (Apis mellifera) betrachten, ist das eindeutig zu kurz gedacht. Die Honigbienen werden von den Imkern aus der Gefahrenzone gebracht und können somit überleben. Das heißt man dann „präventives Risikomanagement“.
Was geschieht mit den vielen Wildbienen, Hummeln, Schmetterlingen? Was geschieht mit den anderen Insekten die im Verborgenen leben? Diese sind den Pflanzenschutzmitteln ausgeliefert und verenden. Das hat nicht nur weitreichende Folgen für die Bestäubung verschiedener Pflanzen, sondern auch für die Lebewesen die in der Nahrungskette nachfolgen. Denen fehlt ganz einfach das Futter.
Ich werde von meinen Kunden beim Honigverkauf des Öfteren gefragt: „wo stehen Deine Bienen“? Auf meine Antwort: „ganzjährig auf 1100 m“ höre ich schon manchmal den Satz, „wenn du sie im Obstanbaugebiet stehen hättest, würde ich deinen Honig nicht kaufen.“

Mo., 16.07.2018 - 15:48 Permalink