Umwelt | Vinschgerwind

Durstige Äpfel

Jubelnde, wartende und verärgerte Vinschger Bauern: Die Wasserversorgung der Apfelanlagen im Vinschgau spielt eine große Rolle – auch in Zukunft.
Laaser Apfelbaum
Foto: Othmar Seehauser

Eine gute, wenn nicht gar euphorische Stimmung herrscht am 27. Juni in Bauerskreisen in Laas und Allitz. Von den mehr als 200 Grundbesitzern der rund 320 Hektar großen Fläche der Allitzbach-Wiesen-Laas sind 137 erschienen. In einer Lagerhalle in der Obstgenossenschaft Alpe sitzen die Bauern vereinzelt auf Stühlen mit großem Abstand dazwischen. Es steht eine Abstimmung über ein Projekt an, welches ein großes Problem rund um den Allitzbach lösen soll, welches  Beregnungswasser für die Litzer Bergbauern freimacht, welches für die Zukunft sauberstes Wasser für die Litzbach-Wiesen sichern wird. Der in Vinschger Bauerskreisen bestens bekannte Kalterer Ingenieur Romano Comunello erläutert rund eine Stunde lang das Projekt. Von den 137 anwesenden Besitzern sind 135 für die unverzügliche Verwirklichung des Projektes, zwei stimmen dagegen. Sektlaune bei den betroffenen Bauern.

Es ist nicht nur das Projekt-Design, das die Bauern fasziniert, es sind auch die Restkosten pro Hektar, die kaum Wünsche offen lassen dürften. Denn das Projekt wird insgesamt um die 7 Millionen Euro kosten. Und davon liegt bereits ein Finanzierungsdekret von rund 6,6 Millionen Euro über den „piano sviluppo rurale“ aus Rom konkret vor. Die Grundbesitzer selbst werden um die 1000 Euro pro Hektar berappen müssen. 

 

Spätestens in den Trockenjahren 2005/2007 war klar, dass der Litzbach, der im Laufe der Jahrhunderte den fruchtbaren Gadriaschuttkegel aufgefüllt hat, eine Wasserversorgung a lá long nicht mehr sicherstellen kann: Der bockige Bach hat rund 200 Hektar Kortscher Wiesen zu versorgen, 160 Hektar auf Laaser Seite, 70 Hektar Litzer Wiesen und 60 Hektar in Oberallitz. 

Überlegungen wurden angestellt, wie man mehr Wasser aus dem Laaser Tal auf die andere Seite bringen könnte. Seit 50 Jahren wird die im Laaser Tal gelegene Santa-Honz-Quelle (Johannisquelle) gefasst und das Wasser mit einer unter dem Dorf durchführenden Leitung auf die unteren Litzer Wiesen auf Laaser Seite geführt. Damit werden rund 160 Hektar mit Beregnungswasser versorgt. Das Santa-Honz-Wasser wurde zuvor über Kandl, von denen noch Überreste in Laas vorhanden sind, auf die andere Talseite gebracht. 

Nicht in Frage kam, Wasser aus dem Laasertal-Bach zu entnehmen. Denn dieses Wasser führt zur Beregnung ungeeignetes Gletscherwasser und auch das milchige Weißwasser ist aufgrund seines Marmorgehaltes zu Beregnungszwecken nicht geeignet.

 

Zuhinterst des Laaser Tales gibt es eine saubere Quelle, die von der damaligen Montecatini, nachfolgend von der Edison, dann Seledison, dann Hydros und heute Alperia für die Stromerzeugung genutzt wird. „Enzianbrunn“ heißt die Wasserschüttung und sie ist so erschlossen, dass das Wasser entweder in den Zufrittstausee in Martell geleitet oder bei Bedarf direkt auf die Turbinen des E-Werks in Laas geführt werden kann.

Mit der damaligen Hydros wurden vom Bonifizierungskonsortium Vinschgau im Jahr 2009 Verhandlungen aufgenommen, das Wasser von „Enzianbrunn“ für die Vegetationsperiode nutzen zu können. „Das ist uns genehmigt worden“, sagt der Geschäftsführer des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau Gottfried Niedermair.

Das Design bzw. das Projekt sieht nun vor, dass mit einem Rohr das Wasser aus dem Enzianbrunn gefasst wird, das Santa-Honz-Wasser wird hinzugespeist und die Leitung wird nordseitig am Dorf Laas vorbei und auch vorbei am Speicherbecken in den Laaser Mösern und dann hinauf bis in die drei Allitzer Speicher geführt. Mit dem Prinzip der verbundenen Gefäße wird das Wasser von 1870 Metern (Enzianbrunn) mit natürlichem Druck auf 1100 Meter (Allitzer Speicher) von einer Talseite zur anderen geführt. Rund 160 Sekundenliter sollen diese neuen Leitung führen. Die derzeit bestehende Leitung, die das Johanniswasser (Santa Honz) führt und die unter Laas hindurchgeht, wird stillgelegt.

„Damit werden alle 320 Hektar der Litzer-Wiesen mit Wasser aus dem Laaser Tal versorgt“, sagt Niedermair. Und damit wird Wasser vom Litzbach frei. Vor allem die Bergbauern in Oberallitz wird dies freuen, denn gerade die sind in der Vergangenheit oft unter die Räder gekommen. Man ist auch dabei, das gesamte Laaser Gebiet – und auch andere Gebiete–- auf Tropfberegnung umzustellen. Einig Gebiete im Vinschgau sind bereits umgestellt.

Eine zweite Leitung besteht bereits von der Faltin-Quelle hinunter in das Speichebecken in den Laaser Mösern. 

 

Nach einem 10-jährigen Spießrutenlauf und nach einer 8-jährigen prozedurfaulen Ämterodyssee – Landesämter, Umweltverträglichkeit, Wassermagistrat in Venedig, Genehmigungen von Unterquerungen für Zug, Straße und Etsch, Sicherheitsprojekte... – kann nun mit dem Finanzierungsdekret in der Hand an die Ausschreibung gegangen werden. „In den Jahren 2021 und 2022 soll das Projekt gebaut werden“, wagt Niedermair eine Prognose.

 

Warten in Schluderns

 

Das Projekt in Laas wurde gemeinsam mit dem Projekt Ebnet Schluderns für die Finanzierung über die „piano sviluppo rurale“-Schiene eingereicht. Man hat für beide Projekte um insgesamt rund 14 Millionen Euro angesucht, mit einem Antrag für zwei Maßnahmen. Laas ist genehmigt und das Projekt in Schluderns wurde vom Antrag abgekoppelt. Warum, weiß man nicht genau, sagt Niedermair. Die Schludernser Bauern müssen noch warten, können allerdings den Sekt schon kalt stellen. Denn eine Finanzierungszusage ist bereits da. Diesmal über die Schiene „piano nazionale investimenti“, in der überwiegend staatliches Geld vorhanden ist. Schluderns ist auf der Liste der „progetti da finanziare“, sagt Niedermair. Der Zeitplan ist nachgereicht, man warte auf das Finanzierungsdekret. Dann wird die Abstimmung der Grundeigentümer kommen. Ob die Schludernser in ähnlicher Sektlaune kommen werden wie die Laaser Bauern?

 

Ärger in Schlanders

 

Weder in Sektlaune noch euphorisch sind die Bauern in Schlanders. Im Gegenteil, in Schlanders ist man verärgert. Hat man heuer im Langes bei den Frostnächten reichlich Frostkerzen angezündet und dafür von der Bevölkerung Entrüstung und Rügen ernten müssen, weil es im Talboden ordentlich „geprintschelet“ hat, hat man andererseits ein Projekt auf Schiene, welches zumindest einen Teil des Frostkerzen- und damit oft auch Geldverbrennens verhindern könnte. 

Das vorhandene Speicherbecken oberhalb der Sportzone Priel soll, so das bereits fix fertige Projekt, vergrößert werden und das gespeicherte Wasser könnte einen Teil der Obstflächen – links der Hauptstraße bis zur Tankstelle und einen Teil des Gebietes bis zur Göflaner Straße – vor allem mit Frostberegnungswasser versorgen, im Sommer auch mit Beregnungswasser. Weil der Schlandraunbach vor allem im Frühjahr, wenn der Bach wenig schüttet, heillos überkonzessioniert ist, bleibt für Frostberegnung kein Tropfen. Deshalb die Frostkerzen mit Rauch und Gestank. Das vergrößerte Speicherbecken wäre Teil eines Gesamtkonzeptes. 

Von der UVP ist das Projekt genehmigt, vom Amt für Stauanlagen ist ein positives Gutachten da, mit der Forstbehörde und mit dem Amt für Wildbachverbauung ist das Projekt vereinbart. Das geologische Gutachten ist ok. Eingereicht wurde das Projekt im Februar 2019, 9.000 Kubikmeter Wasserspeicher, unterirdisch, das Ufer unverbaut, 2 Meter vom Bachbett entfernt, der vorhandene Damm wird belassen. Die UVP hat im November 2019 gesagt, dass „im Wald kein Becken möglich sei“, ein Löschwasserbecken aber schon. Also hat man einen Hydranten dazugeplant.

Im heurigen Jänner wurde das Projekt in der UVP vertagt, ohne Begründung, sagt Gottfried Niedermair. Auf eine schriftliche Anfrage habe man keine Antwort bekommen.

Wo hakt es? Dies fragen sich die Bauern in Schlanders verärgert. 

Niedermair sagt, dass das Amt für Landschaftsplanung das Projekt ablehne. Alle anderen Ämter haben grünes Licht gegeben. Mit großer Verwunderung hat man in Schlanders die Ablehnungsgründe aus dem Amt für nachhaltige Gewässernutzung im Schreiben vom 20. Februar 2020 zur Kenntnis genommen. „Der im Projekt vorgesehene unterirdische Bau eines Speicherbeckens in unmittelbarer Nähe des Schlandraunbaches“, heißt es da im Schreiben unter anderem, „fügt sich nicht harmonisch in die Landschaft ein und stellt somit einen untragbaren Eingriff dar (...).“ Das Projekt respektiere die Anwendung eines naturnahen Wasserbaues gemäß Alpenkonvention nicht. „Diese Form der Ablehnung steht auf keiner gesetzlichen Basis“, ärgert sich Niedermair. Für eine solche Form der Ablehnung habe man kein Verständis. Gesprächsversuche haben in der Causa nicht gefruchtet. Da draußen werdet ihr nie ein Becken bauen, war laut Gottfried Niedermair eine Aussage aus Bozen, die zu noch größerem Ärger in Bauerskreisen geführt hat.

Dann kam Corona.

Trotzdem: Für das Bonifizierungskonsortium war der nächste Schritt klar: Man hat bei der Landesregierung Rekurs gegen diese Form der ablehnenden Haltung eingereicht.  Soll doch die Politik entscheiden, wenn alle Ämter grünes Licht gegeben haben – mit einer Ausnahme. Keine Sektlaune in Schlanders.