Umwelt | Tiroler Schulterschluss

Gurgisers Wutbrief

Frisch aus dem Urlaub zurück gekehrt, musste Fritz Gurgiser von dem Kahlschlag in Sexten erfahren. In einem offenen Brief, geschrieben am 15. August an den Sextner Umweltaktivisten Hans Peter Stauder, nimmt er Stellung: "Wir müssen in Tirol mit der Natur Maß halten."
Foto: Di Valerio Riccardo

Lieber Hans Peter,

würde der alte Grundsatz „Aug um Aug, Zahn und Zahn“ gelten, müssten die Auftraggeber – die lauten und die stillen – wohl genauso umgesägt und ein paar Tage liegen gelassen werden. Nun, das geht heute nicht mehr, wie wohl der Gedanke daran ja nicht verboten sein kann. Es zeigt sich, dass die Seite, die ihre Raubinteressen an der Natur durchsetzen will, gelernt hat: Sie scheißt sich nichts mehr, sie nützt jede juristische Möglichkeit aus (die ihr, wie in diesem Fall, von einem Richter unwissentlich oder wissentlich eingeräumt wird), sie kennt keine Rücksicht mehr und Moral, Anstand oder Charakter sind ihr ohnedies fremd geworden. Das ist es, was uns in vielen Bereichen immer wieder in die zweite Reihe stellt.

Weil viele von uns noch an „Recht“ glauben, wenn längst „Unrecht“ geübt wird.

Weil viele von uns noch glauben, mit Einsprüchen oder anderen juristischen Möglichkeiten lebenswerte und auch langfristig wirtschaftlich vernünftige Interessen durchsetzen zu können (Naturzerstörung um jeden Preis ist keine langfristige wirtschaftliche Perspektive in einer Zeit, in der Wachstum völlig neu zu definieren ist).

Weil viele von uns noch glauben, die anderen hätten noch ein Mindestmaß an Respekt im Umgang miteinander und im Umgang mit dem gemeinsamen Erbe und Kapital, unserer unwiederbringlichen Natur.

Das ist längst ein gefährlicher Irrglaube geworden, der offen diskutiert werden muss, sonst werden solche „unappetitlichen Wochenendschlägereien“ auch noch mitten in der Saison vor genau denen, denen dieselben Täter die „heile Bergwelt“ mit Ruhe, Erholung, gesunder Luft und gesundem Wasser, versprechen zum Standard der Natur- und Umweltzerstörer. Wenn ein Samstag und Sonntag unter größtmöglichem technischen Einsatz und größtmöglicher politischer und rechtlicher Duldung für so einen Kahlschlag genügen, dann werden nicht nur Bäume gefällt, dann wird die Demokratie gefällt, dann wird das Miteinander gefällt, dann wird auch der Dorffrieden gefällt. Das Bild werden wir uns als Mahnmal nehmen, um auch in den eigenen Reihen endgültig die Träumer von Demokratie, von Recht, von Diskussion, vom Miteinander aufzuwecken, um nicht schreiben zu müssen, ihnen dieses Bild so lange um die Ohren zu schlagen, bis auch die dümmsten unter ihnen merken, dass es anders geworden ist. Kälter geworden ist, unsympathischer geworden ist.

Als nationaler und internationaler Preisträger für Natur- und Umweltschutz bin ich über diesen Kahlschlag an der Natur auf der einen, vor allem aber über diesen Kahlschlag in der rechtlichen Auseinandersetzung betroffen und noch mehr zornig. Weil ist spüre, dass es auch einem Kahlschlag in den Herzen aller entspricht, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für ein geordnetes Miteinander zwischen Naturschutz auf der einen Seite und Naturnutzen zum Wohler ALLER auf der anderen Seite – nicht einer kleinen „Ehrenwerten Gesellschaft“ von ewiggestrigen Wachstumsträumern – einsetzen und engagieren.

Einer „Ehrenwerten Gesellschaft“, die meint, sie würde dieses Land nur deshalb für kurze Zeit bewohnen, um Gelder anzuhäufen und dabei vergisst, dass ihr ganzes Geld nichts mehr nützt, wenn die letzte Stunde geschlagen hat. Dann gilt auch für sie eine unumstößliche Regel: „Das letzte Hemd hat keine Tasche“ – sie müssen all das zurücklassen, was sie ihr Leben lang zusammengerafft haben und über ihrem Totenbett kreisen keine Geier, sondern viel schlimmer: Die lieben Erben. Die einen wollen das zusammengeraffte „Erbe“ weiter anhäufen und die andern verprassen es; wie erbärmlich muss so ein Leben sein, wenn am Ende all das Raffen umsonst war und sich der Unterschied zu uns höchstens in einem besseren Grabstein ausmacht; falls der Geiz der Erben den besseren Grabstein überhaupt zulässt.

Diese Rücksichtslosigkeit, diese Respektlosigkeit und diese politische Packelei im Hintergrund aber gilt es anzuprangern und die eigenen Strategien zu überdenken. Denn dieses Beispiel steht für viele andere Bereiche auch, wo es darum geht, aus angeblich „übergeordneten Interessen“ (die nie näher definiert werden können, sondern einfach behauptet werden) die Grundrechte der BürgerInnen zu beschneiden oder sie ihnen schlichtweg zu stehlen und zu rauben.

PS: Bin seit heute wieder aus dem Urlaub zurück und ab morgen wieder im vollen Einsatz.

LG, Fritz Gurgiser

 

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konrad laimer Fr., 16.08.2013 - 17:28

nach dem Himmel und Erde, Luft und Wasser, Tag und Nacht alle Pflanzen und Tiere erschaffen waren erschuf Gott den Mensch, Mann und Frau - DOMINIUM TERRAE war der 1. Auftrag Gottes an diesen beiden Menschen - was nach der Übersetzung von Martin Luther aus dem alten Testament bedeutet: " macht euch die Erde untertan",.....das was in Sexten passiert, ist ein durchwegs nachvollziehbarer christlicher Akt, unserer Industrie-Gesellschaft...........was sagt der Bischof .......was sagt der Papst.............vielleicht, gibt es zwei verschiedene Antworten........der Segen der Kirche ist bei der Eröffnung, gewiss.

Fr., 16.08.2013 - 17:28 Permalink