Chronik | Justiz

Schwarze Schafe in Uniform

Der Kommandant einer Südtiroler Carabininierikaserne und sein Stellvertreter wurden vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft erhebt gegen das Duo schwere Vorwürfe.
Carabinieri
Foto: upi
Die Verhandlung, die am Montag am Bozner Landesgericht anberaumt war, ist alles andere als alltäglich. Vor dem Freiheitsgericht steht eine Prüfung der Beweismittel und der vom Voruntersuchungsrichter angeordneten Präventivmaßnahmen an. Eigentlich eine Routineangelegenheit. 
Doch genau das ist diese Verhandlung nicht. Denn im Gerichtssaal wird an diesem Tag ein Fall behandelt in dem es um schwerwiegende Vorwürfe gegen zwei Männer geht, die eigentlich auf der Seite des Gesetzes stehen sollten.
Die Hauptpersonen in diesem Verfahren sind zwei Carabinieri-Unteroffiziere, denen nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen eine ganze Reihen von Gesetzesverstößen zur Last gelegt werden: Illegale Verhaftung, Fälschung von Dokumenten, Vortäuschung einer Straftat und Amtsmissbrauch. 
 
 
Es ist eine Geschichte,  - sollte sie vor Gericht bestätigt werden – die ein beunruhigendes Bild von der Arbeit zweier Hüter der öffentlichen Sicherheit zeichnet. Eine Geschichte, die bereits jetzt ein Skandal ist, der sich aber durchaus noch ausweiten könnte.
 

Erfolgreicher Kommandant

 
Im Zentrum stehen ein Maresciallo und ein Brigadier der Carabinieri. Die beiden sind der Kommandant und sein Stellvertreter einer Carabinieristation in der westlichen Landeshälfte. Das Duo zeigt seit Jahren vor allem im Kampf gegen die Drogenkriminalität ein besonderes Engagement. Sie führen mehrer Operationen durch, die von der kleinen Gemeinde starten, dann aber zu Verhaftungen in mehreren Südtiroler Städten führen. Dem Maresciallo der kleinen Carabinierikaserne gelingt es immer wieder größere Polizeiaktionen durchzuführen. Seit Jahren ist seine Station bei der Anzahl der Verhaftungen und sichergestellten Drogen im Spitzenfeld der Südtiroler Carabinieri-Statistik zu finden. Der Stationskommandant weitet dabei seinen Aktionsradius weit über seine Gemeinde hinaus aus.
Einige wenige Uniformträger, die intern den Aktionismus und das besondere Engagement des Kommandanten und seines Stellvertreters kritisch betrachten, werden dabei als Neidhammel abgetan.
Vor allem der Kommandant gilt als Vorzeige-Carabiniere. So etwa wird der Maresciallo vor einem Jahr vom Landeskommandanten zusammen mit anderen belobigt und ausgezeichnet. Die Begründung: „Brilliante Operationen gegen den Drogenhandel bei denen zehn Personen verhaftet und weiter elf Personen angezeigt wurden“.
Seit drei Monaten aber liegt plötzlich ein schwerer Schatten auf dieser Erfolgsstory.
 

Die Verhaftung

 
Mitte Juni führen der Kommandant und sein Stellvertreter die Verhaftung eines albanischen Staatsbürgers durch. Sie finden bei ihm nicht nur Drogen, sondern auch Munition. Der Kommandant und sein Stellvertreter überstellen den Verhafteten selbst in das Bozner Gefängnis.
Als die beiden Carabinierioffiziere später im Dienstwagen das Gefängnis in der Dantestraße verlassen, kommt es am Tor zu einem Vorfall, der zum Auslöser des Skandals werden sollte.
Laut Carabinieriprotokoll habe dort der Bruder des Verhafteten gewartet und die beiden Carabinieri angegriffen. Der Kommandant und sein Stellvertreter legen dem Mann Handschellen an und nehmen in wegen Widerstandes gegen eine Amtsperson fest.
 
 
Weil die Verhaftung praktisch am Eingang des Carabinierikommandos in der Dantestraße erfolgt, bringen die beiden Carabinieri den Mann zuerst in das Kommando, wo er erkennungsdienstlich behandelt wird. Nach Weisung des diensttuenden Staatsanwaltes wird der Albaner dann in den Hausarrest überstellt. Es sind die beiden Carabinieri, die den Festgenommen im Dienstwagen in sein Heimatdorf überstellen.
Doch dann passiert etwas, mit dem niemand gerechnet hatte. Einen Tag später hebt der Voruntersuchungsrichter den Hausarrest auf und ordnet dem Staatsanwalt weitere Ermittlungen an.
 

Entlarvende Aufnahmen

 
Denn in Wirklichkeit hat sich die Episode in der Bozner Dantestraße völlig anders abgespielt.
Mit dem Bruder stand auch die Ehefrau des Verhafteten am Tag zuvor vor dem Gefängnistor. Beide schildern den Vorgang ihrem Anwalt aber völlig anders. Demnach habe die beiden Carabinieri beim Verlassen des Gefängnisses ihnen bewusst höhnisch „Allora, buona notte“ zugerufen. Darauf habe der Bruder „vaffanculo“ geantwortet.
Es ist das Zeichen für die Verhaftung. Die Carabinieri stoppen und springen aus dem Wagen. Zuerst provozieren sie den Bruder und dann stoßen sie ihn über 5 Meter weit weg, wo der Mann zu Boden geht. Obwohl der Mann keinerlei Anstalten macht und zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Finger rührt, legten sie ihm sofort Handschellen an.
Der Bozner Strafverteidiger legt diese Aussagen vor Gericht vor und sie werden nicht nur vom Voruntersuchungsrichter für schlüssig und glaubwürdig erachtet. Auch die Staatsanwaltschaft wird tätig.
 
 
Der stellvertretende Staatsanwalt Andrea Sacchetti lässt umgehend die Videoaufnahmen aus der Dantestraße beschlagnahmen. Am Gefängnistor sind Kameras angebracht. Der Zufall will es, dass sich der Großteil der Verhaftungsszene in einem toten Winkel außerhalb des Kamerabereichs abgespielt hat. Doch der Staatsanwalt lässt auch die Aufnahmen der Videoüberwachung des angrenzenden Carabinierikommandos in der Dantestraße und vor allem jene des gegenüberliegenden Haydn-Auditoriums beschlagnahmen.
Aus den Aufnahmen ergibt sich – nach Informationen von salto.bz - ein klares Bild: Die Schilderung des Beschuldigten und der Ehefrau des Verhafteten entspricht der Wahrheit. Die beiden Carabinierioffiziere haben die Verhaftung provoziert und bewusst inszeniert.
 

15 Schuss Munition

 
Staatsanwalt Andrea Sacchetti verlangt daraufhin die sofortige Suspendierung der beiden Carabinieri vom Dienst. Der Voruntersuchungsrichter gibt dem Antrag statt und der Landeskommandant der Carabinieri enthebt den Kommandanten und seinen Stellvertreter vom Dienst.
Bei der Verhandlung am Montag sollte auch geklärt werden, ob diese Suspendierung drei Monate später noch Aufrecht erhalten bleibt. Vieles spricht dafür, dass der Kommandant und sein Stellvertreter kaum mehr so schnell in den aktiven Dienst zurückkehren werden.
 
 
Denn vor allem die Lage des Maresciallo hat sich inzwischen deutlich verschlechtert. So wurde der Mann nach seiner Suspendierung am Flughafen Verona angehalten, weil man in seinem Gepäck 15 Patronen fand. Der Unteroffizier rechtfertigte die Munition damit, dass er ein Carabiniere sei. Als man in Bozen aber nachfragte, kam heraus, dass der Maresciallo vom Dienst enthoben wurde und damit auch die Dienstwaffe und die Munition abgeben musste. Zudem scheint es sich bei den sichergestellten Patronen nicht um Munition zu handeln, die bei den Carabinieri gebräuchlich ist. Demnach wird der Stationskommandant jetzt erklären müssen, woher die Patronen stammen.
Zudem könnte es noch weit dicker kommen. Weil es auch bei früheren Verhaftungen bereits einige Unstimmigkeiten gab, befürchtet man jetzt, dass die Anwälte der Beschuldigten einige Fälle neu aufrollen werden. Die Staatsanwaltschaft will deshalb auch ältere Fälle prüfen, bei denen das Duo zu Gange war.
Die Verhandlung am Montag war schnell zu Ende. Weil die Staatsanwaltschaft erst vor wenigen Tagen eine entscheidende, neue Zeugenaussage beigebracht hat und die Verteidiger keine Zeit hatten, die neuen Beweise zu studieren, vertagte das Freiheitsgericht die Beweismittelprüfung um zwei Wochen.
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Pierino Zingg Mi., 18.09.2019 - 10:52

Ich finde diesen Artikel tendenziös und vorverurteilend. Ordnungshüter, die man ja nicht grundlos schon für besondere Verdienste ausgezeichnet hat, und die ihr Leben aufs Spiel setzen, um unsere jungen Kinder vor den Drogendealern zu schützen, sollte man nicht einfach so in ein dermassen schlechtes Licht stellen. Vor allem nicht, wenn man sie nicht vorher auch angehört hat. Ob dies gemacht wurde, entzieht sich meiner Erkenntnis. Dieser Bericht lässt vermuten, dass die Verbrecher eine banale Situation auszunutzen versuchen, um die erfolgreiche Arbeit der Carabiniere in der Bekäpfung des nur zerstörerischen und skrupellosen Drogenhandels in Südtirol zu unterbinden. Merkwürdig ist, dass dabei die Staatsanwaltschaft, immer gemäss diesem Artikel, scheinbar die Unterwelt unterstützend mitmacht. Schlussendlich kann ich diesem Artikel wenig professionellen Journalismus und schon gar keine Ethik zum Schutz unserer Bevölkerung abgewinnen.

Mi., 18.09.2019 - 10:52 Permalink
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Jakob Oester Mi., 18.09.2019 - 20:18

Wenn ich diesen Artikel lese, empfinde ich, dass hier die Carabinieri etwas einsetig und vorschnell als "Schwarze Schafe" dargestellt werden. Mag durchaus sein, dass sich die zwei Herren provozieren haben lassen und etwas überreagiert haben. Dafür will ich sie auch nicht in Schutz nehmen und Fehler schön reden. Aber gleichzeitig sind es halt auch nur Menschen und werden somit nicht immer alles fehlerfrei machen. Bevor aber die ganze Sachlage noch nicht geklärt ist, scheint es mir nicht unbedingt fair und an der Zeit, sie, und somit ein Stück weit die Carabieneri im Westen als Kollektiv, doch recht negativ darzustellen.

Mi., 18.09.2019 - 20:18 Permalink
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Peter Gasser Mi., 18.09.2019 - 20:26

Es bleibt abzuwarten.
Ich habe korrekte, hilfsbereite, und sogar verständnisvoll nachsichtige Carabinieri erlebt, aber auch den Agent-Provokateur im zivil-verkappten Rennwagen auf der Mebo, der mich von hinten gleichsam „schob“, und auch den Maresciallo, der mich mit einer Anzeige wegen Ehrbeleidigung vor das Bezirksgericht Meran brachte.

Mi., 18.09.2019 - 20:26 Permalink