Gesellschaft | 80. Jahre Durnwalder

Großer Baum, lange Schatten

Luis Durnwalder und der Journalismus. Der Beitrag des ehemaligen RAI-Chefredakteurs Wolfgang Mayr, der im Durnwalder-Buch von Karl Mittermair nicht erscheinen durfte.
Durnwalder, Luis
Foto: Fabian Leitner
25 lange Jahre Landeshauptmann. Länger als Helmuth Kohl und Angela Merkel, nur der Russe Wladimir Putin und der Türke Erdogan können mithalten. Meist war die Ära Durnwalder eine One-Man-Show mit einer Menge von Komparsen und Schauspielern der B-Liga. Kein Wunder, der übergroße Baum Durnwalder warf lange Schatten. Dort wächst kaum Gras, Blumen schon gar nicht. Kurzum es gab keinen Platz für einen Anderen, schon gar nicht für eine Andere.
Ein Viertel Jahrhundert lang sorgte Luis Durnwalder als Landeshauptmann für gutes und schlechtes politisches Wetter. Er überragte vieles und einige, seine Freunde, seine Berater, seine Nutznießer und auch seine Feinde, die sich in seiner unmittelbaren Nähe aufhielten. Manche, die sich in seinem Schatten einreihten, blieben politische Zwerge, die ihm nach dem Mund redeten. Widerspruch schätzte er nicht sonderlich, wunderte sich aber darüber, wenn ihm unerwarteterweise widersprochen wurde. Dann konnte er darüber sogar schmunzeln, „schweinisch grinsen“ schrieb einmal Hans-Karl Peterlini, Ex-Chefredakteur der Wochenzeitung FF.
Nein, das ist jetzt keine Abrechnung. Unser Verhältnis, Landeshauptmann-Journalist, war geprägt von Distanz und manchmal auch von Misstrauen, von Ablehnung und Kritik. Lange. Inzwischen, kommt mir vor, schätzen wir uns. Ich schätze seinen Klartext und seine manchmal aggressive Offenheit.
Ein Viertel Jahrhundert lang begleitete ich – dann und wann - journalistisch den Landes-Luis, wie wir Journalisten ihn ironisch aber doch recht liebevoll betiteln. Wir haben hinterher geschrieben, kritisch, manchmal bitter böse, andere vorauseilend beweihräuchernd.
 
 
Nein, das ist jetzt keine Abrechnung. Unser Verhältnis, Landeshauptmann-Journalist, war geprägt von Distanz und manchmal auch von Misstrauen, von Ablehnung und Kritik. Lange. Inzwischen, kommt mir vor, schätzen wir uns.
Vor einigen Wochen sagte der Alt-LH zu mir, „wir beide brauchen uns nicht mehr, wir können uns frei die Meinung sagen“. Auf diese war ich gespannt und dann überrascht. „Ich habe Sie geschätzt, obwohl Sie schon recht grün waren“, immerhin ein spätes Lob. Er hörte sich gerne meine Radio-Sendungen an, lobte er, weil auf dem Punkt gebracht. Angenehme Bauchpinselei.
Das war nicht immer so. Für eine lange Zeit standen wir uns skeptisch bis ablehnend gegenüber. Es dauerte ein Stück des Weges und eine Zeit lang, bis wir miteinander konnten. Oft frotzelnd, aber doch freundlich bestimmt.
Damals, zwischen 1984 und 1988, war das eher ein gegenseitiges Belauern. Eine meiner ersten Titelgeschichten für die FF waren die Fortstraßen. Hunderte Kilometer sollen sie lang sein. Manche sind gut gelungen, andere offene Wunden in der Waldlandschaft. Mein Interview-Partner war Florin Florineth, Mitarbeiter der Wildbachverbauung und engagierter Umweltschützer. Die Forststraßen, warnte Florineth, öffnen den Wald für die Massen. Zu viele mit Sondergenehmigungen befahren diese Straßen. Es war eine Geschichte ohne den zuständigen Landesrat für Forstwirtschaft, eben Luis Durnwalder. Eine Woche später sollte in der FF eine Reaktion mit dem Landesrat Durnwalder folgen, der beim Interview völlig unerwartet lospoltere, was diese grüne Ketzerei soll. Das Gespräch endet im Geschrei.
Solche und ähnliche verunglückte Interviews gab es in der FF-Zeit gleich mehrere. Das Nachfragen war für die Südtiroler Politiker ungewohnt. Sie empfanden das Fragen als Kritik, als Zweifel an der Autorität. Die FF spielte damals Türöffner für einen neuen Journalismus. Wir wollten nicht länger Lautsprecher oder Mikrophon-Ständer der Politik sein, um Hans-Karl Peterlini zu zitieren. Es wurde dadurch eindeutig spannender.
 

Rai Redaktion – grüne Bande?

 
1988 wechselte ich in die Nachrichtenredaktion des Rai Senders Bozen. Durnwalder löste Silvius Magnago als Landeshauptmann ab. Sein erstes Opfer war Alfons Benedikter, langjähriger enger Mitarbeiter von Magnago, hartnäckiger Paket-Unterhändler und Vater der damals strengen Raumordnung. Von der heute nicht einmal mehr Bruchstücke vorhanden sind. Durnwalder berief Benedikter nicht mehr in die Landesregierung, dieser verließ die SVP und gründete mit Eva Klotz die Union für Südtirol. Warum er sich an Benedikter rächte, wollte ich vom LH wissen. Dieser schaute mich abschätzig an, schaute durch mich durch und ließ mich wortlos stehen. Meine nachgerufenen Fragen nahm er nicht zur Kenntnis.
Was soll das für ein Journalismus sein, schimpfte er ungehalten, das ist Politik, gehen Sie in die Politik, stellen Sie sich der Wahl, empfahl er mir
Hundert Tage im Amt war Durnwalder der Gast auf einer Versammlung der SVP in Frangart in Eppan. Thema – die umstrittene Schnellstraße Me-Bo. Statt Applaus und Zurufe blieb es im Bürgersaal atmosphärisch frostig und auch stimmungsmäßig unterkühlt. Ungewohnt für den damaligen Superstar. Mein Bericht über diese für den LH verunglückte Versammlung sorgte für einen kräftigen Schlagabtausch. Was soll das für ein Journalismus sein, schimpfte er ungehalten, das ist Politik, gehen Sie in die Politik, stellen Sie sich der Wahl, empfahl er mir. Auf meine Entgegnung, Fragen und Nachfragen ist journalistisch, genauso die Beschreibung der Reaktion der Bürgerinnen und Bürger, reagierte der LH aufbrausend. Ob ich ihm Nachhilfestunden geben will und weg war er laut brottelnd.

Ein mächtiger LH

 
1990, es lief die Referendums-Kampagne zum Verbot der Jagd, drang Rai-Chefredakteur Hugo Seyr auf eine ausgewogene Berichterstattung. Pro & Contra. Die Jagd-Befürworter hielten sich aber zurück, boykottierten Interviews. Die Jagd-Gegner, Umweltschützer und Grüne, versuchten   Stimmung zu machen, die Bürgerschaft zu mobilisieren. Viele Gegner kamen zu Wort, zum Missfallen des jagenden Landeshauptmannes. Er kam dafür aber sehr oft zu Wort. Sein Eindruck, weniger als die Jagd-Gegner. Durnwalder warf Chefredakteur Seyr vor, Sprachrohr der Grünen zu sein. Ein grüner Haufen, wetterte der LH.
Chefredakteur Seyr wurde – wohl u.a auch deshalb  – abberufen, da spielten die Rai-Oberen in Bozen mit  der Rai-Führung in Rom und mit dem LH zusammen. Die Redaktion – wir, ich - schaute dabei widerstandslos zu. Von wegen grüner rebellischer Haufen. Die Rai holte den Vorgänger von Seyr, Hansjörg Kucera, wieder zurück. Schluss mit dem Prager Frühling in der Rai-Redaktion, Normalisierung wurde verordnet. Eine Redaktion ist aber trotz alledem keine Truppe, die freudig auf Befehle wartet. Das lernte Hans Gamper kennen, der Nachfolger von Kucera. Damals gingen täglich Nachrichten über US-Präsident Clinton und seiner nicht koscheren Beziehung zur Praktikantin Monica Levinsky über den Äther.
 
 
In jener Zeit trennte sich Gerda Furlan von ihrem Mann, dem Landeshauptmann. Zeno Braitenberg lud die beiden Anwälte Gerhard Brandstätter und Burkhard Zozin in die Sendung „pro & contra“ ein. Diskutiert werden sollte die Trennung des Ehepaares Durnwalder und ab wann ein solches privates Ereignis zu einem öffentlichen Thema wird. Ich lud in die Anrufsendung im Hörfunk Anwalt Zozin ein. Ein Sturm der Entrüstung aufgebrachter Bürgerinnen und Bürger brach los. Wie kann man nur das zum Thema machen, so der Vorwurf. Gleichzeitig konsumierten diese erregten SüdtirolerInnen die Nachrichten aus Washington, aus dem „Oral Office“ von Bill Clinton. Für den LH waren die beiden geplanten Sendungen eine glatte Frechheit, wie sich Journalisten nur in Privatangelegenheiten auf so unzulässigerweise einzumischen versuchen. Mit seinem Veto untersagte der LH die beiden Sendungen. Die Haltung von Durnwalder ist nachvollziehbar und verständlich, weniger jene des damaligen Chefredakteurs.
Es fällt auch in jene Zeit, die Berichterstattung der Wochenzeitung FF über das ominöse Schwimmbad von Luis Durnwalder in seinem Privathaus in Pfalzen. FF-Chefredakteur Hans-Karl Peterlini warf dem LH vor, in einem Korruptionsfall verwickelt zu sein. Die Ermittlungsbehörden, die erste Untersuchungen aufnahmen, archivierten den Fall. Begründung: den Korruptionsfall gibt es nicht. Der LH forderte Konsequenzen, die Abberufung von Peterlini. Eine breite Solidaritätsaktion warnte die FF-Gesellschafter, der Forderung Durnwalders nachzugeben. Den offenen Brief SOS FF unterzeichneten überraschenderweise auch einige SVP-Mitglieder. Reinhold Messner zählte zu den Erstunterzeichnern. Er kritisierte die journalistischen Schnellschüsse der FF-Journalisten, „zu oft wurden Fakten verfälscht“, kommentierte er bissig. Trotzdem braucht Südtirol ein systemkritisches und investigatives Printmedium, begründete Messner seine Unterschrift. Messner wurde Jahre später ein enger Freund von Landeshauptmann Luis Durnwalder. „Wie kann man nur eine Zeitung unterstützen,“ fragte mich der LH wegen meiner Solidaritäts-Unterschrift, „die mich unbewiesener Weise der Korruption beschuldigt“. Eine falsche Solidarität für eine falsche Sache, warf er mir vor.
 
 
 
Als Landeshauptmann war Durnwalder meistens treffsicher. Nach den harten Jahren der autonomiepolitischen Auseinandersetzungen und ethnischen Verhärtungen leitete Durnwalder eine Politik des Lächelns ein, wie der Alto Adige schrieb. Er ging offensiv auf die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe zu und auch auf deren Wünsche und Forderungen ein. Der Proporz wurde weniger bürokratisch gehandhabt, Experimente im Sprachunterricht der italienischen Schulen wurden möglich, die interethnische Zusammenarbeit wurde angeregt. Trotz parteiinterner Widerstände rang sich Durnwalder zur Gründung der Freien Universität Bozen durch, bildungspolitisch ein großer Wurf. Es war auch Durnwalder, der den Wünschen der Wirtschaft nachgab und die strenge Raumordnung von Alfons Benedikter aushebeln ließ. Weil Wirtschaft braucht Frei- und Spielräume und keine Fesseln. Ein Boom jeder Art war die Folge, der bis zum Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 – mit kurzer Unterbrechung wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise – anhielt.
 

Der LH und seine Freunde

 
Weniger treffsicher empfand ich die Entscheidungen des Landeshauptmannes bei der Wahl seiner Vertrauensleute. Wo auch immer. Beispielsweise bei der Rai in Bozen. Nach dem Intermezzo des gemütlichen Hans Gamper wurde Markus Perwanger fünfter Chefredakteur.  In der Redaktion zeichnete sich Perwanger als Redakteur mit Ideen und Vorschlägen für eine audio-visuelle  Erneuerung aus. Als CR versuchte Perwanger die Berichterstattung über Oppositionelle einzuschränken. Konfliktthemen sparte er ganz einfach aus. Besonders in der Tagesschau. Er war eine treuer Diener seines Mentors. Für eine gewisse Zeit nur.
Das war auch die Zeit des Sel-Skandals, des verfälschten Wettbewerbs für die Zuteilung der sogenannten großen Wasser-Konzessionen. Plötzlich stand das sich gern sauber gebende und moralisch hochstehende Südtirol als korruptes Sumpfland da. Fast täglich tauchten Ungereimtheiten auf, die Christoph Franceschini von der Neuen Südtiroler Tageszeitung an die Öffentlichkeit schrieb. Wir als Rai konfrontierten den damaligen zuständigen Landesrat Laimer mit den Aufdeckungen. Landeshauptmann Durnwalder reagierte genervt darauf, warf uns vor, Sprachrohr der Opposition zu sein. Aber auch zwei SVP-Landtagsabgeordnete aus dem Vinschgau, Josef Noggler und Arnold Schuler, verlangten vehement Aufklärung.
Wir als Rai konfrontierten den damaligen zuständigen Landesrat Laimer mit den Aufdeckungen. Landeshauptmann Durnwalder reagierte genervt darauf, warf uns vor, Sprachrohr der Opposition zu sein.
Die Konflikte in der Redaktion zwischen Chef und Team eskalierten in der Ära Berlusconi. Plötzlich wandte sich Chefredakteur Perwanger von Landeshauptmann Durnwalder ab. Seine Begründung, die Macht von Durnwalder endet bei Salurn, Berlusconi regiert zwischen dem Brenner und Lampedusa. Perwanger schlug sich ohne Scham auf die Seite von Ministerpräsident Berlusconi. Sein Verbündeter von gestern ist überflüssig geworden. Plötzlich fand sich die als grüner Haufen verschriene Redaktion auf der Seite des Landeshauptmannes.
Der Anti-Durnwalder-Kurs fiel Perwanger aber nicht auf den Kopf. Im Gegenteil. Nach sieben Jahren an der Spitze der Redaktion wurde er zum Koordinator berufen. Eine im Paket vorgesehen „Figur“, eine Art Herausgeber für die deutschen Programme der Rai in Bozen. Der Landeshauptmann stimmte dem Vorschlag der Rai in Rom zu, den Chefredakteur zum Koordinator zu berufen. Er beerbte den sanften und volkstümlichen Rudi Gamper in dieser Funktion. Aus dem Umkreis des Landeshauptmannes hieß es, lange wird Perwanger dort nicht bleiben. Vor seiner Rai-Zeit nämlich wechselte der neue Koordinator oft Job. Der Landeshauptmann hoffte offensichtlich auf die Lust Perwangers, sich neue Herausforderungen zu suchen. Auf meine Frage, warum er seine Zustimmung gab, antwortete Durnwalder schnippisch, er wird euch Grünen schon die Wadl nach vorne drehen.
In den Gängen der Rai wurde auch gemunkelt, dass Athesia-Direktor Michl Ebner dem Landeshauptmann seinen Freund Perwanger als Koordinator empfahl. Ob dem so war, fragte ich Luis Durnwalder. Er verneinte vehement, meine Personal-Entscheidungen, sagte er im kräftigen Brustton der Überzeugung, trifft er allein. Außerdem, ergänzte er, sind wir – Ebner und er – nicht unbedingt Freunde.
 
 
Perwanger war also so etwas wie ein Wachhund der Landesregierung an der Spitze der Rai. Er blieb, er wechselte nicht, er ist noch immer Koordinator. Einer der längeren Schatten aus der Ära Durnwalder.
Wie auch immer, Perwanger war also so etwas wie ein Wachhund der Landesregierung an der Spitze der Rai. Er blieb, er wechselte nicht, er ist noch immer Koordinator. Einer der längeren Schatten aus der Ära Durnwalder.
Als mein Sohn Lorenz an die Spitze der Jungen Generation der SVP Bozen gewählt wurde, empfahl mir der Landeshauptmann auch diesen Schritt. Ihr Sohn ist in der richtigen Partei, meinte er im Landtag einmal flapsig. Obwohl, fügte er schmunzelnd an, Sie haben sich gebessert. Weniger grün, mehr pragmatisch und realistisch, fast schon neutral. Was da nun ein Lob oder war ich gar auf Abwegen?
Auf einer der Landesversammlungen in Meran griff Lorenz Landeshauptmann Durnwalder wegen des Sel-Skandals scharf an und warf ihm vor, ein Sesselkleber zu sein. Er soll doch den Jüngeren Platz machen, seine Forderung. Ob Lorenz noch immer auf dem richtigen Weg ist, wollte ich anschließend vom Landeshauptmann wissen. Seine überraschende Antwort – das zeigt doch, wie demokratisch die SVP ist, wie wenig LH hörig.
 

Neue Zeit?

 
Nach der Pensionierung von Robert Asam als Chefredakteur wurde ich dessen Nachfolger. Der LH gab dafür seine Zustimmung. Offensichtlich hegte Durnwalder keine Vorbehalte mehr. Beim ersten Treffen als Chefredakteur empfahl er mir, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Unabhängig bleiben, keine Parteifarbe zu tragen, das kritische Nachfragen ist schon rechtens, ergänzte der Landeshauptmann gönnerhaft seine Empfehlung. Diesem Friedensschluss vorausgegangen ist eine Zusammenarbeit mit den beiden SVP-Parlamentariern Siegfried Brugger und Karl Zeller. In den letzten Monaten der Regierung Berlusconi erreichten die beiden Kammerabgeordneten in einer erfolgreichen Zusammenschau mit Landeshauptmann Durnwalder und seiner rechten Hand Hermann Berger eine wichtige Zusage aus dem Ministerratspräsidium. Ein Berlusconi-Vertrauter wird sich mit den beiden SVP-Parlamentariern und der Rai-Führung treffen. Das Land erklärte sich bereit, anstelle des Staates die deutschen und ladinischen Programme der Rai in Bozen zu finanzieren. Über das sogenannte Mailänder Finanzabkommen.
Bei diesem Treffen mit dabei war Chefredakteur Asam. Die beiden SVP-Kammerabgeordneten luden Asam ein, der als ehemaliger Hörfunk-Programmchef auch diese Abteilung gut kannte. Von der Rai in Rom mit dabei war u.a. Rai-Com-Chef Luigi De Siervo. Zum Treffen geladen war auch Koordinator Perwanger, der aber aus Termingründen absagte. Insider meinen, Perwanger konnte die Lage nicht richtig einschätzen, ob der SVP-Versuch zum Erfolg führt.
 
 
Nach der Unterzeichnung der Konvention im Dezember 2012 rief mich der LH an und frohlockte, eine neue Zeit bricht an. Durnwalder beschrieb die Gespräche mit Rai-Präsidentin Tarantula und Generaldirektor Gubitosi als fruchtbringend. Rai-Obere, kommentierte der LH, die Verständnis zeigten für Südtirol. Kein Wunder, wenn es dafür 20 Millionen Euro jährlich gibt.
Die Konvention garantiert die Finanzierung. „Nach dem ersten Anlauf zur Übernahme der Rai ist nichts mehr geschehen, wir brauchen einen eigenständigen Landessender mit unabhängigem Verwaltungsrat,“ sagt Durnwalder im Buch von Thomas Benedikter „100 Jahre moderne Territorialautonomie – Autonomie weltweit“ (erschienen im Berliner LIT-Verlag). Seine Aufforderung: „Wir müssen den Mut haben, das zu fordern, was wir wollen“.
Ob es jemals einen solchen Landessender geben wird? Mit der Konvention steht die jährliche Finanzierung. Trotz alledem ein großer Wurf. In der Amtszeit der Regierung Monti waren die jährlichen Zuwendungen für die Rai in Bozen drastisch nach unten geschraubt worden. Diese finanzielle Trockenlegung, darüber haben sich im Land manche gefreut, wurde mit der Konvention gestoppt.
Durnwalder-Nachfolger Arno Kompatscher erbte als Landeshauptmann diese Konvention. Bei seinem Amtsantritt gestaltete ich eine längere Radio-Sendung, über seinen Werdegang, über seine Ziele und seine Projekte. Alt-LH Durnwalder befand, dass ich bei der Gestaltung dieser Sendung wohl mit den Knien auf dem Boden demütig herumgerutscht bin, zu Ehren von Arno Kompatscher. Wie das, seine Frage, woher diese Wohlfälligkeit und er setzte dabei ein breites Grinsen auf.
Bei Kompatschers Amtsantritt gestaltete ich eine längere Radio-Sendung, über seinen Werdegang, über seine Ziele und seine Projekte. Alt-LH Durnwalder befand, dass ich bei der Gestaltung dieser Sendung wohl mit den Knien auf dem Boden demütig herumgerutscht bin, zu Ehren von Arno Kompatscher.
Arno Kompatscher war in den auslaufenden Ära Durnwalder Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Völs und Präsident des Gemeindenverbandes. Kompatscher, der Durnwalder der Bürgermeister. Rai Südtirol berichtete oft und viel über das Agieren Kompatschers für mehr Geld und Autonomie für die Gemeinden. Dieses Agieren beäugte LH Durnwalder recht kritisch.
In der letzten Amtsphase suchte die SVP nach einem Nachfolger für Durnwalder. Es boten sich Richard Theiner und Elmar Pichler-Rolle – ehemalige Parteiobmänner – als Kandidaten an. Kompatschers Heimatbezirk Bozen Stadt und Land stellte sich geschlossen hinter den Völser Bürgermeister. Diese Entscheidung herbeigeführt hatte Bezirks-Obmann Christoph Perathoner. Bei der Diskussion in der Parteileitung verhinderte Durnwalder eine pro Kompatscher-Entscheidung seines Pustertaler Bezirkes.
Am Tag danach berichtete die Tagesschau von Rai Südtirol über die Stimmung im Pustertal. Jimmy Nussbaumer holte sich Meinungen der verschiedenen SVP-Strömungen ein. Die Meinungen war einhellig – für Kompatscher. Bei einem Telefonat kommentiert Durnwalder diesen Bericht als Einmischung in parteiinterne Angelegenheit. Sie machen schon wieder Politik, schimpfte der LH.
Ich habe Luis Durnwalder nie menschlicher empfunden als in der Zeit seines Ausscheidens aus der Politik. Immer wieder sagte er, dass er sich vor dem schwarzen Loch fürchtet. Vor dem Nichts, vor der plötzlichen Unwichtigkeit, vor dem Verlust von Freunden. „Ob jene, die mich in der Zeit der Landeshauptmannschaft ständig aufgesucht haben, nach meinem Ausscheiden noch besuchen werden“, fragte er sich. Ja, die Freunde bleiben übrig, antwortete ich. Ja, das sind aber nur mehr wenige, entgegnete er. Sie werden sich wundern, wie viele Sie nicht mehr kennen werden, wenn Sie nicht mehr Chefredakteur sind, prophezeite er. Stimmt, die Zahl – besonders jene der Persönlichkeiten - schrumpfte gehörig zusammen.
 
 
Ich habe Luis Durnwalder nie menschlicher empfunden als in der Zeit seines Ausscheidens aus der Politik. Immer wieder sagte er, dass er sich vor dem schwarzen Loch fürchtet.  
Der Filmemacher Karl Prossliner drehte einen Film über das Ausscheiden von Luis Durnwalder aus dem Amt des Landeshauptmannes. In einem Gespräch mit Prossliner sagte ich, Durnwalder hätte eine Amtsperiode früher aufhören sollen, also vor dem Sel-Skandal. Das Aussitzen hat ihm geschadet, seinem Ansehen, seinem politischen Erbe.  Durnwalder und ich saßen bei der Premiere in Meraner Urania nebeneinander. Gar nicht erfreut schaute er mich nach meinem Sager an. Sie haben sich das Denkmal vermasselt, entgegnete ich seinem kritischen Blick. Wir gingen anschließend auf ein Bier, um über Geschichte und lange Schatten zu reden.
Die meisten Schatten verschwanden. Der Alt-LH und ich können inzwischen über diese Geschichten lachen. Ein Viertel Jahrhundert Durnwalder war ein Kräftemessen, oft ungleich, weil er meist  siegreich und ich unterlegen. Ich lernte vom Alt-LH eine kräftige Portion Pragmatismus. Nicht der schlechteste Lerninhalt, Herr Dr. Durnwalder.

 

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Sebastian Felderer Do., 16.09.2021 - 20:57

Alles schön und gut. Böse Journalisten, bekehrte Journalisten, eine Amtsperiode zu lange, Theiner oder Pichler Rolle als Nachfolger, nein dann doch lieber Kompatscher, heute auch er nicht der Richtige. Die fatalen Folgen des zu großen Selbstbewusstseins wirken nach, Durnwalder leidet erst heute, Verurteilungen nach dem Abschied tun weh. Er hat nicht alle Leute richtig eingeschätzt. In diesem Sinne steht die Sonne tief. Da werfen nämlich auch kleine Leute lange Schatten. Auch den Siebziger haben sie ihm verpfuscht. Fand ich nicht edel. Deshalb soll er beim Achtziger seine Ruhe haben. Die hat er sich verdient, menschlich gesehen. Ad multos annos, Herr Durnwalder!

Do., 16.09.2021 - 20:57 Permalink