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Wasserstoff: Energieträger der Zukunft

Wasserstoff spielt derzeit als Energieträger nur eine marginale Rolle. Das soll sich laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) in Zukunft ändern

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Foto: Pixabay

„Die Zeit ist reif, um den Beitrag von Wasserstoff zu einem nachhaltigen Energiesystem zu nutzen. Nach mehreren Fehlstarts steht ein Neuanfang bevor“, sagt die Internationale Energiebehörde (IEA) in ihrem kürzlich erschienenen Bericht 'Global Hydrogen Review 2021'. "Wasserstoff wird für ein zukünftiges Energiesystem mit Netto-Null-Emissionen* notwendig sein.“

Derzeit spielt Wasserstoff im Energiesektor noch kaum eine Rolle. Der größte Teil der derzeitigen Wasserstoffproduktion entsteht als Nebenprodukt in Prozessen der chemischen Industrie und wird dort auch meist wieder verbraucht, z.B. zur Herstellung von Dünger oder in der Erdölraffination, um den Schwefelgehalt in Kraftstoffen zu senken.

Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar, in der Stromerzeugung, im Mobilitätssektor, für die Herstellung alternativer Kraftstoffe, Brennstoffe und Gase, im Wärmesektor, im Industriesektor bei der Stahlerzeugung oder als Rohstoff für industrielle (insbesondere chemische) Prozesse. Da man mit Wasserstoff Energie speichern und transportieren kann, kommt ihm aufgrund der volatilen erneuerbaren Stromproduktion eine sehr wichtige Rolle bei der Stromspeicherung zu.   

Die EU fördert die Entwicklung und Herstellung von „grünem Wasserstoff“ mit Milliarden Investitionen, um die Klimaziele zu erreichen. Im Juli 2020 wurde die Europäische Allianz für Wasserstoff gegründet, der Vertreter der Politik auf Länder- und Regionalebene, der Industrie, der Zivilgesellschaft, sowie Forschungs- Gemeinschaften angehören. Ziel ist die Entwicklung einer sauberen und wettbewerbsfähigen Wasserstoffindustrie zu fördern, sowie den Einsatz von Wasserstoff in den verschiedenen Bereichen zu unterstützen.

Schon jetzt beteiligen sich über 500 Unternehmen an der Europäischem Allianz für Wasserstoff, 2024 sollen es 1000 und 2050 sollen es 2000 Unternehmen sein. Ziel ist es im Jahr 2024 in der EU bereits Wasserstoff in der Größenordnung von 6 Gigawatt und 2030 40 Gigawatt zu produzieren. „Als Folge der EU-geförderter Forschung von Wasserstofftechnologien gibt es bereits hunderte von Projekten, in denen daran gearbeitet wird, um erneuerbaren und kohlenstoffarmen Wasserstoff in Europa einzusetzen“, so Binnenmarktkommissar Thierry Breton, „die Investitionen in Wasserstoff müssten weiter ausgebaut werden, um die Technologieführerschaft in eine Marktführerschaft umzuwandeln.“  

2017 wurde das „Hydrogen Council“ ** gegründet, eine Initiative von weltweit führenden Konzernen mit dem Ziel Forschung, Entwicklung und Einsatz von Wasserstoff zu fördern und so zu einem langfristigen Strukturwandel im Energiesektor und zur Energiewende beizutragen. Europa liegt mit Investitionen von 130 Milliarden Dollar an der Spitze, aber auch China entwickelt immer mehr Wasserstoff-Projekte. Eine gemeinsame Studie des Hydrogen Council und des Beratungsunternehmens McKinsey aus dem Jahr 2020 zeigt das enorme Potential von Wasserstoff auf und kommt zum Schluss, dass „bis 2030 die Kosten bei einer Vielzahl von Wasserstoff-Projekten um bis zu 50% sinken könnten, wodurch Wasserstoff mit anderen kohlenstoffarmen Alternativen konkurrenzfähig und in einigen Fällen sogar wettbewerbsfähig mit konventionellen Anwendungen werden könnte (z.B. bei der Stahlherstellung, im Mobilitätssektor bei Lastwägen und Zügen und im Heizungsbereich)“.

Deutschland will führend in der Wasserstoff-Industrie werden

Deutschland investiert an die 10 Milliarden Euro in die Wasserstoff-Industrie, bis 2040 sollen Elektrolyse-Kapazitäten von zehn Gigawatt zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff aufgebaut werden. Die Bundesregierung hat als erste Umsetzung des Corona-Konjunkturpakets 2020 die lange umstrittene Strategie zum Aufbau einer Wasserstoff-Industrie beschlossen. Viele deutsche Firmen, unter anderem auch der größte deutsche Stromkonzern RWE und der Stahlkonzern Thyssenkrupp investieren in die Wasserstoff-Technologie.

Die Wasserstoffwirtschaft wird sich länderübergreifend entwickeln

Die Speicher- und Transportfähigkeit von Wasserstoff führen dazu, dass Länder, die aufgrund der geographischen Lage viel Solar- oder Windenergie bereitstellen können, in Zukunft große Mengen an Wasserstoff erzeugen und in andere Länder und Regionen liefern werden Das derzeit größte Wasserstoffprojekt in der EU ist das NortH2-Projekt in den Niederlanden, das von großen europäischen Energie- und Stromerzeugungskonzernen*** durchgeführt wird und wo Windstrom in Wasserstoff umgewandelt werden soll. Bereits 2030 sollen bis zu 4 Gigawatt grüner Wasserstoff produziert werden, 2040 soll die Kapazität 10 Gigawatt erreichen. Deutschland entwickelt mit  Marokko die erste industrielle Anlage für grünen Wasserstoff in Afrika. Saudi-Arabien hat begonnen große Photovoltaik-Parks für den Export von Wasserstoff zu planen und zu bauen. Auch andere Länder, wie Norwegen, Australien, Chile und die Vereinigten Arabischen Emirate investieren verstärkt in Wasserstoff.

Wie wird Wasserstoff hergestellt?

Der farb- und geruchlose Wasserstoff  (H2) kommt in der Natur nur in chemischen Verbindungen vor, etwa in Wasser oder Kohlenwasserstoff. Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Energieträger, welcher Energie speichert und transportiert. Wasserstoff bezeichnet man als Sekundärenergie, da zur Herstellung Energie aufgewendet werden muss. Je nachdem, wie Wasserstoff hergestellt wird und was mit dem bei der Herstellung anfallenden CO2 Emissionen gemacht wird, werden verschiedene Farben zur Bezeichnung verwendet.

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen, vornehmlich aus Erdgas. Gas wird unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2, welches bei der Herstellung entsteht, wird ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den Treibhauseffekt. Derzeit wird Wasserstoff fast ausschließlich aus Erdgas hergestellt.

Blauer Wasserstoff wird, wie grauer Wasserstoff aus fossiler Energie gewonnen, Das anfallende Kohlendioxid (CO2) wird jedoch nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern zum Beispiel in alten Erdgaslagerstätten deponiert.

Türkiser Wasserstoff wird durch Methanpyrolyse hergestellt, bei der Methan**** in Wasserstoff und festen Kohlenstoff zerlegt wird. Werden im Herstellungsprozess erneuerbare Energien verwendet und bleibt der Kohlenstoff dauerhaft gebunden oder wird weiterverwendet, so ist das Verfahren CO2-neutral. Der deutsche Chemiekonzern BASF baut in Ludwigshafen eine Testanlage für die Herstellung von Türkisem Wasserstoff. Laut Projektleiter Dieter Flick könnte der bei der Pyrolyse anfallende Kohlenstoff in der Aluminium-, Stahl-, oder Bauindustrie oder als Graphitersatz für Batteriematerialien eingesetzt werden.

Grüner Wasserstoff wird CO2-neutral hergestellt.  Wasser wird durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, wobei ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien (z.B. Windenergie oder Solarenergie) zum Einsatz kommt. Noch ist die Herstellung von grünem Wasserstoff zu teuer, zudem gibt es auch nicht ausreichend erneuerbare Energie. Manche Unternehmen und Politiker plädieren dafür, grünen Wasserstoff in Ländern, wo die klimatischen Gegebenheiten und somit auch die Produktionsvoraussetzungen für grünen Wasserstoff besser sind als in Europa, zu produzieren, zum Beispiel in Nordafrika, und ihn mit Tanklastern oder über eine Pipeline zu importieren.  Die hohen Kosten für Grünen Wasserstoff sollen durch Forschung und Innovationsförderung gesenkt werden.

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Wasserstoff im Transportsektor

Während weltweit alle großen Autohersteller immer mehr E-Autos produzieren, werden Autos mit Brennstoffzellenantrieb bis jetzt nur von einigen wenigen Autoproduzenten und nur in geringer Stückzahl hergestellt. Vorreiter in der Brennstoffzellen-Technologie sind Konzerne aus Fernost. Wer derzeit in Europa ein Wasserstoffauto kaufen möchte, hat die Auswahl zwischen zwei Modellen, dem Toyota Mirai und dem Hyundai Nexo. Das weltweit am meisten verkaufte Brennstoffzellen-Auto ist der der Toyota Mirai. Der Preis beträgt über 60.000 Euro. Mittel- und langfristig wird Wasserstoff für eine klimafreundliche Mobilität an Bedeutung gewinnen, davon gehen zumindest die Prognosen von namhaften Institutionen und Konzernen im Energiesektor aus. Kurze Tankzeiten, hohe Reichweiten und geringes Gewicht sind wichtige Argumente für Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb (FCEV). Insbesondere bei Lastwagen, aber auch bei Bussen, bei Schiffen und Flugzeugen wird der Brennstoffzellen-Antrieb in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, da Batterien für diese Transportmittel auf langen Strecken auf absehbare Zeit nicht geeignet sind.

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Wie funktioniert ein Brennstoffzellen-Auto?

Wasserstoffautos oder genauer gesagt, Brennstoffzellen-Autos, sind Elektrofahrzeuge, denn der Antrieb erfolgt über einen Elektromotor. Der Motor wird allerdings nicht mit Strom aus einer Batterie, welche an einer Steckdose aufgeladen wird, angetrieben, sondern eine Brennstoffzelle liefert den Strom. In einem Tank unter dem Fahrzeuginnenraum wird Wasserstoff gespeichert. Zum Antrieb des Autos wird der Wasserstoff in die Brennstoffzelle geleitet und reagiert dort mit dem Sauerstoff, der durch Lufteinlässe in den Verdichter gelangt. Durch die chemische Reaktion entsteht Elektrizität, die den Elektromotor antreibt, emittiert wird Wasserdampf. Eine Hochvolt-Batterie speichert zusätzlich Bremsenergie und setzt diese Energie z.B. bei Überholmanövern ein.

Einsatz von Wasserstoff im Industriesektor

„Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Industrie, auch wenn die meisten Technologien noch im Entwicklungsstadium sind“, so die IEA. Insbesondere für kohlenstoff- und energieintensive Industrien, wie beispielsweise in der Chemie-Industrie und bei der Stahlerzeugung kann Wasserstoff eine alternative Form der Energieversorgung werden. Laut dem deutschen Fraunhofer Institut „soll der CO2-Fußabdruck von Stahlkonzernen bereits ab diesem Jahr durch den Einsatz von Wasserstoff reduziert werden, bis 2050 soll es möglich sein, CO2-neutralen Stahl herzustellen“.

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Fazit

Um einen effizienten Einsatz von Wasserstoff in den verschiedenen Bereichen zu ermöglichen, ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendig.  Glaubt man den Energie-Prognosen namhafter Institutionen, wird Wasserstoff in den kommenden Jahrzehnten eine bedeutende Rolle im Energiesektor spielen. Die vielen Milliarden an Investitionen von Staaten, Institutionen und großen Konzernen in Forschung und Entwicklung lassen darauf schließen, dass sich mittel- und längerfristig eine effiziente und nachhaltige Wasserstoffindustrie etablieren wird und Wasserstoff im Bereich der Industrie, des Stromgewinnungssektors, der Mobilität und im Heizbereich in wachsendem Maße eingesetzt wird. 

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*Netto-Null-Emissionen oder Klimaneutralität bedeutet, dass einerseits der Ausstoß der Treibhausgase stark reduziert wird und die restlichen Treibhausgas-Emissionen vollständig kompensiert werden müssen. Die nach Reduzierung des fossilen Energieverbrauchs noch verbleibenden CO2-Emissionen können durch Kohlenstoff-Senken kompensiert werden (z. B. durch Anpflanzung von neuen Wäldern, welche CO2 binden). Eine zusätzliche Möglichkeit zur Reduzierung von CO2-Emissionen bietet die Abspaltung von CO2 in Gas- und Kohle-Kraftwerken und die „dauerhafte“ Einlagerung des CO2 in unterirdische Lagerstätten (englisch: carbon dioxid capture and storage=CCS).

** Das Hydrogen Council ist eine 2017 gegründete  weltweite Initiative, dem bereits über 100 führende Energieunternehmen, Autohersteller und Industrieunternehmen angehören, wie BP, Total, Chevron, Shell, Airbus, Saudi Aramco, China Energy, Equinor, Siemens Energy, Daimler, Audi, BMW, GM, Honda, Hyundai, Bosch, Thyssenkrupp, Toyota,, SABIC, Linde, Air Liquide angehören. Das gemeinsame Ziel ist die langfristige Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft.

***NortH2 ist ein Konsortium bestehend aus der norwegischen Energiegesellschaft Equinor, dem niederländischen Energiekonzern Gasunie, dem niederländischen Unternehmen Groningen Seaports, dem deutschen Energieversorgungsunternehmen RWE und Shell Nederland.

****Bei der Förderung und beim Transport von Gas (Methan) kommt es häufig zu Methan-Emissionen, die sehr klimaschädlich sind. Anstatt Erdgas könnte auch Biogas genützt werden, was zu einer ausgeglichenen CO2-Bilanz führen würde. Die Pyrolyse-Verfahren zur Herstellung von türkisem Wasserstoff benötigen weit weniger Energie als die Elektrolyseverfahren zur Produktion von Grünem Wasserstoff. 

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Josef Fulterer Mo., 30.05.2022 - 08:11

Mit dem Ankauf der überteuerten Wasserstoffbusse, der Explosions-sichereren Wartungsstation dafür und der inzwischen fast nicht mehr benutzten Wasserstoffproduktionsanlage, hat Südtirol wohl nur zur Mästung der Hersteller beigetragen.
Mittelfristig muss der Spass in einem viel zu schweren PS-strotzenden SUV herum zu fahren eingebremst und die öffentlichen Verkehrsmittel Benutzer-freundlich gestaltet werden, der großräumige Gütekrtransport ist auf die Schiene zu verlagern (die kleinräumige Zustellung kann die bestehende Lastwagenflotte, statt Resourzen-verschwendent und Klima-schädigend weitere Unmengen von Lastwagen zu erzeugen) und die Bürger zu Klima-bewusstem Verhalten angehalten werden und im Flugbetrieb müssen endlich die üblichen Steuern und die verursachten Klimaschäden den Benutzern angelastet werden.

Mo., 30.05.2022 - 08:11 Permalink
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Am Pere Mo., 30.05.2022 - 10:04

Frage an Frau Psenner:
wieviel elektrische Energie wird benötigt um 1 kg Wasserstoff herzustellen?
Danke

Mo., 30.05.2022 - 10:04 Permalink