Politik | US-Wahlen

Ich gebe zu, ich habe geweint

Als Obama die Wahlen gewann, glaubte ich er würde die Welt verändern, ich hoffte er würde sie verändern. Doch heute weine ich nicht, heute bete ich.
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Foto: Goliath.com

Ich gebe zu, ich habe geweint. Und ich schäme mich nicht dafür. Es kommt eben vor, dass mich gewisse Dinge oder Menschen, die ich als Hüter wahrer Schönheit empfinde, zu Tränen rühren. Ja, der revolutionäre Pazifist Gandhi und sein Salzmarsch, die Zacken der Dolomitengipfel, die sich in die Wolken bohren, oder ein flammendroter Mondaufgang, wie ich vor ein paar Monaten über dem Meer beobachten durfte, sind authentische Schönheit. Doch mich rühren auch weit banalere Dinge. Andy Murray z.B., der die Nummer Eins im Welttennis wird. Die herzzerreißende Stimme von Darby Crash in Minimal, dem phantastischen Album der Germs. Geweint habe ich auch, als Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde. Ich glaubte, er würde die Welt verändern. Ich hoffte, er würde sie verändern. Meine Hoffnungen und auch die vieler anderer Menschen wurden enttäuscht. Doch heute weine ich nicht. Heute, da der Populismus triumphiert und unsere guten alten Demokratien zum Bröckeln bringt, heute, da das Geschrei die Worte der Vernunft übertönt, heute, da Mauern errichtet werden, weil wir Angst vor uns selbst haben, heute, da die drei Supermächte von drei Männern reagiert werden, die nicht an den Dialog glauben, heute, da sich die Weißen in ihren eigenen Ruinen gefangen fühlen und da Menschen, die sich gefangen fühlen, den Krieg als Lösung sehen, heute, da die Erderwärmung auf einmal nicht mehr existiert, da die Frauen sich mit ihrer traditionellen Rolle abfinden sollen, da die Schwarzen nur mehr akzeptiert werden, wenn sie gut Football spielen und die Latinos, wenn sie Tex-Mex kochen, heute, da Le Pen und Farage und Salvini jubeln, heute, da uns Amerika nach Reagan und Bush jr. einen weiteren Marionetten-Präsidenten schenkt, heute, da dieser Präsident auch die Zügel von Kongress und Senat straff in der Hand hält, heute weine ich keine einzige Träne. Heute bete ich.

P.S. „Sollten Sie es nicht bemerkt haben, die Vereinigten Staaten geben sich jetzt gegenüber dem Rest der Welt als ein Haufen erbarmungsloser Kriegstreiber mit kantiger Kinnpartie und überheblichem Grinsen, die in Besitz eines monströsen Kriegsarsenals sind und keine Opposition kennen. Sollten Sie es nicht bemerkt haben, wir Amerikaner sind heute in der Welt genauso gefürchtet und gehasst wie es früher die Nazis waren. Und das aus gutem Grund. Deshalb bin ich ein Mann ohne Land.“ Die sprichwörtliche Ironie von Kurt Vonnegut in Mann ohne Land, Pendo Verlag, kann uns die traurige Wahrheit vielleicht ein wenig versüßen. Schließen möchte ich jedoch mit den Worten Barack Obamas: „Egal was passiert, die Sonne wird morgen wieder aufgehen.“

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Elisabeth Ladinser Do., 17.11.2016 - 09:05

Danke, Mihli Costa, für den treffenden Kommentar!
Würden bloß mehr Menschen sich von den wahren Schönheiten rühren lassen, ja diese auch nur wahrnemen, Vieles in der Welt würde anders laufen .... Wir müssten nicht unsere Ängste wegbeten!

Do., 17.11.2016 - 09:05 Permalink
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Blaas Walter Do., 17.11.2016 - 13:36

Verständlicherweise glaubt jeder gerne an eine "bessere" Welt und klammert sich an diese Hoffnung. Waren und sind es nicht genau einige Damen und Herren der Wirtschaft, also Unternehmer, Bankiers, Spitzenmanager und Kapitalisten welche die Welt und ihre Untergebenen im Würgegriff halten? Mir persönlich machen diese mächtigen Damen und Herren der Wirtschaft mehr "Angst" als jene der Politik. Politiker werden abgewählt oder aus dem Amt gejagt. Banken und Aktiengesellschaften überdauern politische Wechsel problemlos, fördern oder beeinflussen diese aber zuhauf.

Do., 17.11.2016 - 13:36 Permalink
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Martin B. Fr., 18.11.2016 - 00:57

Obamas Talent war sein Charisma, seine Eloquenz und rednerische Schlagfertigkeit gepaart mit Witz. Ansonsten hat er grandios versagt und die DEM-Partei nach der Bill Clinton Periode erneut in Richtung Neo-Cons und entfesseltem Kapitalismus geführt. Geradezu beschämend der Friedens-Nobelpreis bei all den Kriegsaktivitäten, den Militärausgaben und dem Kolonialismus weltweit. Somit war er auch Wegbereiter für Trump, auch da Hillary die populistischen Talente Obamas nie erreicht.

Fr., 18.11.2016 - 00:57 Permalink