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Bio ist klar geregelt

Der Präsident von Bio-Vinschgau Leonhard Wellenzohn über den Umstellungsboom auf Bio, die Spannungen zwischen den Bauern und die Zukunft des Apfelanbaues.
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Foto: vinschgerwind
Vinschgerwind: Herr Wellenzohn, ist Bio eine Weltanschauung?
 
Leonhard Wellenzohn: Ich würde mich dagegen verwehren, dass Bio eine Weltanschauung oder eine Religion ist. Bio sollte das Normalste sein, wie man Lebensmittel herstellt. Bio ist für jedermann zugänglich.
 
Vor 20 Jahren haben einige Biobauern die „Bio-Vinschgau“ gegründet. Welches Ziel hat man damals verfolgt?
 
Wir waren damals ein kleiner Haufen von 15 Bio-Bauern. Wir sind zusammengestanden, um das kleine Pflänzchen Bio aufzubringen. Es gab noch kaum Erfahrung, wie man Bioäpfel anbaut, wir haben viel probiert und uns ausgetauscht, wir haben Erfolge erzielt und Rückschläge erlitten. Parallel dazu haben wir die Vermarktung aufgebaut, immer das Ziel vor Augen den Bioanbau weiterzubringen.
 
 Hat man dieses Ziel im Laufe der 20 Jahre erreicht?
 
Ich glaube schon, dass wir die wesentlichen Ziele erreicht haben. Mein Gedanke am Anfang war: Ich stelle auf Bio um, aber ich möchte den Lebensstandard halten, wie ihn auch meine konventionellen Nachbarn haben. Ich möchte mir nichts vom Maul wegsparen oder von meinen Kindern den Vorwurf erhalten, dass man sich bestimmte Dinge nicht leisten kann, nur weil der Vater unbedingt Bio machen wollte. Das ist im Wesentlichen gelungen. Natürlich hat es in der Anfangsphase von Bio-Vinschgau eine Art Sturm- und Drangzeit gegeben, wo jeder Recht haben wollte, wo es hart zugegangen ist. Wir hatten im Jahre 1999 eine schmerzhafte Kampfabstimmung, bei der es darum gegangen ist, ob wir uns der Vi.P anschließen sollten. Da ist es heiß hergegangen, da wurde auch einiges Porzellan zerschlagen. Die Mehrheit hat sich dann aber für die Vi.P entschieden, weil die Vi.P strukturell und personell gut aufgestellt war, weil die Vi.P den Kontakt zu den Kunden hatte. Heute sieht man immer mehr, dass das der richtige Weg gewesen ist.
 Ich würde mich dagegen verwehren, dass Bio eine Weltanschauung oder eine Religion ist. Bio sollte das Normalste sein, wie man Lebensmittel herstellt.
Die Gründung von Bio-Vinschgau hat eine überschaubare Familie von 15 Bauern vollzogen. Heute hat Bio-Vinschgau 236 Mitglieder. 
 
Wenn etwas positiv läuft, ist das eine ganz normale Entwicklung. Es ist nicht mehr eine Familie, sondern eine größere Gemeinschaft und dies erfordert auch eine andere Herangehensweise. 
 
Mittlerweile ist Bio-Vinschgau so weit, dass in der Obstgenossenschaft Juval eine eigene Struktur hergerichtet wird,  für die Sortierung, für die Verpackung und Kommissionierung von Bioäpfeln. Ist Bio-Vinschgau in der Mitte der Gesellschaft angelangt?
 
Das kann man so sagen. Nach dem Anschluss an die Vi.P hat uns diese mit Räumlichkeiten und mit Personal gut ausgestattet. Bis 2001 waren wir in der Eyrser OVEG, dann bis 2008 in der Tscharser Ex-UVO, seit 2008 sind wir in der Ex-Ortler bzw. in der Mivor. Nun ist die Entscheidung gefallen, dass sich Bio-Vinschgau ab 2019 in der Juval konzentrieren wird. Ein Kompliment an den Vorstand und an die Mitglieder der JUVAL, dass man sich in diese Richtung durchringen hat können. Ich bin der Meinung, dass das ein großer Schritt ist, der innerhalb der Vi.P ein ganz neues Denken einleiten kann.  Denn bis jetzt hat jedes Dorf seine Genossenschaft gehabt, die Bauern sind dort daheim. Jetzt geht man darüber hinaus. Die Bioäpfel werden in die Juval geliefert und dafür sind die Mitglieder der Juval bereit, ihre konventionellen Äpfel in den anderen Genossenschaften anteilsmäßig auszulagern. Das braucht Mut und Überwindung. Die Umstellungsraten sind derzeit enorm. Wir haben  2017 125 Hektar dazu bekommen, im Jahr 2016 140 Hektar. Die Umstellungskurse sind mehr als überbelegt.
 
Wie analysieren Sie diesen Umstellungsboom auf Bio? 
 
Da gibt es mehrere Gründe. Einmal ist es sicher der finanzielle Aspekt, das muss man klar sagen. Auf der anderen Seite ist es der gesellschaftliche Druck. Die Leute werden gegenüber dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kritischer, die Diskussionen im Tal, im Land und darüber hinaus spielen eine Rolle. Ich glaube aber auch, dass die Erfolge der Biobauern von den Nachbarbauern gesehen und anerkannt werden, so dass die Hemmschwelle zur Umstellung immer niedriger wird. Dazu kommt, dass bestimmte Spritzmittel im konventionellen Bereich immer höhere Auflagen bekommen oder ganz verboten werden. So bekommen die integriert arbeitenden Bauern auch von dieser Seite immer mehr Schwierigkeiten.
Ich glaube aber auch, dass die Erfolge der Biobauern von den Nachbarbauern gesehen und anerkannt werden, so dass die Hemmschwelle zur Umstellung immer niedriger wird.
Hat sich in den vergangenen 20 Jahren der integrierte Anbau und der Bioanbau angenähert?
 
In gewissen Punkten schon. Auch im integrierten Anbau beginnt ein Umdenken, z. B. geht die Entwicklung in Richtung herbizidfreien Anbau. Dass wir schließlich eins werden, das kann ich mir aber nicht vorstellen. Als Bio-Bauer hat man ganz strenge Vorgaben, die EU-Verordnung für Bio sagt ganz klar, was Bio ist und welche Wirkstoffe zulässig sind und welche eben nicht. Da gibt es keinen Spielraum. Der integrierte Anbau ist hingegen eine regionale, bzw. eine nationale Geschichte und es kann flexibler umgegangen werden. Das hat allerdings zur Folge, dass der  integrierte Anbau Schwierigkeiten hat zu erklären, was er eigentlich ist und wofür er steht.
 
Vi.P Direktor Sepp Wielander hat in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass Bio nur soweit wachsen sollte, wieviel der Markt aufnehmen kann. Haben die Bio-Bauern Angst, dass es aufgrund des größeren Angebotes zu einem Preisverfall kommen könnte?
 
Wir stellen parallel zur Umstellungs- auch eine Marktentwicklung fest. Es gibt eine stark wachsende Nachfrage nach Bio in ganz Europa, am meisten in Skandinavien und Deutschland. Aber auch in den südlichen Ländern Europas geht der Trend zu mehr Bio. Wenn die Produktion allerdings sehr viel schneller steigt als die Absatzmöglichkeiten, müssen damit wir rechnen, dass die Preise künftig nicht mehr so gut wie derzeit sind.
 
Ein großes Anliegen im Bio-Anbau ist die Sortenwahl. Die Sorte „Bonita“ ist als schorfresistente Sorte in der Einführungsphase. Diese Resistenz-Züchtung ist vor allem auch auf Betreiben von Bio-Vinschgau zustande gekommen.
 
Wir haben vor rund 10 Jahren eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, bestehend aus Biobauern, Vermarktern, Beratern und den Sortenexperten der Laimburg. Ziel war es, bei der Sortenentwicklung etwas zu tun, in Richtung resistente Sorten, d.h. Sorten die einfacher zu produzieren sind, mit weniger Spritzungen. 
Es gibt Sympathie dafür, dass sich Mals wehrt, dass man einen eigenen Weg gehen möchte, dass man einer Invasion von unten einen Riegel vorgeschoben hat. Was auf der anderen Seite vielen zu weit geht, ist der Eingriff ins Privatrecht, sodass man auf eigenem Grund nicht mehr tun und lassen kann, was man will. Das sieht kein Bauer gern, unabhängig davon ob er bio ist oder konventionell.
Standen die Biobauern damals zwischen Hammer und Amboss? Auf der einen Seite schorffreie Ware abliefern zu müssen und auf der anderen Seite dies nur durch enormen Spritzaufwand erreichen zu können?
 
Ganz genau. Mit den herkömmlichen Sorten hatten wir entsprechende Schwierigkeiten. Vor allem bei den Golden. Der Sortenexperte Walter Guerra hat uns schließlich eine Auswahl von 12 Sorten präsentiert, von denen vier Sorten in die engere Auswahl kamen. Bei einer mehrjährigen Beobachtungsphase im Versuchsfeld in Latsch auf den Ertrag, das Wachstum und die Alternanz hin, hat sich der „Bonita“ als Favorit herauskristallisiert. Wir haben uns dann die Rechte für diese Sorte gesichert, sodass der Bio-“Bonita“ nur von Bio-Vinschgau und von Bio-Südtirol angebaut werden kann. Jetzt sind wir in der Phase der Auspflanzung vorerst auf 150.000 Bäume beschränkt, welche bis 2020 ausgepflanzt werden. Dann werden wir schauen, wie der Apfel auf dem Markt ankommt. Wenn es gut funktioniert, werden wir weiter ausbauen.
 
Der Paradeapfel bei Bio-Vinschgau ist nach wie vor der nicht ganz pflegeleichte Golden.
 
Golden und Gala sind mittlerweile im Bioanbau gleich auf. Der Golden hat aber nach wie vor Liebhaber und wir haben einen großen Vorteil beim Golden: Der Bio-Golden ist fast nur im Vinschgau zu produzieren. Hier kommen uns die optimalen  klimatischen Bedingungen, die wir haben, zugute. 
 
Zurück zum Boom bei der Umstellung. Wie wird die Diskussion in der Gemeinde Mals unter den Biobauern wahrgenommen?
 
Zweischneidig, würde ich sagen. Es gibt Sympathie dafür, dass sich Mals wehrt, dass man einen eigenen Weg gehen möchte, dass man, sage ich mal, einer Invasion von unten einen Riegel vorgeschoben hat. Und wenn Mals eine Biogemeinde werden will, glaube ich, kann kein Biobauer dagegen sein. Was auf der anderen Seite vielen zu weit geht, ist der Eingriff ins Privatrecht, sodass man auf eigenem Grund nicht mehr tun und lassen kann, was man will. Das sieht kein Bauer gern, unabhängig davon ob er bio ist oder konventionell. Leider häufen sich in letzter Zeit immer mehr undifferenzierte Rundumschläge gegen den Obstbau im Vinschgau. Dafür gibt es unter unseren Mitgliedern absolut kein Verständnis. Es gibt oft Rufe: ganz Vinschgau muß biologisch produzieren. Da kann ich nur jedem raten, mal in seinem Kühlschrank nachzuschauen, bei jeder Packung genau zu lesen, was er da eingekauft hat, woher das kommt. Im Idealfall soll er sich noch von seiner Bank genau erklären lassen, in welche Konzerne er seine Ersparnisse investiert hat. Wenn diese Dinge gelöst sind, werden wir im Vinschgau auch 100 Prozent Bio sein. 
Wir haben versucht, diese Spannungen zu vermeiden, zu glätten. Aber die Attentate mit Glyphosat explizit auf Flächen von Biobauern, haben uns sehr getroffen.
Hat diese Art der Diskussion zu Spannungen zwischen Biobauern und konventionellen Bauern im Tal geführt?
 
Wir haben versucht, diese Spannungen zu vermeiden, zu glätten. Aber die Attentate mit Glyphosat explizit auf Flächen von Biobauern, haben uns sehr getroffen. Wir haben auf der anderen Seite schon seit einigen Jahren verschiedene Abkommen zwischen Biobauern und integriert arbeitenden Bauern, was die Grenzreihen betrifft. Im Wesentlichen haben wir ein gutes Auskommen. Natürlich gibt es Einzeldifferenzen, das ist ganz normal. Nachbarschaftsstreit gibt es seit Menschengedenken. 
 
Bio-Vinschgau  vertritt hauptsächlich den Obstbau. Wird man darüber hinausgehen?
 
Bio-Vinschgau hat immer schon einen kleinen Anteil an Bio-Gemüse mitvertreten und wir stellen fest, dass gerade in diesem Bereich das Interesse steigt. Gerade für den oberen Vinschgau könnte der Bio-Gemüseanbau eine Chance sein. Nur der lokale Markt allein wird, meiner Meinung nach, nicht reichen. Deshalb wird es Partner wie die Vi.P brauchen, die Produkte auf den Markt bringen. Als Bio-Vinschgau sind wir für Gemüsebauern auf alle Fälle offen. Wie sehen
 
Wie Sie die Zukunft des Obstbaues im Vinschgau?
 
Grundsätzlich sehe ich die Zukunft des Obstbaus positiv, wir haben im Vinschgau gute Voraussetzungen dafür. Ich glaube aber, dass einige Veränderungen auf uns zukommen werden, die uns der Markt und auch das gesellschaftliche Umfeld vorgeben. Ich wünsche mir daher, dass in den Genossenschaften und in der Vi.P mutige Entscheidungen getroffen werden, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Ich glaube außerdem, dass eine Diskussion und ein Dialog mit der nichtbäuerlichen Bevölkerung im Vinschgau notwendig sind. Der Obstbau gehört zum Vinschgau, wir müssen ihn aber so betreiben, dass jede Vinschgerin und jeder Vinschger sich damit identifizieren kann, so wie in Kaltern und in Tramin alle stolz auf den Weinbau sind.

 

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Karl Trojer Mi., 24.01.2018 - 12:25

Dem Herrn Wellenzohn vielen Dank für diesen hervorragenden Beitrag ! Hinsichtlich der Verletzung von Eigentumsrecht meine ich allerdings, dass Gemeinwohl Vorrang hat und uneingeschränktes Privatrecht dort aufhört, wenn es die Rechte Anderer verletzt.

Mi., 24.01.2018 - 12:25 Permalink