Kultur | Salto Afternoon

meine floete trinkt musik

Ein Klangbuch gestaltet von den Musikern Otto Lechner und Peter Rosmanith: Mit Tobias Moretti, der n. c. kasers Gedichte und Texte liest. [Inkl. Video: Linda Wolfsgruber]
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Foto: Quelle: mandelbaum

Ein Gastbeitrag von Erika Wimmer Mazohl

„kasers Texte haben ein selbständiges Nachleben entwickelt, und das ist gut so“, schreibt Robert Huez in seinem Einführungstext Konsequente Poesie – Das Leben und Schreiben des Dichters norbert c. kaser. Tatsächlich will es um einen der wichtigsten Dichter Südtirols, der ab den frühen 1970er Jahren eine ganze Generation weiterer Dichterinnen und Dichter der Region geprägt hat, nicht still werden. Unter den nach ersten Auswahlbänden und einer dreibändigen Gesamtausgabe wieder und wieder erscheinenden kleineren Auswahlbänden ist soeben ein Kleinod der Dichtkunst gepaart mit bildender Kunst und Musik erschienen. Als Hör-Schau-Lesebuch ist es ein Gesamtkunstwerk, das aber keineswegs opulent daherkommt, sondern apart und diskret einen sensiblen, heiteren und verspielten Kaser in den Vordergrund rückt. Wüsste man nichts vom tragischen Leben des alkoholkranken Dichters, kennte man nicht seine spitze sozialkritische Feder, die insbesondere die Machtträger aus Kirche und Politik anprangerte, so würde man angesichts der neuen Publikation das Bild eines zwar nachdenklichen, aber doch leichtfüßigen und humorvollen Autors davontragen.

...jeder Text wird auf das Liebevollste mit Tönen bedacht, im Überlappen der Töne und der lesenden Stimme hat keine der beiden Darbietungen Vorrang.

Kaser, der zu Lebzeiten keine eigenständige Publikation erlebte, pflegte kleinformatige selbst gebundene Gedichtsammlungen an Freundinnen und Freunde zu verschenken bzw. diese für eine Abendration Wein einzutauschen. Einige dieser Kompilationen sind in seinem Nachlass erhalten, weitere befinden sich eben im Besitz ehemaliger Freunde. Die Bruneckerin Wendelgard Beikircher war ein siebenjähriges Kind, als sie Kaser begegnete: Dieser besuchte ihren Vater, verbrachte einen langen und anregenden Abend mit ihm im elterlichen Haus in Dietenheim bei Bruneck. Der damals 22 Jahre alte Dichter brachte wenige Tage später ein neu zusammengestelltes Bändchen mit Kindergedichten vorbei, den sogenannten „10 scherzi für Wendelgard Beikircher“ – Gedichte, die längst ediert und mit ihrem Charme schon viele LeserInnen berührt haben. Nun wird im Booklet das Originalbändchen Seite für Seite faksimiliert wiedergegeben, die Texte sind somit in Kasers Originalschrift nachzulesen. Und Wendelgard Beikircher liefert ein berührendes Erinnerungsbild der biografischen Zusammenhänge und ihrer Beziehung zu Kaser.

Das Hörbuch bietet neben den Kindergedichten eine gut gewählte Auswahl an weiteren Kaser-Texten, so etwa „die koechin eines pfarrers“, „abend der stuben“ und „bald“ – atmosphärisch dichte Texte, die sich vom Ton der „scherzi“ jedoch nicht allzu sehr entfernen, dazu einige weniger bekannte Texte aus Lyrik und Prosa, etwa „die gans“ oder der eindringliche „bericht des lehrers“ in einem Bergdorf – ein solcher ist Kaser ja tatsächlich gewesen. Tobias Moretti intoniert die Texte so leicht und zugleich tiefgründig, dass keine Wünsche offen bleiben. Die Musik ist grandios, jeder Text wird auf das Liebevollste mit Tönen bedacht, im Überlappen der Töne und der lesenden Stimme hat keine der beiden Darbietungen Vorrang.

Nun könnte man sagen, das alles wäre schon genug und würde ein Hörbuch auszeichnen, welches das Zeug hat, neue Kaser-Leser zu gewinnen und auch bewährten Kaser-Leserinnen lange Zeit Freude zu machen. Es war aber offensichtlich ein Anliegen der Verantwortlichen, eine weitere Dimension dazu zu stellen: eine bildkünstlerische Arbeit der Bruneckerin Linda Wolfsgruber. Es handelt sich um einen Animationsfilm, der auf der Verlagswebseite angeboten wird, quasi als kostenlose Zugabe – dies ist noch einmal ein ganz spezielles Erlebnis (allein Wolfsgrubers Landschaften, über die der auch im Buch abgebildete rote Luftballon dahinfliegt, sind berückend und entzückend).

11 SCHERZI - N. C. Kaser / Linda Wolfsgruber - 2018

Gerade auch der letzte von Tobias Moretti gesprochene Satz zeigt, dass sich hier Leute verschiedenster Sparten – Verlagsleute, Literaturwissenschaftler, eine Künstlerin sowie Schauspieler und Musiker – auf das Sorgfältigste mit einem Ausschnitt des Werks von N. C. Kaser befasst haben. Die Zeile lautet: „traulichkeit ist nichts für meinesgleichen“ und liest sich als Vermächtnis eines Dichters, der Zeit seines Lebens Nähe und Geborgenheit ersehnt hat, diese aber nicht annehmen konnte, sobald sie sich bot.

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