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Gesellschaft | Kirchenkonflikt

Der Papst im Visier seiner Gegner

Papstfeindliche Plakate in Rom und eine gefälschte Ausgabe des Osservatore Romano: Erzkonservative Katholiken aus aller Welt bekriegen den Papst

"Dov'é la tua misericordia ?" lautet die höhnisch provozierende Frage auf dem Plakat. Gerichtet wird sie an den, dessen grimmig wirkendes Foto das ungewöhnliche Plakat ziert: das Kirchenoberhaupt Franziskus. Das Bild zeigt Jorge Mario Bergoglio als missgestimmten Papst, dem im römischen Dialekt Erbarmungslosigkeit vorgeworfen wird: "A France', hai commissariato congregazioni, rimosso sacerdoti, decapitato l'Ordine di Malta e i Francescani dell'immacolata, ignorato cardinali.. ma n'do sta la tua misericordia ?" Neugierig und mit erstaunter Miene betrachteten die Römer vor wenigen Tagen die illegal im Stadtzentrum und in Vatikannähe aufgeklebten Poster. Bereits nach wenigen Stunden rückten Gemeindebedienstete an, um die von Unbekannten gedruckten Plakate mit weissem Papier zu überkleben, das mit dem Aufdruck Affissione abusiva versehen war.

Der Vatikan wollte den einmaligen Vorgang nicht offiziell kommentieren. Aus dem Umfeld des Papstes war zu erfahren, er habe "mit Unbeschwertheit und Distanz" auf den Angriff reagiert. Doch die Besorgnis wuchs, als wenige Tage später im Internet eine gefälschte Ausgabe des Osservatore Romano auftauchte. Der fake wurde offenbar an Hunderte von kircheninternen Gegnern Bergoglios verschickt und enthielt herbe Kritik am Pontifex."Una brutta copia, il nostro giornale è fatto meglio, non è un latino curiale ma un latino medievale", verharmloste der Chefredakteur des Vatikan-Blattes, Giovanni Maria Vian die einmalige Aktion.

Doch die Offensive der erzkonservativen Papstkritiker wird in der Kirchenführung mit wachsender Irritation verfolgt.

Die Kritik trifft vitale Punkte in der Vorstellungswelt dieses Pontifikats: den interreligiösen Dialog, die Sexualmoral in der Kirche, den Kampf gegen Pädophilie, die Gewährung der Kommunion an wiederverheiratete Geschiedene. In seiner Weihnachtspredigt vor versammelter  Kurie hatte der Papst von "offenen, verborgenen und böswiligen Widerständen" gesprochen. Vor wenigen Tagen gestand er in einem Corriere-Interview: "Sí, c'é corruzione in Vaticano. Ma non perdo la mia serenitá. Sono in pace."Man kann dem Kirchenoberhaupt eine gewisse Unbeschwertheit durchaus abnehmen.

Die römische Plakataktion freilich zielt direkt auf das Zentrum seiner Botschaft: die Barmherzigkeit. Die dort aufgezählten Fälle haben miteinander nichts zu tun. Sie suggerieren jedoch, dass Franziskus seine Machtposition missbraucht, dass er unbarmherzig gegen konservative Gegner vorgeht und einen missliebigen Reformkurs steuert.

Das internationale Netzwerk der Erzkonservativen

 

Es ist ein weltweites Netzwerk unterschiedlicher Bewegungen, das die Kampagne gegen den Papst steuert - von der amerikanischen Tea Party über die Lefebre-Brüder bis hin zur Weihrauch-Bewegung. Eine vielschichtige Galaxie von Webseiten mit Hundertausenden Lesern in zahlreichen Ländern. In Italien tragen sie Namen, die unmissverständlich auf ihre Mission schliessen lassen:  Messainlatino, chiesa e postconcilio, riscossa cristiana, fondazione Lepanto...

55.000 Leser hat allein die Webseite des katholischen Journalisten Antonio Socci, dessen Buch Non é Francesco die These vertritt, die Wahl Bergoglios im März 2013 sei ungültig gewesen. Dabei war ein Wahlgang annulliert und wiederholt worden, weil ein Kardinal irrtümlich zwei Stimmzettel in die Urne geworfen hatte.  Die Bücher Soccis erreichen hohe Auflagen, sein soeben erschienenes letztes Werk  La profezia finale ist der "drohenden Apokalypse" gewidmet.   Drei italienische Blogs (Rosso porpora, settimo cielo, libertá e persona) üben täglich harsche Kritik am Pontifikat Bergoglios.

Doch der  Widerstand kommt auch von offiziellen Kirchenvertretern. 45 katholische Theologen haben das päpstliche Dokument "Amoris Laetitia" kritisiert, in dem die wiederverheirateten Geschiedenen der Zugang zu Sakramenten erlaubt wird. Einer der Unterzeichner ist der italienische Kardinal Carlo Caffara. Zu den Erzkonservativen zählt auch sein US-Kollege Leo Burke,  den die Washington Post als "abtrünnigen Kleriker und rebellischer Kirchenfürsten mit Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen" brandmarkt. Ende 2016 gingen Caffara, Burk und die greisen deutschen Kardinäle Joachim Meissner und Walter Brandmüller mit ihren Fragen an die Öffentlichkeit und forderten den Pontifex  zu mehr Klarheit zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen auf. Andere Päpste hätten einen solchen Affront wohl mit dem Entzug der Kardinalswürde geahndet. Franziskus jedoch liess die Provokation unerwidert.

Auf die zahlreichen Angriffe reagiert ermit gewohnter Gelassenheit und unaufgeregten Mahnungen: "Invidia e maldicenza rovinano il tessuto delle nostra comunitá." Schliesslich steht der 80-jährige Argentinier nach dem sensationellen Rücktritt seines Vorgängers nicht unter dem Druck, sein Amt auf Lebenszeit ausüben zu müssen. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Bergoglio in einem Gespräch mit dem mexikanischen Fernsehen erklärt:"Ich habe das Gefühl, dass der Herr mich für eine kurze Sache eingesetzt hat."  Es werde wohl kaum mehr als fünf Jahre dauern. Bis dahin bleibt Jorge Mario Bergoglio noch ein Jahr Zeit.

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Karl Trojer Mo., 20.02.2017 - 17:28

Es waren immer die Fanatiker, die selbsternannten "Gerechten", die Kriege jeder Art auslösten und Elend nicht zuletzt über jene brachten, von denen sie gewählt wurden; die Geschichte ist voll solcher Beispiele, es genügt aufs letztet Jahrhundert und die letzten 16 Jahre zu schauen. Der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung der Verschiedenheiten sind Voraussetzungen für ein friedliches, menschenwürdiges Zusammenleben, ohne das wir, als Menschheit gegen die Wand fahren. Junge Menschen in ihrer Selbstfindung zu unterstützen, ist erste Anforderung an Eltern, Schule und Gesellschaft. Erst wenn ich erlebe wer ich selber bin, dass meine Würde nicht fremdbestimmt sein kann, wird mich Angst vor Fremdem nicht mehr in Besitz nehmen, werde ich den Hasspredigern nicht mehr auf den Leim gehen. Die menschliche Gemeinschaft ist nicht die Summe der Individuen, sondern ein lebendiger Organsimus, dessen Wohlbefinden von der Lebensqualität der Individuen abhängt. Hierzu gilt es vorrangig der Gier der Finanzspekulanten gesetzlich, auf EU.Ebene, Einhalt zu gebieten und steigender Armut durch ein bedingungsloses Grundeinkommen entgegenzuwirken.

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