Gesellschaft | Belastung

“Er weint viel”

Wie können Arbeit, Betreuung und Bildung daheim zugleich gemeistert werden? Geht das überhaupt? Eine Umfrage zu Familien im Lockdown liefert teils beklemmende Ergebnisse.
Junge
Foto: Pixabay

Die Kleine weint viel aus heiterem Himmel, macht vermehrt in die Hose, und hat sich einzelne offene Kratzwunden zugefügt

Mein Kleinster hat mir schon einen Abschiedsbrief geschrieben und wollte sich umbringen

Er weint viel und sagt, wir sollen aufhören zu arbeiten

Sono triste, delusa, stanca, arrabbiata, tutto il carico è lasciato a noi famiglie...ho dovuto prendere un secondo lavoro per via dei pochi soldi che prendo a causa della pandemia e devo anche seguire il bambino nelle attività scolastiche molto più che prima. La mia vita è ormai un inferno...anzi la mia non vita è ormai un inferno

Eine Sammlung beklemmender Aussagen. Keine fiktiven. Sondern aus dem Alltag Südtiroler Familien. Was passiert mit Kindern und ihren Eltern, wenn Kinderbetreuung, Kindergärten und Schulen geschlossen sind? Wie können Arbeit, Betreuung und Bildung daheim zugleich gemeistert werden? Geht das überhaupt? Diese Fragen hat eine Umfrage aufgeworfen, die von der Elterninitiative Südtirol, der Initiative Be a Reminder und den Südtirol’s Sisters – SUSI vor Kurzem durchgeführt wurde. In einem Online-Fragebogen konnten arbeitstätige Eltern von ihren Erfahrungen berichten. Der Bezugszeitraum war Februar 2021. Die Ergebnisse sind zwar nicht statistisch repräsentativ, gewähren aber einen tiefen Einblick in die Realität vieler Familien.

Insgesamt 3.799 Eltern mit 7.372 Kindern haben an der Umfrage “Lockdown in Südtirol (Februar 2021): Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Familien mit Kindern unter 18 Jahren” teilgenommen. Knapp 1.400 Kommentare sind eingegangen, zur Belastung der eigenen Kinder, der Mithilfe bei der Kinderbetreuung und der allgemeinen Situation. Christa Ladurner von der Allianz für Familie, in der die Elterninitiative Mitglied ist, fasst ein zentrales Ergebnis zusammen: “Wenn Kita, Kindergarten und Schulen geschlossen sind und die Eltern arbeiten müssen, wird der Großteil der Kinder zu Oma und Opa gebracht, die trotz Corona immer noch die wichtigste Stütze in der Betreuung sind. 25 Prozent der Kinder bleiben alleine zu Hause, darunter viele Mittelschüler. Deshalb sorgen sich die Eltern ganz besonders um diese Kinder.” Die Antworten werfen für Ladurner “viele Fragen” auf. Doris Albenberger von der Elterninitiative bestätigt: Die Umfrage sei als Aufruf an die Politik zu verstehen, “dass ein regelmäßiges Monitoring der Familien, Kinder und Jugendlichen und die wissenschaftliche Aufarbeitung ihrer Situation notwendig sind, um ihre Bedürfnislage zu erkennen, gezielt darauf zu reagieren und so zu einem zentralen Teil der Krisenbewältigung werden”.

Die Ergebnisse* der Umfrage wurden in einem fünfminütigen Video zusammengefasst:


 

“Die Schließung der Schulen gefährdet die soziale, psychische und physische Gesundheit der Kinder und Eltern. Fernunterricht ist für viele Familien zeitlich und technisch eine große Belastung”
(Christa Ladurner, Sprecherin Allianz für Familie)

Unabhängig von dieser Umfrage wächst der Druck auf die Politik. Wegen des seit einem Jahr andauernden Auf und Zu der Bildungseinrichtungen sind bei vielen die Belastungsgrenzen längst überschritten. Eine einheitliche Strategie für alle Schulstufen und Sprachgruppen ist nicht erkennbar, das im Herbst eingeführte Ampelsystem für die Schulen scheint vergessen.
Am Montag, 22. März, geht der Präsenzunterricht an den Mittelschulen wieder los. Warum nicht früher und warum nicht auch für die Oberschulen? Das fragen sich die Landesbeiräte der Eltern der deutschen und ladinischen Schulen. Immerhin ist Südtirol “orange Zone”. Schulschließungen sind dort nicht vorgesehen. In einer jüngst gestarteten Petition fordern die Landesbeiräte “einen klaren Strategieplan für die sofortige Öffnung aller Schulstufen” und eine transparentere Kommunikation: “Nach einem Pandemiejahr im ‘Überlebensmodus’ für die Schule stellt sich die Frage, ob es bisher keinen solchen Strategieplan gab, oder ob dieser einfach nicht zielführend kommuniziert wurde.”

In dieselbe Kerbe schlägt der Südtiroler Jugendring, der ebenso eine Öffnung der Ober- und Berufssschulen fordert. “Die Situation für Kinder und Jugendliche ist derzeit sehr schwierig. Soziale Kontakte, geregelte Tagesabläufe und ein stabiles Lebensumfeld sind für die Entwicklung junger Menschen äußerst wichtig. Nach einem Jahr mit immer wiederkehrenden Fernunterricht-Intervallen sinkt das Verständnis von jungen Menschen für die Einschränkungen immer mehr”, weiß auch SJR-Vorsitzende Tanja Rainer. Zugleich mit der Schulöffnung plädiert der Jugendring, gemeinsam mit der Allianz für Familie, dafür, an sämtlichen Schulen die so genannten “Nasenbohrer-Tests” durchzuführen und “für mehr zielgerichtete Information für Eltern über die neue Teststrategie an den Schulen, damit diese auch breit mitgetragen wird”.

 

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Karl Trojer Do., 18.03.2021 - 11:22

Kinder und Jugendliche sind das Wertvollste für jede menschliche Gemeinschaft. Demgemäß ist es Aufgabe und Pflicht der Gemeinschaft, dafür die Kosten zu tragen. Derzeit tragen die Hauptlast die Mütter. Dass Frauen größeren Schwierigkeiten begegegnen als Männer, einen Arbeitsplatz zu finden bzw. zu behalten, hängt auch damit zusammen, dass derzeit die Arbeitgeber einen Teil der Kosten zu tragen haben, die sich aus der Betreuung von Kindern und Jugendlichen durch Frauen ergeben, und das ist absurd.

Do., 18.03.2021 - 11:22 Permalink
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Johann Georg B… Do., 18.03.2021 - 13:24

IN der Türkei werden ab heute alle Tourismusangestellte geimpft.
Wieso funktioniert das in unsern Gelobten Land nicht?? aaa Tourismus sind keine Bauern.
Würde die Impfung zuerst an Angestellte und arbeitende Mütter verabreichen.

Do., 18.03.2021 - 13:24 Permalink