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Gedanken zum Holz

Die Arunda 38 aus dem Jahr 1994 ist dem Thema „Holz“ gewidmet. Ein Beitrag von Franz Canins aus St. Ulrich ist mir dabei als sehr treffend aufgefallen.
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Holz und Gröden, ein Binom, zu einem Begriff verschmolzen schon seit Jahrhunderten. Handwerk ist in keinem Alpental so eng mit Holz verbunden. In Gröden ist die Schnitzkunst tief verwurzelt. Die dekorative oder künstlerische Verarbeitung des Holzes erreicht immer wieder Höhepunkte. Diese technische Fertigkeit verführt aber auch zu einer bedenklichen Perfektion. Immer seltener werden eigenständige, schöpferische Arbeiten, die einen gefühlsmäßigen Bezug ermöglichen. Die trockene Technik verwehrt jegliche Innigkeit.

Viele Bildhauer produzieren halbindustrielle Ware. Dadurch unterschreiben sie ihr eigenes Todesurteil, zumindest was das Künstlerische betrifft. Niemand entkommt dieser Maschinenproduktion. Das Insichhineinhören und die Zwiesprache mit dem eigenen Werk hat fast aufgehört. Massenproduktion macht sich überall breit, vergleichbar dem Massentourismus und der Massenunterhaltung. Die Masse vergewaltigt denjenigen, der eigenen Gedanken folgen möchte. Bildhauer sind davon besonders betroffen. Ein Künstler möchte etwas von seiner Gefühls- und Gedankenwelt verwirklichen und weiterentwickeln. Seine Vorstellungswelt drängt nach Darstellung. Bewegung, Schwingungen werden erzeugt und weitergegeben. Holz ist ein guter Partner, da es durch sein eigenes Wachsen, durch die Maserung, sogar durch den Geruch, den Bildhauer inspiriert. Im Holz kann man auch relativ schnell Gedanken und Gefühle in Form umsetzen. Der Weg vom Hirn durch die Hände ins Holz ist kurz, er muss aber geübt werden und braucht eine lange Reifezeit. Alle Sinnesorgane müssen eingesetzt werden, um eine Skulptur hervorzubringen, ein Zusammenspiel, das im Holz bereits vorgegeben ist.

Durch die Massenproduktion wird Holz aber totes Material. Zwischen Holz und Maschine entsteht keine Wechselwirkung. Unmengen werden verarbeitend verändert, mit Fräsen, die gefühllos im Holz kratzen. Die Form wird von einem Bronzemodell abgetastet und auf mehrere Holzstücke übertragen. Diese Holzindustrie beschäftigt mittlerweile viele Menschen. Es handelt sich meist um kleine Arbeiten, deren Ausführung in Handarbeit viel zu teuer wäre. Als Massenware ist sie dem billigen Geschmack angepasst. Bildhauer stellen auch Modelle her, die dann vervielfältigt werden. Es gibt also auch ein Nebeneinander von Massenproduktion und von Arbeiten, die in Einzelstücken angefertigt werden.

Auch das muss gesagt werden: Der Bildhauer hat zum Glück noch einige Trümpfe in der Hand, die er der Maschine voraushat, zum Beispiel die Abstimmung einer Skulptur mit dem Raum oder auch die eigenwillige, empfindsame Einbeziehung des Materials. Hier stößt die Maschine an ihre Grenzen … das Holz aber verlangt danach. Möglich ist das aber nur, wenn der Bildhauer flexibel bleibt, sich biegt, aber nicht beugt. Die Maschine kennt keine solche Kompromisse. Sie produziert ohne Hemmung, ohne Denken, ohne Entgegenkommen. Die Maschine verbraucht Unmengen von Holz, ohne an den Wald zu denken. Der Bildhauer denkt auch an den Wald. Der Wald ist nicht nur Holzlieferant. Man kann nicht nur nehmen, ohne zu geben. Der Mensch muss mit dem Wald leben. Es muss erst eine Hemmschwelle überwunden werden, kommt mir vor, immer wenn man vor einem großen Stamm steht und daraus etwas schnitzen soll. Holz wächst von außen nach innen, genau wie eine Holzskulptur. Holz reift mit Ruhe. Auch die Arbeit des Bildhauers verlangt Ruhe und Zeit. Die Arbeitsweise hat sich in Jahrtausenden wenig verändert. Wunderbar ist die Vater-Kind-Beziehung in Bildhauerfamilien. Meist ist die Werkstatt im Hause. Die Arbeit des Vaters ist nichts Anonymes. Der Sohn sieht, wie der Vater tagein, tagaus an die Arbeit herangeht. Bewegungen, Arbeitsabläufe prägen sich ihm ein. Dies ist eine wichtige soziale Komponente, die gefördert werden müsste, von den Architekten ebenso wie von den privaten und öffentlichen Auftraggebern. In Gemeinschaft Holz zu formen; erleben wie nach jedem Schnitt sich die Form verändert; zu sehen, wie aus lebendigem Material eine Skulptur entsteht. Das bringt Freude, die sich auch dem Käufer mitteilen lässt.

Man kann die Wachstumsfasen des Baumes mit denen einer Skulptur vergleichen: Die Rinde ist die Erfahrung, der Bast macht den Anfang, die Zeichnung, das Modellierte ist die Frucht der Erfahrung und das Kernholz die fertig geschnitzte Arbeit. Der Baum blüht und trägt Früchte, wenn die Erfahrung weitergegeben wird. Das Schicksal des Holzes ist eng mit dem des Menschen verbunden. Stets sind sie gut miteinander ausgekommen. Diese Erfahrung kann weitergegeben werden. Das Holz überlebt den Menschen, ist widerstandsfähiger als er, lässt sich aber willig formen. Dies muss allerdings mit Vorsicht geschehen. Gewiss ist, dass bei der Holzbildnerei zwei Lebewesen aufeinander treffen, die sich gegenseitig verändern, aufsaugen und reichlich beschenken. Achten wir also auf die Form, auf die Maserung des Holzes, auf den Geruch; folgen wir dem Schnitt und der allmählich entstehenden Gestalt. Beide haben uns viel zu sagen: der Bildhauer und das Holz.