Gesellschaft | Gefägnisrestaurant

Gourmets im Knast

Ein im Gefängnis von Turin von Häftlingen betriebenes Restaurant ist täglich ausgebucht
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Foto: Libera Mensa

Es ist ein Lokal, für dessen Besuch klare Regeln gelten. Vormerkung ist obligatorisch - mit Angabe des vollständigen Namens und Geburtsdatums.  Der Einlass erfolgt nur zwischen 20 und 20.30 Uhr. Alle Besucher müssen beim Betreten ihre Ausweise abgeben. Dass das vor wenigen Monaten eröffnete Restaurant dennoch grosse Anziehungskraft ausübt und allabendlich ausgebucht ist,  liegt an einer für Besucher offenbar anziehenden Besonderheit: es befindet sich im Turiner Gefängnis Lo Russo e Cotugno und wird von 17 Häftlingen geführt. Küchenchef, Köche, Kellner und Barkeeper sind ausschliesslich Strafgefangene.  Begonnen hat das Experiment zunächst mit einem Catering-Betrieb in der Bar der Strafanstalt, die Wärtern und Angehörigen der Häftlingen offensteht.  2005 übernahm die Genossenschaft Ecosol die Zubereitung der Mahlzeiten für die 1300 Insassen der Srafanstalt.  Drei professionelle Köche und 22 Häftlinge waren damit beschäftigt. Liberamesa ist nur am Freitag und Samstagabend geöffnet.

Doch längst gilt das Lokal Liberamensa als vorbildliches Sozialmodell zur Integration von Straftätern. Das Restaurant ist für zwei Monate im voraus ausgebucht, demnächst soll es auch am Donnerstag geöffnet werden.

Angeboten wird ein Degustationsmenü zum Preis von 30 Euro. Die spröde Ästhetik einer Gefängnisbar hat der der Architekt Andre Marcante kostenfrei verschönert, aber ohne radikale Eingriffe: "Non abbiamo voluto far dimenticare il posto in cui si é per non farlo diventare altro." Die massiven Fenstergitter sind teilweise hinter buntem Milchglas verschwunden, aber das Erscheinungsbild der Mensa wurde beibehalten. Der Vorstand der Turiner Strafverteidiger, der sich geschlossen zum Abendessen einfand, äussert Genugtuung über das von ihm unterstützte Projekt: "E' un ottimo esempio di funzione rieducativa e riabilitativa della pena. Il tasso di recidiva di queste persone é praticamente pari a zero."Auch die von derselben Genossenschaft betriebene Bäckerei Farina nel sacco befindet sich innerhalb der Gefängnismauern, wo ein kleiner Garten der Küche des Restaurants frische Kräuter liefert. Die Gäste des Resaturants können zwischen fünf piemontesischen Weinen auswählen, auf der Speisekarte finden sich Gerichte wie battuta di fassone al coltello con leggera maionese alla senape su letto di sedano bianco  oder der bei den Gästen besonders beliebte flan di zucca con fonduta al Castelmagno. Die Gerichte entsprechen auch ästhetisch den Ansprüchen eines gehobenen Restaurants.

 

Für Gefängnisdirektor Domenico Minervini ist das "Knast-Restaurant" ein Vorzeigeprojekt: "Siamo sul mercato con questa iniziativa che vede trasformare una parte del carcere in una zona della città stessa, aperta a tutti". Auch gegen Vorbestrafte, die das Lokal ihrer ehemaligen Mithäftlinge besuchen wollen, hat er keine Einwände: " Scusate, ma queste persone non vanno forse ugualmente a cena in qualsiasi ristorante della città?»