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Gesellschaft | fritto misto

Helden in Unterhemden

Politiker lassen sich neuerdings gern leicht bekleidet bei der Impfung ablichten. Das geht nicht immer gut.

Es ist nicht alles schlecht an Corona: Wir sparen uns dank Maske das Geld für den Lippenstift, waschen uns regelmäßig die Hände und werden seit einiger Zeit mit Bildern von halbnackten Männern beglückt, von denen wir niemals zu träumen gewagt hätten, dass wir sie dereinst so leicht bekleidet zu Gesicht bekommen werden. Gemeinhin als seriös erachtete Politiker, die sich freiwillig das Hemd abstreifen, um der Welt ihren Torso zu präsentieren – solch Zeigefreude kannte man bislang nur von Vladimir Putin, der dem Drang, sich bei sportlichen Aktivitäten obenrum zu entblößen offenbar nur schwer widerstehen kann; vor allem, wenn Fotograf*innen in der Nähe sind. Und als seriös gilt Putin nun wirklich auch nicht. Er sehe keinen Grund, sich wegen seines nackten Oberkörpers im Gebüsch zu verstecken, meinte er, und gar einige seiner Kollegen müssen gedacht haben: Verdammt, warum bekomme ICH nie Gelegenheit, meinen formschönen Body herzuzeigen?

Entblößt, die Pose passiv, auf Stuhl oder gar Liege der Injektion harrend, die zu allem Überfluss auch noch von einer Frau verabreicht wird, die den aktiven, stehenden Part einnimmt

Die Rettung nahte in Form der Corona-Impfung. Plötzlich bot sich den Staatsmännern und Provinzpolitikern dieser Welt DIE Gelegenheit, ihre lästige Oberbekleidung abzustreifen ohne dafür eine Ausrede herbeifabulieren zu müssen: Mit Joghurt bekleckert? Plötzliche Hitzewallungen? Ach was, die Impfung verlangt’s! Nun gelangten Fotos an die Öffentlichkeit, wie man sie sonst nur von heimtückischen Paparazzi im Strandurlaub geschossen kennt: Der griechische Premier Mitsotakis, behaart wie ein Bär, um den Hals ein Lederbändchen, ein Unterhemd offenbar keine Option. Oder der französische Gesundheitsminister Véran, auch zu ihm ist offenbar die Existenz von Unterhemden nicht durchgedrungen, mit Lederbändchen am Handgelenk, das geöffnete Hemd wie eine keusche Maid schützend über den rechten Busen haltend: Um zu verbergen, dass seine Körperbehaarung mit der des griechischen Kollegen nicht mithalten kann, oder weil ihm das Ganze dann doch etwas zu frivol erschien, man weiß es nicht. Gänzlich alle Hemmungen fahren ließ der britische Parlamentarier Johnny Mercer, der das störende Oberhemd gleich völlig von sich warf und komplett topless (ob die Hose noch dran ist, man sieht es nicht) die Spritze entgegennahm. Die Durchtrainiertheit seiner Oberarme habe es ihm nicht erlaubt, den Hemdsärmel hochzuschieben, so seine Erklärung, und das ist natürlich ein Dilemma. Andererseits darf man annehmen, dass einem solchen Fototermin doch einige Vorbereitung von Seiten des Abgelichteten vorausgeht, gerade wenn es sich um einen Politiker handelt. Aber, nun gut.

 

Psychologen interpretieren dieses neue Genre des bereitwilligen Zurschaustellens nackter Oberkörper durch männliche Politiker übrigens dahingehend, dass es eine Kampfansage an das Virus sei, wenn auch eine hilflose. Man könne ihm physisch nicht beikommen, diesem unsichtbaren, lautlosen Feind, ihn weder zu Boden ringen noch duellieren, also inszeniere sich Mann zumindest als furchtloser Held mit virilem Torso, einem Ringer gleich, bereit, den Gegner dem Garaus zu machen. Indessen lacht das Virus wohl leise, weil der Anblick so wenig gemein hat mit herkömmlichen Heldendarstellungen. Denken Sie an Jacques Louis Davids Bildnis von Napoleon mit dem gar nicht sperrigen Titel „Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard“. Wir sehen Entschlossenheit, Eleganz, Leadership – der Sieg steht außer Frage. (Dass Napoleon in Wirklichkeit auf einem Maultier ritt, hat in so einem Bild nichts zu suchen.) Daneben wirken die Bildnisse der Impfstripper wie Porträts von Antihelden: Was stark und entschlossen rüberkommen soll, wirkt beinah anrührend ausgeliefert und verletzlich. Entblößt, die Pose passiv, auf Stuhl oder gar Liege der Injektion harrend, die zu allem Überfluss auch noch von einer (zumindest in einem Fall belustigt lächelnden) Frau verabreicht wird, die den aktiven, stehenden Part einnimmt: Archaische Heldenposen sehen anders aus.

Landesrat Achammer bleibt aufgrund seines jugendlichen Alters hoffentlich noch etwas Zeit, um sich fitness- und stylingtechnisch auf die Impfbild-Challenge mit seinem angeblichen Rivalen vorzubereiten

Zum Glück macht unsere Lokalprominenz diesen Fehler nicht. Sei es aus Tiroler Sittsamkeit, die jeglichen Exhibitionismus mit bäuerlichem Argwohn beäugt, sei es, dass man aus den faux pas im Ausland gelernt hat - hierzulande gilt zumindest: Nicht ohne mein Unterleibchen! Der stellvertretende Covid-Einsatzleiter Patrick Franzoni lieferte zwar ein unansehnliches, unterhemdloses Gewurschtel, war aber einer der ersten Geimpften und sich der ästhetischen Implikationen der Impfung wohl nicht bewusst. Ein eher unglückliches Bild gab trotz Unterhemd auch der Generaldirektor des Sanitätsbetriebs, Florian Zerzer, ab: Wäre das Foto ein Gemälde, es müsste wohl den Titel „Die Geisel“ tragen. Gleich zwei Personen sind an ihm, der gute Miene zum bösen Spiel macht, zugange: Eine mutmaßlich männliche, die vorgibt, ihm den Ärmel hochzuschieben, ihn in Wirklichkeit aber wohl festhält, und eine weibliche, die ungerührt die Spritze bis zum Anschlag reindrückt. Ganz und gar nicht ergeben dagegen Professor Gänsbacher, aka Dscheneral Gänsi, der dem Leitmotiv des Kampfes gegen Corona nicht nur mit markiger Kriegsrhetorik („Entweder killst du das Virus, oder das Virus killt dich!“), sondern auch optisch folgte: Mit anliegendem schwarzen Beinahe-Muskelshirt und casual Jeans gemahnt er an einen Streetfighter, der die Impfung zweifellos mit einem gewagten Karatekick gegen den unsichtbaren Feind abschloss. Unerwartete Fitness und natürlich keinen nackten Oberkörper gab es auch von Bischof Muser, obwohl dieser ja durchaus mit der Nacktheit Jesu am Kreuze hätte argumentieren können. Im schwarzen Kurzarmhemd mit Kollar nimmt er gelassen die Impfung entgegen und zeigt dabei Ansätze von durchaus bemuskelten Oberarmen. So eine Monstranz dürfte ja auch etwas wiegen. Mit beinahe 1.800 Likes der unangefochtene Winner unter den Südtiroler Impf-Pinups ist aber der LH: „Nun war auch ich an der Reihe und habe heute Morgen meine erste Impfdosis erhalten“, verkündete er gewohnt emotionsarm auf seiner Facebook-Seite, garniert aber doch mit einer Aufnahme: Freudig lächelnd nimmt das Sporty Spice (Bauch eingezogen oder nicht?) unter den lokalen VIP-Impflingen seine erste Dosis entgegen, und hat mit einem weißen, nicht allzu eng anliegendem Unterhemd modisch alles richtig gemacht. Allein die etwas zu betont lässig abgelegte Hand verrät eine gewisse Nervosität. Landesrat Achammer bleibt aufgrund seines jugendlichen Alters hoffentlich noch etwas Zeit, um sich fitness- und stylingtechnisch auf die Impfbild-Challenge mit seinem angeblichen Rivalen vorzubereiten: So möge er liefern. Brusthaar oder gar Brustwarzen wird man dort allerdings wohl auch nicht zu sehen bekommen; ja, der Südtiroler Topless-Politiker-Shot wird uns voraussichtlich überhaupt verwehrt bleiben, da die dafür aussichtsreichsten Kandidaten im Landtag eine gewisse Impfmuffeligkeit an den Tag gelegt haben. Oder wird etwa doch noch Kölle das letzte Hemd fürs Volk ausziehen?

Die ehrlichste Impfaufnahme stammt indes von Kanadas Premier Justin Trudeau: Im losen T-Shirt, mit seiner Ehefrau händchenhaltend lässt er sich tapfer Astra Zeneca spritzen. Du, Philipp, schau! Manche haben eben kein Gegockel nötig. Eine Inspiration auch für die zweite Dosis bei unseren Lokalhelden, magari? 

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rotaderga Di., 25.05.2021 - 06:57

Bei der Impfung, arbeiten sie mehr links oder rechts? Rechts! Dann nehmen wir den linken Oberarm. Manche arbeiten mehr links, jetzt bin ich im Bilde.

Di., 25.05.2021 - 06:57 Permalink