Gesellschaft | Interview

"Mathe ist wie Musik"

Das Schulfach Mathematik haben viele in schlechter Erinnerung. Professor Michael Gaidoschik erklärt, wie man das ändern kann.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Brima
Foto: unibz

Bei der BRIMA-Primar Tagung am 20. Oktober lädt die Uni Bozen LehrerInnen und KindergartenpädagogInnen dazu ein, spielerische Methoden für den Mathematikunterricht kennenzulernen. Professor Michael Gaidoschik befasst sich schon länger mit der Mathematik im Primarbereich. Er forscht und lehrt am Brixner Standort der Freien Universität Bozen.

 

 

Salto.bz: Nun schon zum zweiten Mal veranstalten Sie den Brixner Mathematiktag für den Primarbereich. Was wollen Sie mit der Tagung erreichen?

Prof. Dr. Michael Gaidoschik: In der Fachdidaktik der Mathematik hat sich in den letzten Jahren viel getan, und wir wollen die Forschungsergebnisse hinaustragen und nutzbar machen. Diese Tagung im Speziellen richtet sich in erster Linie an LehrerInnen der Grundschule und KindergartenpädagogInnen und hat das Ziel, sie in der frühen mathematischen Bildungsarbeit zu unterstützen.

 

Ist es wirklich nötig, damit schon im Kindergarten anzufangen? Bisher hat man Mathematik ja auch so erlernt.

Naja, gerade wenn Sie so argumentieren, würde ich fragen: Wie viele Ihrer LeserInnen haben gute Erinnerungen an den Mathematikunterricht? Wer sagt von sich, er liebt Mathematik?

Wahrscheinlich nicht viele, das Fach hat keinen guten Ruf. Das liegt aber nicht an der Mathematik an sich, die ist faszinierend, auch für Kinder. Trotzdem haben viele schlechte Erfahrungen mit dem Fach – und die Forschung belegt, das liegt auch an der Art, wie Mathematik oft unterrichtet wird.

Es geht natürlich nicht darum, nun schon im Kindergarten Mathematikunterricht einzuführen. Aber die natürliche Neugier auf geometrische Formen, auf Muster, auf Zahlen kann spielerisch unterstützt werden, und macht man das, werden die Kinder sich später leichter tun. Oft passiert leider das Gegenteil: Die Erwachsenen übertragen ihre eigenen Vorurteile gegenüber dem Fach auf die Kinder und verderben ihnen damit die Freude.

 

Trotz der Vorbehalte gegenüber der Mathematik sind Sie schon in der ersten Ausgabe auf reges Interesse gestoßen – es gibt scheinbar ein Bewusstsein für dieses Problem.

Als ich letztes Jahr diese Tagung zum ersten Mal geplant hatte, gab es durchaus Zweifel daran, dass so eine Veranstaltung funktioniert – keiner erwartete sich mehr als hundert Teilnehmer. Wir hatten dann aber 300 Anmeldungen und heuer über 400. Und damit erreichen wir unsere Grenzen, wir mussten schon einige Teilnehmer abweisen, weil alle Workshops besetzt waren.

 

Was wird in diesen Workshops konkret gemacht?

Wir stellen beispielsweise Aktivitäten für den Kindergarten vor, bei denen es um Kunst und Mathematik, oder um das Erkunden geometrischer Formen geht. Oder wir zeigen, wie man Spiele im Kindergarten so begleiten kann, dass die mathematischen Elemente, die in alltäglichen Spielen stecken, zur Geltung kommen.

Für die Grundschule gibt es zum Beispiel einen Workshop, wo das geometrische Potenzial von Papier-Falten deutlich wird, oder einen zum Thema Größen schätzen. Aber dann auch Workshops zu klassischeren Unterrichtsinhalten, zum Beispiel: Wie unterrichtet man sinnvoll das schriftliche Subtrahieren, sodass es nicht ein Auswendiglernen von Regeln ist, sondern wirklich das Verstehen fördert.

 

Welchen Ratschlag können Sie Eltern, Kindern und LehrerInnen geben, damit das Mathe lernen leichter fällt?

Ich zucke immer zusammen, wenn ich höre, dass jemand Kindern Mathematik beibringen will. Gerade im Bereich Mathematik ist wichtig, dass Erwachsene Kindern erst einmal zuhören und sich darüber klarwerden, was die sich selbst schon für schlaue Gedanken machen. Diese kann man dann fördern. Das Allerwichtigste ist es, gute Aufgaben zu stellen, gute Fragen, gerade im Kindergarten auch, Spiele vorzuschlagen, die Potenzial für mathematische Entdeckungen haben. Bei diesen kann man die Kinder dann unterstützen, Lösungen zu finden. Aber Mathematik muss man verstehen, und das tut man dann am besten, wenn Lösungen selbst entdeckt, und nicht, wenn man vorgegebene Denkweisen nachlernen muss.

 

Aber so ganz von allein geht es ja nicht – Mathelernen ist schon auch Üben und Anstrengung.

Klar gehört auch Übung dazu. Wenn man Lösungen gefunden, Zusammenhänge verstanden hat, muss man vieles auch üben, damit man es nachher gut und sicher kann. Aber eben in der Reihenfolge. Mathematik ist da ein bisschen wie Musik. Da sollen Kinder auch selber Spielen lernen, nicht nur zuhören. Und auch da muss geübt werden, aber immer mit dem Ziel, selbst aktiv schöne Musik zu machen. Kinder sollen selbst schöne, interessante Mathematik machen; das Üben ist Mittel für diesen Zweck, nicht Selbstzweck. Wenn sie das merken, müssen wir uns um ihre Motivation keine Sorgen machen.