Kultur | Salto Weekend

Ein verborgenes Leben

Endlich erreicht Terrence Malicks neuer Film die heimischen Kinos. Das dreistündige Epos rund um Franz Jägerstätter bleibt dem eigenwilligen Stil seines Schöpfers treu.
A Hidden Life
Foto: Malick

Manche jubelten, als sie feststellten, dass der US-amerikanische Regisseur und weithin anerkannte Kinopoet Terrence Malick nach drei recht frei erzählten Filmen (To The Wonder, Knight Of Cups, Song To Song) mit seinem neuesten Streich wieder eine etwas konventionellere Narration wählte. Konventionell ist hier natürlich noch immer sehr gewagt, denn seit jeher pflegt Malick einen sehr eigenwilligen Stil, der ihn einerseits von allen anderen Filmemachern in der Welt abhebt, seine Freunde und Fans fand, andererseits aber auch regelmäßig für Kritik sorgt. Figuren, die ekstatisch durch wunderschön fotografierte Landschaften wandern, ob naturell oder urban sei dahingestellt, eine Kamera, die frei um die Schauspieler fliegt und scheinbar nie zur Ruhe kommt, flüsternde Stimmen, die allerhand Poetisches erzählen, Gedankenströmen folgen und die Auslegung des Gesagten häufig dem Publikum überlassen. Diese Art des Filmemachens, die Malick vor allem seit seinem Antikriegsfilm „Der Schmale Grat“ auf die Spitze treibt, ist derart einzigartig, dass immer die Gefahr besteht, dass all die Elemente zur Parodie verkommen. Das ist auch einer der Hauptkritikpunkte, denen Malick sich regelmäßig stellen muss. Seine Filme wären prätentiös, pseudophilosophisches Geschwurbel von einem, der zu viel Heidegger gelesen hat, und generell wenig gehaltvoll. Nun, dem kann man zustimmen, aber genauso widersprechen. „Ein Verborgenes Leben“ gibt sich wie erwähnt wieder etwas stringenter. Es gibt eine konkrete Handlung, der wir folgen, und in der Hauptrolle spielt August Diehl die historische Figur des Franz Jägerstätter. Ein Kriegsdienstverweigerer, der später zum Märtyrer und sogar selig gesprochen wurde. Wie ein Amerikaner wie Malick, der noch dazu aus Texas stammt, auf die Idee kommt, diese ganz und gar österreichische Geschichte zu erzählen, die selbst in unseren Gefilden kaum jemand kennt, weiß wohl nur er. Und so inszeniert Malick auf seine typische Art und Weise das Leben und Wirken Franz Jägerstätters und seiner Frau Franziska. Wir sehen das Dorfleben in St. Radegund, wie Jägerstätter aus diesem Rahmen herausgerissen wird, wie er verweigert, und was das mit ihm, seiner geliebten Frau und dem Dorf macht, aus dem er stammt. Denn sein Verhalten schlägt Wellen, nicht nur bei den Nazis, sondern auch Zuhause, wo Franziska, gespielt von Valerie Pachner, plötzlich böse, misstrauische Blicke zugeworfen werden.

 

EIN VERBORGENES LEBEN Trailer

 

„Ein verborgenes Leben“ ist sicherlich kein leichter Film, was der Thematik und vielleicht auch der Lauflänge geschuldet ist. Doch das Durchhalten bis zum Ende lohnt sich. Malick zeigt wie so oft die Absurdität des Bösen, der Schrecken, die wir Menschen hervorbringen, und kontrastiert sie mit der Idylle der Natur, die uns umgibt. Gedreht hat er dafür zu großen Teilen in Südtirol, was der pittoresken Qualität der Bilder zugutekommt, ortskundigen Leuten aber auch sauer aufstoßen könnte. Denn wer den einen oder anderen Ort erkennt, könnte schnell aus der Erzählung gerissen werden. Das gilt natürlich bei jedem Film, doch gerade Südtiroler werden bei diesem hier beispielsweise die Franzensfeste erkennen.

Der Film fällt in das Genre des Kriegsfilms, irgendwie sicherlich, dennoch bedient er kaum ein Element daraus. Wir sehen keine Schlachten, keinen Holocaust, eben nicht das, was so oft allzu reißerisch an die Front geschickt wird, während das Menschliche des Krieges (sofern es so etwas überhaupt gibt) zurückstecken muss. Es geht hier in erster Linie um zwei sich liebende Menschen. So wählt Malick also einen ähnlichen Ansatz wie bei „Der Schmale Grat“, wird jedoch noch mikroskopischer, noch intimer und fokussiert sich anstelle eine großen Ensembles auf ein einzelnes Paar.

Abgesehen von der erzählten Geschichte ist „Ein verborgenes Leben“ ohnehin ein audiovisueller Genuss. Wer Malick kennt, der weiß, dass er wie kaum ein zweiter die Poesie unserer Welt, die im übrigen sehr oft vergessen oder ausgeblendet oder ignoriert wird, inszeniert und zum Charakter neben den Menschen erhebt. „Ein verborgenes Leben“: Nicht Malicks bester Film, denn das bleibt nach wie vor „The Tree of Life“, aber dennoch ein sehr sehenswerter, von philosophischen Strömungen durchzogener Kinobesuch.

 

Bild
Profil für Benutzer Nadine Laqua
Nadine Laqua So., 18.10.2020 - 02:55

Agrarhistorisch völlig unsinnige Handlungen und Requisiten, ein wildes Sammelsurium an Dialekten, Kostümen, Drehorten... am schlimmsten finde ich den Nazi-Knast in der Soft-Version und eine (bewusste?) Verfälschung von Jägerstätters Geschichte. Das ist nicht Poesie und auch nicht Kunst sondern einfach nur schlecht recherchiert und konzipiert. Die Schauspieler können das auch nicht retten, aber machen die 3 langen Stunden immerhin erträglich. Als Atheist kann ich der Verklärung Jägerstätters durch die katholische Kirche leider nichts abgewinnen. Für mich ist sein Handeln weder bewundernswert noch heldenhaft. Im Gegenteil: er hat denen, die ihn liebten und brauchten, sehr viel Kummer und Leid zugefügt.

So., 18.10.2020 - 02:55 Permalink