Gesellschaft | Kritik

Gesucht: Anwalt für Prozess gegen Sozialsprengel

Auch die Plattform für Alleinerziehende reiht sich in den Chor der Kritiker von Sozialdiensten ein. "Wir streben einen Musterprozess an", sagt Präsidentin Ida Lanbacher.

Frau Lanbacher, die Plattform für Alleinerziehende stellt sich hinter die harte Kritik von Christian Masten an den Sozialdiensten des Landes. Was haben Sie ihnen vorzuwerfen?
Ida Lanbacher: Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass alleinerziehende Mütter von den Sozialsprengeln extrem unter Druck gesetzt werden. Dabei bräuchten gerade sie dringend mehr Unterstützung.

Wie werden sie unter Druck gesetzt?
Eben auch mit der Androhung, ihnen die Kinder wegzunehmen. Es gibt da einen Mustersatz, den wir von den Frauen immer wieder in verschiedenen Situationen zu hören bekommen: Wenn Sie das nicht auf die Reihe kriegen, dann müssen wir die Kinder anderweitig unterbringen. Das kann sein, wenn die Übergabe mit dem Vater nicht klappt. Da passiert, wenn alleinerziehende Mütter keinen Job finden und das Lebensminimum beantragen. Wir haben den Fall einer Frau, die 200 Bewerbungen geschrieben hat, aber immer noch unter Druck gesetzt wird, dass sie zu wenig macht, um Arbeit zu finden.

Sowohl Landesrätin Martha Stocker als auch die Direktorin des Landesamtes für Kinder- und Jugendschutz Petra Frei beteuern in der neu aufgeflammten Diskussion, dass die Fremdunterbringung von Kindern die ultima ratio ist, auf die wirklich nur zurückgegriffen wird, wenn das Aufwachsen in einem geschützten Umfeld nicht garantiert ist. Welches Interesse hätten Sozialsprengel daran, dazu beizutragen, dass Eltern ihre Kinder ohne triftigen Grund weggenommen werden?
Das kann ich ihnen nicht beantworten. Vielleicht gilt es Strukturen zu füllen, die es gibt, vielleicht müssen Jobs gesichert werden. Ich weiß es nicht. Zum Sparen trägt die Fremdunterbringung sicher nicht bei, denn ein Platz in einem Heim kostet 3000 Euro im Monat. Da könnten alleinerziehende Mütter mit viel weniger Mitteln weit besser unterstützt werden. Und das ist, was sie angesichts ihrer starken Mehrfachbelastung am dringendsten bräuchten: ein wenig Unterstützung. Ob finanziell oder beispielsweise auch mit einer Familienhelferin, die ihr in schwierigen Zeiten die Möglichkeit gibt, einmal wieder durchzuschnaufen.

Doch Familienhelferinnen gibt es längst nicht mehr?
Nein, diese Art der Unterstützung wurde damals mit der Einführung der Sozialsprengel abgeschafft. Man hat gedacht, alles dort abfangen zu können. Doch es ist einfach etwas ganz anderes, wenn jemand ab und zu vorbeikommt, mit dem Ziel zu helfen und zu unterstützen und nicht zu werten und zu verurteilen. Sozialassistenten haben dagegen von oben den Auftrag, Familien zu kontrollieren. Da wird jeder Beistrich  protokolliert, gleich ein Bericht geschrieben, wenn die Wohnung einmal nicht aufgeräumt ist. Und wenn dieser Druck auch noch dazukommt, können überforderte Elternteile irgendwann wirklich psychische Probleme bekommen.

Durch den Druck von Seiten der Sozialdienste?
Das ist eben ein Kreislauf. Die Frauen stehen ohnehin schon sehr unter Stress, dann werden sie vielleicht einmal laut bei den Sozialdiensten. Deshalb schickt man sie zum Psychiater, gibt ihnen Medikamente und irgendwann wir ihnen das Kind tatsächlich genommen, weil es heißt, die Mutter hat psychische Probleme.

Das sind schwere Anschuldigungen gegenüber Menschen, die laut den Verantwortlichen der Sozialdienste „sehr gewissenhaft und mit großem Verantwortungsbewusstsein“ arbeiten. Denken Sie nicht, dass die SozialassistentInnen solche Situationen aufgrund ihrer Erfahrung umfassender beurteilen können als die Betroffenen selbst?
Es sind eben auch Menschen. Und es sind vielfach junge und unerfahrene Menschen, die von oben den Auftrag haben, Gesetze und Auflagen einzuhalten und nichts anderes. Und außerdem ist von oben auch noch Sparen angesagt. Natürlich gibt es auch Leute mit Erfahrung und solche, die gute Arbeit leisten. Doch das Problem ist, dass diese Jobs sehr anstrengend und belastend sind und nicht unbedingt begehrt. Vielfach kommt das Personal deshalb auch frisch aus der Schule, wird hineingeworfen und macht das Ganze eben so lange mit, wie sie durchhalten. Sobald sich jedoch ein anderer Job ergibt, springen sie dann wieder ab. Ich habe eine Frau begleitet, die in zweieinhalb Jahren sechs verschiedene Zuständige beim Sozialdienst hatte. Und ich erzähle Ihnen nicht einmal, was in diesen zweieinhalb Jahren alles kaputt gemacht wurde. Doch davon will man im Sozialsprengel nichts wissen. Dort heißt es dann: Wir wollen nicht von der Vergangenheit sprechen, wir wollen die Zukunft planen.

Was muss sich also laut der Plattform für Alleinerziehende konkret ändern?
Wir wollen allem voran, dass solche Fälle, bei denen in den Sozialsprengeln wirklich etwas schief gelaufen ist, auch zur Kenntnis genommen werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Statt dessen werden die Berichte der Sozialdienste vom Jugendgericht in der Regel 1:1 übernommen – selbst wenn Familien oft für teures Geld weitere Gutachten einholen.

Gibt es keine Möglichkeit in solchen Fällen einzuschreiten?
Manchmal hat es schon geholfen, wenn ich Frauen zu den Stellen hin begleitet habe, dann hat sich das Blatt plötzlich gewendet. Aber beschweren kann man sich eigentlich nur bei den Vorgesetzten. Und die haben auch kein Interesse, dass solche Fälle aufgedeckt werden, weil sie schließlich Mitverantwortung tragen und dann aufkommt, dass sie sich nie direkt damit befasst haben. Deshalb versuchen wir derzeit auch einen Musterprozess gegen einen Sozialsprengel anzustoßen.

Gegen welchen Sozialsprengel?
Das kann ich noch nicht sagen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass dort bereits einiges schief gelaufen ist. Und wir wollen, dass Verantwortliche endlich dafür gerade stehen müssen, wenn Kinder unberechtigt ihrer Familie entzogen werden.

Wann soll dieser Musterprozess stattfinden?
Uns fehlen leider die finanziellen Mittel, dafür einen Anwalt oder eine Anwältin zu zahlen. Doch wir haben die Hoffnung, dass wir jemanden finden, der den Fall aus Interesse übernimmt, zum Beispiel weil sie oder er in dem Bereich selber schon Erfahrungen mit KlientInnen gemacht hat. Wenn man so einen Prozess gewinnt, kommt es sicher zu einer Kettenreaktion. Doch dafür sind wir leider erst einmal auf jemanden mit gutem Willen angewiesen.

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Profil für Benutzer Maria Theresia Christandl
Maria Theresia… Do., 17.12.2015 - 16:09

Es ist ein heikles Thema allgemein. Aber wie neulich gelesen gibt es in Deutschland sogenannte DorfhelferInnen. Sie übernehmen die Aufgabe einer Mutter wenn diese krank ist oder wie im Fall doppelbelasteter Alleinerziehenden im Haushalt mithelfen. Sei es das Kind abholen oder das Mittagessen zubereiten. Morgens falls die Mutter früh zur Arbeit startet, vorbeischauen, den Kindern das Frühstück zubereiten und sie evtl zur Schule oder Kindergarten begleiten. Für mich ist der Besuch einer Sozialassistentin abschreckend die zur Kontrolle in meinen Privatbereich kommt. Viel mehr wäre geholfen wenn eine gutmütige Seele vorbeischaut und der überlasteten Mutter zur Hand geht. Ich denke es ist höchste Zeit das Berufsbild selbst als solches zu überarbeiten und deren Kompetenz gesetzlich verankern. Habe selbst Erfahrung im Alleinerziehen seit 15 Jahren und kann mich erinnern, dass der größte Alptraum war, sie würden mir die Kinder nehmen. Hatte ein schlechtes Gewissen wenn ich sie beim Nachtdienst alleinlassen musste auch als sie schon ein wenig älter waren. Auch Nachbarschaftshilfe wäre ein Schlagwort. Wie froh wäre ich um eine helfende Hand oder ein gutes Wort gewesen. Eher spürte ich vorwurfsvolle Blicke. Aber Schwamm darüber. "Ein Löwe geht aufrecht und trägt mit Stolz seine Narben" Inzwischen sind meine Söhne erwachsen und gehen fast allein ihren Weg.

Do., 17.12.2015 - 16:09 Permalink
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Paul Stubenruss Mi., 03.02.2016 - 18:32

Ich wohne neben dem Frauenhaus Reinegg in Brixen uns als Nachbar bekommt man natürlich mit was da abläuft wenn Frauen mit Kleinkinder einquartiert werden. Diese Frauen erleben den reinsten Horror. Stehen in Dauerstress und in Angst das die Kinder genommen werden und jegliche Privatsphäre wird genommen. Auch wenn am Ende ein Gericht entscheidet ob Kinder genommen werden, beruht die Entscheidung auf Geschichten des Sozialdienstes , auch wenn es Unterstellungen und Märchen sind. Welche Ausbildung haben die Personen die die Heimmütter überwachen? Schon bei Kindergärten wird höhere Schulbildung verlangt. Die heikle Situation in der die Heimmütter stecken dürfte wesentlich mehr an Wissen und Einfühlungsvermögen abverlangen als es für Kindergärten notwendig ist. Aus den Kontakten die ich ab und zu zu Heimmüttern habe, komme ich zum Schluss, das die Kompetenz der „Wachhunde“ im Argen liegt. Ein Wortgebrauch der Heimmütter. Da ich die Funktionsweise der südtiroler Sozialindustrie nicht kenne, frage ich hier um Nachhilfe wo ich im Internet die gesamte Gesetzgebung zur genannten Industrie finde, also auf Grund welcher Gesetze wer was entscheidet und wie am Ende die Gelder fließen.
Wer der Organisation für alleinerziehende Spenden will findet die Bankverbindung unter http://www.alleinerziehende.it/

Mi., 03.02.2016 - 18:32 Permalink