Politik | Gemeindewahlen

Motivierte Dorfkaiserinnen

Starkes Signal angesichts des vielbeklagten Frauenmangels in der Politik: Neun von zehn Bürgermeisterinnen stellen sich wieder der Wahl.

135 Vorzugsstimmen: Das ist das Kissen, auf dem Theresia Degasperi Gozzi nach der SVP-Vorwahl in Magreid am vergangenen Sonntag in ihren dritten Gemeindewahlkampf ziehen kann. Seit zehn Jahren ist die 64-Jährige bereits Bürgermeisterin der knapp 1300 Seelen starken Unterlandler Gemeinde. Nun will sie es noch einmal wissen. „Weil es Spaß und Freude macht, etwas zu bewegen“, sagt Degasperi Gozzi, „und weil ich noch viele Projekte am Laufen habe, die ich gerne weiter fertig begleiten will - ob die Renovierung des Gemeindegasthauses oder die neue Entlastungseinrichtung für Angehörige von Demenzkranken.“

Magreids Bürgermeisterin steht unter ihren SVP-Kolleginnen keineswegs alleine da. Da mag die gesamte politische Welt darüber stöhnen, wie schwierig es ist, in diesem Gemeindewahlkampf KandidatInnen zu finden. Und da mögen so manche alte Hasen wie Richard Amort oder Jungspunde wie Armin Holzer und Eugen Hofer aus freien Stücken entscheiden, sich ein vergleichsweise schlecht entlohntes und aufreibendes Amt nicht mehr anzutun. Die Bürgermeisterinnen im Land treten – mit einer Ausnahme – in voller Zahl wieder an. Angesichts der bescheidenen Zahl von derzeit zehn ersten Bürgerinnen ist die Liste deshalb zwar immer noch nicht lang. Neben der PD-Vorsitzenden und Leiferer Bürgermeisterin Liliana di Fede umfasst sie die SVP-Bürgermeisterinnen Gertrud Benin Bernard (Kaltern), Angelika Wiedmer Perkmann (Mölten), Maria Gasser Fink (Klausen), Monika Delvai Hilber (Montan), Rosmarie Pamer (St. Martin in Passeier), Beatrix Mairhofer (Ulten), Theresia Degasperi Gozzi (Margreid) und Romana Stifter Ausserhofer (Gais). Einzig Elisabeth Laimer, Bürgermeisterin von Dorf Tirol, hat nach einer Amtsperiode beschlossen, ihr politisches Amt an den Nagel zu hängen. Wie viele weitere Kandidatinnen am 10. Mai neben den amtierenden neun Bürgermeisterinnen ins Rennen um das erste Amt in ihrem Dorf oder ihrer Stadt ziehen werden, kann zumindest innerhalb der Volkspartei erst in den kommenden Wochen sicher gesagt werden, sagt Frauenvorsitzende und Kammerabgeordnete Renate Gebhard. „Doch wir haben Hoffnung, dass noch einige Bürgermeisterinnen dazukommen“, meint sie.

Eine Frage der Zeit

Immerhin ist das Bürgermeisteramt mit einem Frauenanteil von nicht einmal neun Prozent immer noch das politische Amt mit der niedrigsten weiblichen Präsenz. Doch gibt es tatsächlich Chancen auf weitere Bürgermeisterinnen, wenn schon bei der Suche nach GemeinderatskandidatInnen immer wieder über einen Frauenmangel geklagt wird? „Es stimmt nicht, dass keine Kandidatinnen zu finden sind“ sagt Renate Gebhard. „Was dagegen stimmt, ist dass sich Frauen eine Kandidatur viel länger überlegen.“ Grund dafür ist laut der SVP-Frauenvorsitzenden nach wie vor die Mehrfachbelastung, die es Frauen noch viel schwerer macht, politische Aufgaben zu übernehmen. Erwerbsarbeit, Kinder, Hausarbeit, ehrenamtliches Engagement – und dann noch mehrstündige Gemeinderatssitzungen? „Die wichtigste Frage gilt immer dem zeitlichen Aufwand“, sagt Gebhard, „und der kann zwischen sieben Gemeinderatssitzungen in einem Dorf und 70 in Bozen schwanken.“

Bei Bürgermeisterinnen erhöht er sich aber auch in kleinen Gemeinden auf einen 24-Stunden-Dienst – der sieben Tage die Woche dauert, meint Möltens Bürgermeisterin Angelika Wiedmer. Doch der freie Sonntag sei in ihrem Amt ebenso wenig Thema wie die Frage, ob Termine für  Sitzungen oder repräsentative Aufgaben mit den Verpflichtungen einer zweifachen Mutter vereinbar seien. Ein Job, der immer noch auf ein Männerleben der alten Schule zugeschnitten ist? „Auf jeden Fall“, sagt Wiedmer. „Doch wir dürfen uns ja nicht beklagen, weil dann heißt es wieder, ihr habt es ja so gewollt.“

Und am Wollen scheitert es bei der Vize-Obfrau der Südtiroler Volkspartei trotz der schwierigen Seiten des Bürgermeisteramts nicht. „In solch einem politischen Amt gelingt es meist erst in der zweiten Halbzeit eigene Vorstellungen und Projekte umzusetzen“, sagt sie. Eine begonnene Arbeit, die sie nun gerne zumindest noch weitere fünf Jahre fortsetzen würde. Auch wenn es dafür „eine gehörige Portion Idealismus und Motivation“ braucht, wie sie meint. Doch daran scheint es den Frauen im Land nicht zu fehlen – zumindest wenn sie einmal auf dem Amtsstuhl sitzen.