Politik | Bozen 2016

Der Kolibri und die Taube

Grüne, Projekt Bozen, Rifondazione: Sie alle unterstützen Norbert Lantschner als Bürgermeisterkandidaten für Bozen. Dieser will eine "sozialere und solidarischere" Stadt.

Wenn Norbert Lantschner von sich spricht, vergleicht er sich mit dem Kolibri, der versucht, einen Waldbrand zu löschen. “Kolibri! Bist du verrückt? Glaubst du tatsächlich, dass du gegen dieses Feuer mit ein paar Tropfen Wasser ankämpfen kannst?”, fragt der Löwe den kleinen Vogel. “Ich weiß, aber ich versuche es dennoch und leiste meinen Beitrag”, antwortet der Kolibri. Tun, was er kann. Das will Lantschner als Bürgermeisterkandidat für Bozen. Unterstützt wird er dabei von den Grünen, Projekt Bozen, Rifondazione Comunista und “allen Gruppierungen, die mit uns zusammenarbeiten wollen”, bringt es Tobe Planer auf den Punkt. Am Freitag präsentierte der Co-Sprecher der Bozner Grünen gemeinsam mit den Bündnispartnern offiziell ihren Bürgermeisterkandidaten.


Bisher alle zufrieden

In Südtirol und weit darüber hinaus als Klimaschutz-Experte bekannt und geschätzt, perfekt zweisprachig und mit einem Herz, das, wie er selbst sagt, “seit Jahrzehnten grün schlägt”. Mit diesen Voraussetzungen ist Norbert Lantschner als Bürgermeisterkandidat für die Grünen “la persona davvero giusta”, sagt Corinna Lorenzi sichtlich stolz. Freude auch bei Martin Fink von Projekt Bozen und Gianfranco Maffei von Rifondazione. “Entgegen der aktuellen Tendenz zur Aufsplitterung haben wir es geschafft, ein Listenbündnis einzugehen”, sagt Fink. “Siamo molto contenti di questa alleanza che non si riconosce nelle alleanze che negli ultimi anni hanno praticamente distrutto la città”, fügt Maffei hinzu. Konkret werden die Grünen mit Projekt Bozen gemeinsam auf einer Liste unter dem Symbol der weißen Taube auf grünem Grund antreten. Rifondazione Comunista wird Norbert Lantschner als zweite Liste unterstützen.


v.l.: Marialaura Lorenzini, Martin Fink, Tobe Planer, Norbert Lantschner, Corinna Lorenzi, Gianfranco Maffei


Antwoten und Verantwortung

“Wo fange ich an?”, antwortet der frischgebackene Bürgermeisterkandidat und politische Quereinsteiger Lantschner als er nach der Motivation für seine Kandidatur gefragt wird. Mit vielen Themen, die den Grünen am Herzen liegen, habe er sich bereits in seiner beruflichen Laufbahn auseinandergesetzt. “Als Direktor der Klimahaus-Agentur habe ich gelernt, dass die effizientesten Resultate dann erzielt werden, wenn die Menschen mit einbezogen und zum Mitmachen motiviert werden”, berichtet er. Das sei der richtige Ansatz auch für Bozen, einer Landeshauptstadt, die vor einer “historischen Wende mit enormen ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen” steht. “Entscheidend werden die Antworten sein, die wir auf die Frage ‘Welche Zukunft wollen wir?’ zu geben versuchen werden”, sagt Lantschner.

Den abgenutzten Begriff “Nachhaltigkeit” würde ich gerne durch “Verantwortung” ersetzen.

In seiner Vision von Bozen kein Platz ist für das Kaufhaus-Projekt am Busbahnhof. “Die Frage in dieser Sache ist nicht, ob wir ein Kaufhaus wollen, sondern ob wir es brauchen”, bezieht Lantschner Stellung. Im Interesse der Allgemeinheit, das für ihn im Mittelpunkt seines politischen Engagement steht, sei ein “xter Konsumtempel” keinesfalls: “Dobbiamo riconoscere il potere e l’interesse del capitale che non corrisponde con l’interesse dei cittadini.” Mit diesem Projekt würde der Wunsch geweckt, “Sachen zu kaufen, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben”. Für ein gutes Leben, das “buen vivir”, und das Gemeinwohl brauche es aber kein Kaufhaus. Sondern?

Was zählt ist, wie Bozen mit den globalen Herausforderungen umgeht.

“Es geht darum, dass wir uns in unserer Stadt wohlfühlen, sowohl was das Materielle, aber auch was das Immaterielle anbelangt”, erklärt Lantschner sein Bild von Bozen. Viel zu lange seien in der Stadt destruktive Kräfte am Werk gewesen, er will Bozen “grüner, sozialer und solidarischer” machen. Einige Punkte, die er angehen will sind: die Verbesserung der Luftqualität (“man kann nicht dem Wetter die Schuld für die schlechte Luft geben”) durch Ansätze bei Mobilität und Heizen; die energetische Sanierung einer Vielzahl von Gebäuden in allen Stadtvierteln (“eine Win-Win-Situation aus arbeits-, umwelt- und sozialpolitischer Sicht”); einen humanitären und solidarischen Umgang mit Flüchtlingen; Unterstützung für junge Familien und sozial Schwache. “In Kürze”, kündigt Lantschner an, “wird es ein detailliertes Programm geben”. Und weitere Wassertropfen, mit denen der Kolibri Lantschner den Bozner Waldbrand zu löschen gedenkt.

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Sepp.Bacher Sa., 19.03.2016 - 15:57

In diesem Text steht es zwar nicht, aber ich glaube gehört zu haben, dass Lantschner auch gegen den Ausbau des Flugplatzes ist und gute Argumente hat. Südtirol verkauft mit Stolz und Profit das "Klimahaus". Aber wenn die Landesverwaltung und die Wirtschaft einmal etwas für´s Klima tun soll, wo man keinen Profit einstreichen kann, gibt es das Klima-Argument nicht mehr. In der ganzen Diskussion um Erderwärmung, Klima, Nachhaltigkeit und Ökologie wird oft so argumentiert, als ginge es vor allem um das Wohlergehen der Pflanzen und Tiere, der Natur im Allgemeinen. Aber die Menschen, die wir ja auch ein Teil der Natur sind, werden meistens nicht mitgemeint. Ich habe den Eindruck, dass es dieses Risiko bei Lantschner nicht gibt.

Sa., 19.03.2016 - 15:57 Permalink
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Martin B. Sa., 19.03.2016 - 19:11

Antwort auf von Sepp.Bacher

Ja, es ist schade, das die neuen Spitzenkandidaten zu den Referendumsthemen so zurückhaltend sind. Herr Lantscher sollte diesbezüglich den kleinsten Maulkorb haben, außer natürlich seine persönliche Meinung differiert substantiell von jener der Grünen (Flugplatz, Müllverbrennung).

Sa., 19.03.2016 - 19:11 Permalink