Chronik | Seilbahn und Mitbestimmung

Der dritte Weg

Seit der formalen Übergabe des Brixner Seilbahnprojekts an das Land durch einen Stadtratsbeschluss beschuldigen sich fast alle politischen Gruppierungen gegenseitig, dem Volk das Referendum vorenthalten zu haben.
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Der Bürgermeister Albert Pürgstaller stellte bei der Sendung Pro & Contra am 25.03.2014 die Hypothese auf, diejenigen, die immer von der Direkten Demokratie reden, haben Angst vor der Entscheidung des Volkes und verhindern die Abstimmung mit allen Mitteln. 

Am 27.03.2014 unterzeichneten 16 Gemeinderäte einen Antrag, mit dem Ziel doch noch einen Volksentscheid durchführen zu können. Seitdem wird „zweifelhaft“ nach einer Lösung gesucht. Die SVP will von der einfachen Ja/Nein Fragestellung nicht abweichen, die anderen möchten der Bevölkerung eine Auswahl anbieten. Wenn ein Kompromiss überhaupt möglich ist, wird es ein fauler sein. Es wäre besser die Ursache beseitigen und den dritten Weg gehen.

Bereits 2013 hat der Bürgermeister Albert Pürgstaller vergeblich versucht eine 2/3 Mehrheit im Gemeinderat für seine favorisierte Fragestellung (Sinngemäß: Sind sie für eine Seilbahn mit der Talstation am Bahnhof? „Ja“ oder „Nein“) zu erreichen. Das Problem dabei: in Brixen gibt es offensichtlich eine Mehrheit für eine Seilbahn, aber die meisten sprechen sich gegen den Standort Bahnhof aus, bevorzugen eine bessere Busverbindung oder eine kleinere Seilbahn mit Halt direkt im Dorf St.Andrä.

Zu Recht wird deshalb diese Fragestellung von vielen Bürgern und mittlerweile auch von der Mehrheit der Gemeinderäte abgelehnt, die eine Fragestellung mit einer Auswahl favorisieren. Warum blocken der Bürgermeister und die SVP eine Fragestellung mit einer Auswahl ab?

Warum blocken der Bürgermeister und die SVP eine Fragestellung mit einer Auswahl ab?

Als Gründe für das Festhalten werden immer genannt: die Finanzierbarkeit ist nur am Bahnhof gegeben und man kann die Bevölkerung nicht über Alternativen abstimmen lassen, die nicht durchführbar sind. Abgesehen davon, dass die Finanzierung auch beim Bahnhof nicht gesichert ist und weitere Probleme noch nicht gelöst sind, gibt es durchaus Alternativen, die realisierbar sind und den Ploseberg besser erschließen.

Der tatsächliche Grund ist nicht neu, aber richtig peinlich, deshalb wird er nicht erwähnt. Er liegt in der Satzung und Verordnung über die Volksabstimmung, die sich der Gemeinderat mit der politischen Mehrheit gegeben hat. Paragraph 46 der Satzung:


9. Die der Volksabstimmung unterzogene Fragestellung hat die erforderliche Zustimmung erlangt, wenn sie die Mehrheit
der gültigen Ja-Stimmen erhalten hat, sofern diese Mehrheit mindestens 25% der Stimmberechtigten bei der Volksabstimmung beträgt.

10. Das Ergebnis der Volksabstimmung bindet die Gemeindeverwaltung und den Gemeinderat.

Peinlich deshalb, weil die ursprüngliche Intention, die Bürgerinitiativen auszubremsen, jetzt der BM und die 3S-Fans selbst verspüren. Bei ungefähr 16.000 Wahlberechtigten sind 25% mindestens 4.000 Wähler, die mit “Ja” stimmen müssen. Sobald man eine richtige Wahlmöglichkeit in Form von Alternativen zulässt wie Seilbahn oder Shuttlebus, Standort Bahnhof oder Milland, dann teilen sich die Stimmen auf und es müssen bereits bei 2 Varianten mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten gültig abstimmen, damit sicher ein Ergebnis herauskommt. Ohne Zustimmung bei der Abstimmung bleiben nur die Kosten des Referendums und mindestens 3 Jahre Wartefrist, bis zum gleichen Thema etwas unternommen werden kann.

Der “Brixner” hatte ein Voting im Januar 2012 aufgesetzt mit dem Ergebnis, dass 51,56 % der Abstimmenden Milland als Standort bevorzugen, während nur 26,99% den Bahnhof wollten.

Somit sollte klar sein, wer Angst vor einer Fragestellung mit Wahlmöglichkeiten für den Bürger hat. Denn nur mit der vom BM favorisierten Fragestellung und dem bereits spürbaren Druck durch die Medien (Tourismus, Arbeitsplätze, Bahnhofsanierung) besteht eine Chance die Zustimmung durch das Referendum zu erlangen. Dass er dabei uns Mitbürger in eine Wahl zwingen will, die wir mehrheitlich nicht haben wollen, und die Schuld für das Nichtzustandekommen der Wahl dem politschen Gegner zuweist, sollten wir nicht vergessen.

Das Prinzip durch Hinzufügen von Alternativen die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu verringern ist kein ungewollter Fehler sondern hat Methode. Der Gemeinderat kann mit 60% der Stimmen damit eine unliebsame Bürgerinitiative scheitern lassen.

Paragraph 46 der Satzung:


2. Der Gemeinderat kann in den Sachbereichen seiner Zuständigkeit mit einer Zwei-Drittelmehrheit der zugewiesenen Mitglieder eine Volksabstimmung veranlassen. Der Gemeinderat kann mit der Mehrheit von 60% der zugewiesenen Mitglieder einen Gegenvorschlag zu einer für durchführbar erklärten Volksabstimmung genehmigen.
 

Was mir am meisten Sorgen bereitet: Kein Politiker hat dieses Problem aufgezeigt, kein Journal/Radio/Fernsehen hat davon berichtet. Statt dessen lese ich in der Zeitung, dass Konstruktionen gesucht werden, die einerseits nur Ja/Nein enthalten, das Nein aber anders zu bewerten ist.

Deshalb mein Appell an die Gemeinderäte:

Keine faulen Kompromisse, keine erpresserischen Fragestellungen, kein Referendum um jeden Preis, sondern einigt Euch auf ein praktikables Reglement zur Direkten Demokratie, das die Bürger nicht abwimmelt und abblockt, sondern auf Augenhöhe behandelt und beteiligt. Wenn Ihr wirklich wollt, die parteilichen Grabenkriege vergesst, dann ist ein anschließendes Referendum vielleicht noch in diesem Jahr möglich.

Hinweis: Es ist mir nicht gelungen Bilder mit Bildunterschriften so zu platzieren, dass sie den Text ergänzen, deshalb bitte auch hier nachsehen.