Chronik | Gericht

Kuhns Rückzieher

Wende in der Causa Kuhn: Der künstlerische Leiter der Festspiele Erl zieht zwei Klagen gegen Markus Wilhelm zurück. Und erspart sich somit einen heiklen Prozesstag.
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Foto: www.gustavkuhn.at

So schnell kann sich der Wind drehen. Erst am Dienstag Abend dieser Woche hatte das ORF-Format „Seitenblicke“ zur besten Sendezeit des staatlichen österreichischen TV-Senders gewissermaßen eine Reinwaschung des skandalgeplagten künstlerischen Leiters der Festspiele Erl zelebriert. Das Setting? Gustav Kuhn in bester Adabei-Gesellschaft auf seiner Accademia di Montegral im Convento dell’Angelo in der Provinz Lucca. Im Beitragstext wird an die Vorwürfe erinnert, die auf Markus Wilhelms Blog aber auch von zahlreichen in- und ausländischen Medien gegen den Maestro erhoben worden waren. „Anschuldigungen, die, wie sich nun herausstellt, aber haltlos waren“, erklärt der Sprecher im OFF. Gefolgt von O-Tönen Kuhns - „Aufgeben für Dummheit oder Bosheit oder Gemeinheit oder für Hass – nein das finde ich völlig verkehrt herum“ - und seines Anwalts Michael Krüger. „Man kann nur versuchen, durch Rechtsmittel den guten Ruf wieder herzustellen, aber letztlich muss man sagen: Irgendetwas wird immer hängenbleiben“, erklärt er. Als noch passionierterer Kuhn-Anwalt tritt der ehemalige österreichische Bundekanzler Alfred Gusenbauer auf: „Es ist eine schreckliche Zeit weil es kein Anstandsgefühl mehr gibt“, meint er. „Jeder kann über jeden alles behaupten. Das wird meiner Meinung nach noch ganz schlimm enden, weil wir uns von der Demokratie in Richtung Verleumdungsgesellschaft entwickeln.“

Nur zwei Tage später gibt es ein ganz anderes Ende – die überraschende Beendung des Medienprozesses, der seit April in Innsbruck gegen den Tiroler Aufdecker Markus Wilhelm läuft. Darin waren die beiden Klagen zusammengefasst worden, die Kuhn in Folge der Veröffentlichungen auf Wilhelms Blog „dietiwag.org“ wegen übler Nachrede und Verletzung der Unschuldsvermutung eingereicht hatte. Klagen, die Kuhn und sein Anwalt nun wieder zurückzogen – kurz vor dem dritten Verhandlungstag am kommenden Dienstag, den 22. Mai, für den unter anderem die Einvernahme der dritten Zeugin der Verteidigung, einer bekannten deutschen Sängerin, aber auch des Maestros selbst auf dem Programm standen. Kuhn war bei den ersten beiden Verhandlungen abwesend gewesen; am dritten Verhandlungstag werde er aber kommen, hatte sein Anwalt Krüger im Vorfeld versichert.

"Geste des guten Willens"

Nun dagegen gibt es keinen dritten Verhandlungstag mehr. Weil der Prozess mit den Sängerinnen, die von der Verteidigung als unerwartete Zeuginnen geladen wurden, zum Bumerang für den Dirigenten und Festspiel-Leiter zu werden drohte, wie salto.bz bereits nach dem zweiten Prozesstag in den Raum stellte? Damals hatte eine österreichische Opersängerin in einer langen und sehr emotionalen Einvernahme äußerst detailliert ihre Erlebnisse mit Gustav Kuhn nachgezeichnet.„Kuhn hätte verloren, er wäre untergegangen“, beantwortet Markus Wilhelm die Frage im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA). Er habe den Aussagen der Zeuginnen nichts entgegen zu setzen, meinte der Blogger. 

Von Seiten der Festspiele wurde der Rückzug dagegen als Geste des guten Willens verkauft. Da Herr Wilhelm öffentlich geäußert habe, er solle offenbar durch diese Entschädigungsverfahren „um Haus und Hof gebracht werden“, setzen Festspiele Präsident Hans Peter Haselsteiner und Maestro Kuhn nun diesen Schritt, wurde der Medienbetreuer der Festspiele Josef Kalina von der APA zitiert. So könne man klar stellen, dass „weder Haselsteiner noch Kuhn Herrn Wilhelm in den Ruin treiben wollen“. 

„Die beim Landesgericht Innsbruck eingebrachte Zivilklage gegen die verleumderischen Behauptungen, Maestro Kuhn habe Künstlerinnen sexuell genötigt oder vergewaltigt, läuft selbstverständlich weiter“, unterstrich Anwalt Krüger jedoch gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur. Auch diese Verfahren könne rasch beendet werden, wenn Markus Wilhelm die Beschuldigungen zurücknimmt und sich entschuldigt, meint er. Der Anwalt wies weiters darauf hin, das bisher sämtliche Klagen gegen Markus Wilhelm erfolgreich gewesen seien. Dabei bezieht er sich einerseits auf drei rechtskräftige einstweilige Verfügungen, die vom Landesgericht Innsbruck gegen den Blogger erlassen worden waren. Im Hauptverfahren der Klage der Tiroler Festspiele Erl und im Hauptverfahren der Klage von Haselsteiner seien darüber hinaus jeweils Versäumungsurteile ergangen. Weiters sei der Blogger wegen Verstoßes gegen eine der einstweiligen Verfügungen sowie wegen Nicht-Veröffentlichung der Einleitung des medienrechtlichen Verfahrens zu Geldbußen und Kostenersatz verurteilt worden. 

Markus Wilhelm wirkt in jedem Fall nicht so, als würde er beabsichtigen, zur Abwendung der Zivilklage ebenfalls eine „Geste des guten Willens“ zu setzen. Auch dieser Klage sehe er gelassen entgegen, erklärt der Aufdecker. „Ich fürchte mich nicht, es gibt Zeuginnen“. Vielmehr prognostizierte er im APA-Gespräch bereits den Abgang Kuhns von den Festspielen. „Kuhn wird in Erl nicht zu halten sein. Es wird in den kommenden Tagen einiges passieren, auch politisch“, meint der Blogger.