Politik | Kriminalität

Überwachung oder Integration?

Der Meraner Bürgermeister Dal Medico fordert angesichts krimineller Vorfälle mehr Polizei. Vizebürgermeisterin Zeller will das Problem an der Wurzel packen.
Dario Dal Medico
Foto: KARLHEINZ SOLLBAUER
In Meran gibt sich Bürgermeister Dario Dal Medico auf Facebook über die jüngsten Vorfälle von Gewalt und Kriminalität alarmiert. Die Sozialarbeiter:innen wissen, das Problem gibt es nicht erst seit heute. Es steht die Frage im Raum, ob öffentliche Gelder für Überwachungskameras und mehr Sicherheitskräfte oder für Präventions- und Integrationsarbeit eingesetzt werden sollen.
 
Wir leben in einem extrem reichen Land - Thomas Kobler
 

Die Spuren der Pandemie

 
„Angesichts der Schwere und Häufigkeit der kriminellen Vorfälle in Meran wäre es nicht nur falsch, sondern vor allem eine schwere Missachtung der Empfindlichkeiten unserer Gemeinschaft, wenn man auch nur in die Versuchung käme, das Geschehen zu verharmlosen“, schreibt der Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico am 17. Mai auf Facebook.
Die Meraner Bevölkerung würde sich zunehmend in einer Notsituation befinden. Er fordert mehr Polizeikräfte und mehr Präsenz vor Ort. Denn Sicherheit sei das Recht von allen. Dass Vorfälle von Gewalt häufiger geworden seien, bestätigte auch kürzlich der Sozial- und Jugendarbeiter Besay Mayer, der den Jugendtreff Jungle in Meran leitet, im Gespräch mit salto.bz. Nach zwei Jahren Pandemie sei die Situation für viele Menschen nicht besser, sondern schlechter geworden. Die Unzufriedenheit zeige sich auch im öffentlichen Raum.
 
Als Bürgermeister hat man null Einfluss auf die Polizei - Paul Rösch
 
Der Sozial- und Kulturarbeiter Thomas Kobler unterstreicht diesen Teil der Erzählung, der in der öffentlichen Debatte wenig thematisiert werde. „Wir leben in einem extrem reichen Land. Viele Jugendliche mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund sehen diesen mondänen Lebensstil mit Zweitwohnsitz, Villen und Autos in der Kurstadt Meran“, so Kobler. Gleichzeitig seien sie mit Armut konfrontiert und stünden unter Druck, sich und ihre Familien zu ernähren, sie würden sich in die Enge getrieben fühlen.
„Diese Erzählung rechtfertigt Gewalt, Einbruch und Drogenhandel nicht, aber sie erklärt illegale Handlungen teilweise“, betont er. Um wirklich Lösungen für solche Probleme zu finden, brauche es eine ganzheitliche Debatte. In dieser sollten auch die Nöte von Menschen, die im Billig-Lohnbereich arbeiten und teilweise einen Migrationshintergrund haben, berücksichtigt werden.
 
 

Prävention statt Polizei

 
Der ehemalige Bürgermeister Paul Rösch weiß um die Problematik. „Als Bürgermeister hat man null Einfluss auf die Polizei, denn diese untersteht dem Regierungskommissar. Die Polizeikräfte sind zurzeit nicht gut aufgestellt und werden mehr in Gebieten eingesetzt, wo es härter zugeht als in Südtirol“, so Rösch. Der Spielraum der Gemeinde sei hier also gering.
 
 
Allerdings hätten die Gemeinden sehr wohl andere Hebel in der Hand: „Ich denke, in Zukunft werden die Gemeinden danach beurteilt, wie sehr sie sich in der Präventions-, Jugend- und Kulturarbeit engagieren“, sagt der ehemalige Bürgermeister von Meran. „Das müssen wir auch in Meran lernen.“ Hier spiele die Integration von neuen Meraner:innen eine große Rolle, da die Zuwanderung durch den Klimawandel eher steigen als abnehmen werde.
 
Das Problem muss an der Wurzel angepackt werden - Katharina Zeller
 

Verteilung von Geldern

 
Die Politik müsse sich fragen, ob sie Gelder in neue Bauprojekte, in den Tourismus oder in soziale oder kulturelle Bereiche investiert. Die Liste Rösch / Grüne habe etwa während ihrer Regierungszeit in Meran die Schulen, Kindergärten und den sozialen Bereich gefördert. „Ich hoffe, dass der Bürgermeister in diese Richtung weitergeht“, so Rösch.
 
 
Auch Vizebürgermeisterin Katharina Zeller will das Problem an der Wurzel packen. „Meran wird immer wieder als Stadt mit Sicherheitsproblem gehändelt“, schrieb sie vor kurzem auf Facebook. „Was tun dagegen? Von der Gemeindepolitik wird ein ‚hartes Durchgreifen‘ gefordert. Aber wie? Selbst wenn die Gemeindepolizei die Ressourcen hätte, sich um die Sicherheit in der Stadt zu kümmern, könnte sie wohl kaum omnipräsent sein, um eventuelle Gewaltexzesse zu verhindern“, so Zeller.
Nach zwei Jahren Pandemie sei es an der Zeit, sich endlich ernsthaft um die Bedürfnisse junger Menschen zu kümmern. Eine Vorzeigeprojekte sei dabei der Jungle Music Incubator: „Junge Menschen, auch jene, die sich in unserer Gesellschaft nicht leicht zurechtfinden, werden aufgefangen, begleitet und stimuliert“, schreibt sie über das Projekt. Ob nach dem Lob noch weitere Schritte folgen, bleibt abzuwarten.

 

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Dietmar Nußbaumer Mi., 18.05.2022 - 21:32

Es ist nicht so, dass ausschließlich Immigrantenkinder auffällig werden. Jeder Euro, der in ein gut organisiertes Auffangbecken für auffällige Kinder gesteckt wird, erspart später teurere Maßnahmen. Selbst Gefängnisse sind teurer, abgesehen davon hat der Staat wohl selbst für die keinen Cent übrig.

Mi., 18.05.2022 - 21:32 Permalink