Chronik | Parteieinfinanzierung

Als ob nichts gewesen wäre

45,5 Mio. Euro sind für die italienischen Parteien für 2013-2014 freigegeben. Obwohl die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden. Palermo: "Eine kleine Schande."

Als “Feigenblatt-Gesetz” bezeichnete Gerhard Mumelter das Dekret, mit dem die Regierung Letta 2013 die schrittweise Abschaffung der öffentlichen Parteienfinanzierung beschloss. “Ein dürftiger Kompromiss”, der unterm Strich den Parteien über andere Kanäle wie etwa privaten Spenden nach wie vor Millionensummen garantieren würde. Bereits Anfang der 1990er Jahre sprach sich die italienische Bevölkerung in einem Referendum dafür aus, den Parteien des Landes die Zuschüsse aus der Staatskasse zu streichen. Doch unter dem Deckmantel der “Rückerstattung der Wahlspesen”, wie die Parteien im Parlement die Finanzspritzen kurzerhand umbenannten, bezogen sie auch weiterhin öffentliche Beiträge. Insgesamt an die 10 Milliarden Euro flossen im Laufe der vergangenen vierzig Jahre in die Kassen von Italiens Parteien. Angesichts der zahllosen Skandale kaum mehr zu rechtfertigen.

Aus diesem Grund packte die Regierung Letta die Sache vor gut zwei Jahren erneut an. Und siehe da, man fand schließlich eine Mehrheit im Parlament, die sich für die schrittweise Abschaffung der Parteienfinanzierung aussprach. Doch erst 2017 soll der Geldhahn endgültig zugedreht werden. Bis dahin werden ab 2013 Jahr für Jahr weniger Beiträge ausgezahlt. Minus 25 Prozent für 2014, minus 50 Prozent für 2015 und minus 75 Prozent im Jahr 2016. Doch die italienischen Parteien haben bis heute keinen Cent für die vergangenen zwei Jahre gesehen. Der Grund dafür ist ein “kleiner Skandal”, wie Senator Francesco Palermo meint.


Kleiner Skandal

Das Gesetz, mit dem Letta 2013 die schrittweise Abschaffung einführte, sieht unter anderem die Einrichtung einer Garantiekommission vor. Diese hat die Aufgabe, die Budgets und die Haushalte der einzelnen Parteien zu prüfen. Erst dann können die Gelder ausbezahlt werden. “Aber diese Kommission hatte – anscheinend – kein Personal und daher nicht die Möglichkeit, diese Kontrollen wirklich durchzuführen”, sagt Francesco Palermo im Gespräch mit salto.bz.

Es war also niemand da, der die Überprüfung der Bilanzen vornahm. Insgesamt 45,5 Millionen Euro wurden dadurch vorübergehend eingefroren. Verständlich, dass unter den Parteien der Missmut stieg. Doch die Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so machte sich der PD-Abgeordnete Sergio Boccadutri daran, einen neuen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Mit diesem sollten die eingefrorenen Gelder wieder freigegeben werden. Trotz der nicht stattgefundenen Kontrolle durch die Garantiekommission. “Die Parteien haben sich an das Gesetz gehalten und die Bilanzen vorgelegt”, rechtfertigte Boccadutri seinen Vorstoß, “die Kommission war es, die ihre Arbeit unterbrochen hat, anfangs sogar ohne dies mitzuteilen.” Erst im Juni dieses Jahres hatte der Vorsitzende der Kommission, Luciano Calamaro vom Rechnungshof den beiden Kammerpräsidenten in Bezug auf die fehlenden personellen und finanziellen Ressourcen mitgeteilt: “Unter diesen Umständen können wir nicht arbeiten.”


So, als wäre nichts gewesen

Wie schnell das italienische Parlament ausnahmsweise arbeiten kann, wenn es um ihre Gelder geht, zeigt die rasche Verabschiedung des Gesetzentwurfs Boccadutri. Anfang September gab die Abgeordnetenkammer ihr Ok, vergangene Woche, am 15. Oktober, schließlich der Senat. “Dieses Gesetz ist eine Art condono, ein Straferlass, mit dem gesagt wird, tun wir so, als ob diese Kontrollen in den Jahren 2013 und 2014 nicht vorgesehen gewesen wären und zahlen diese Gelder trotzdem aus”, erklärt Francesco Palermo. Er selbst war diese Woche am Balkan unterwegs und nicht anwesend, als im Senat nach einer rekordverdächtig kurzen Sitzung (die nur drei Stunden dauerte) 148 Senatoren “Ja” und 44 “Nein” – bei 17 Enthaltungen – zur Auffrierung der Gelder sagten. Dagegen stimmten die 5-Sterne-Bewegung sowie die Lega Nord. Die Senatoren von SEL enthielten sich.

“Alle Parteien, die Zugang zur öffentlichen Finanzierung haben, können nun mit Geldern für die vergangenen zwei Jahre rechnen”, so Palermo. Der SVP etwa wird die Summe von etwa einer halben Million Euro ausbezahlt. Gleichzeitig wird mit dem Boccadutri-Dekret auch die Garantiekommission aufgestockt, finanziell wie personell. Dass die Kontrollen wie vom Gesetz seit 2013 vorgesehen nicht durchgeführt wurden, bezeichnet Palermo als “kleine Schande”. “Aber es ist jetzt nicht der Riesen-Skandal wie manche behaupten. Da haben wir schlimmere Sachen im Parlament.”

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maurizio ferrazin Mi., 21.10.2015 - 15:12

GRAZIE ALLA SVP......Modifiche all'articolo 9 della legge 6 luglio 2012, n. 96, concernenti la Commissione di garanzia degli statuti e per la trasparenza e il controllo dei rendiconti dei partiti politici.
Hanno votato a favore:
BERGER Hans, Aut (SVP, UV, PATT, UPT)-PSI-MAIE
ZELLER Karl, Aut (SVP, UV, PATT, UPT)-PSI-MAIE

Mi., 21.10.2015 - 15:12 Permalink