Gesellschaft | Vinorosso

„MusikA“ – eine Schule per tutti

Die Südtiroler Band Vinorosso eröffnet die zweisprachige Musikschule „MusikA“ im Meraner Jugendzentrum JUNGLE.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: ©Vinorosso

Seit diesem Herbst darf Südtirol die Bandmitglieder von Vinorosso nicht mehr nur auf der Bühne genießen, sondern begegnet ihnen auch im Musikzimmer. Die Südtiroler Band eröffnete am 16. September die Musikschule „MusikA“ im Jugendzentrum „JUNGLE“ in Meran. Seit zehn Jahren macht die multikulturelle Gruppe gemeinsam Musik. Nun will sie ihre beiden größten Schätze dem jungen Nachwuchs weitergeben: Multikulturalität und Leidenschaft für die Musik.

Im Interview mit Salto.bz erzählen Simon Staffler und Thomas Ebner über die prekäre Lage der Musikschulen in Südtirol, ihre Schwierigkeiten, Finanzierung zu erhalten, und wie sie durch die Sozialgenossenschaft MusikA eine Schule für Alle schaffen wollen, die nicht nur das Musizieren lehrt, sondern auch, den Umgang miteinander über Sprachgrenzen hinweg.

 

Salto.bz: Ihr seid vor neun Jahren als Band gestartet, jetzt legt ihr noch eins drauf und gründet eine Musikschule. Wie kam es zu dieser Idee?

Thomas: Diese Idee tragen wir bereits seit längerem mit uns herum. Die meisten von uns unterrichten seit Jahren als Instrumentallehrer. Sich als Lehrer in unserem Schulsystem zurechtzufinden ist aber durchaus schwieriger als man glauben würde. Zum einen gibt es vielfach nur befristete Jahresstellen, zum anderen sind es nur wenige Stunden pro Schule, welche jährlich aufs Neue ausgeschrieben werden. Man muss alle Jahre um seinen Arbeitsplatz bangen und in der Regel in mehreren Schulen, nicht selten über ganz Südtirol verteilt, gleichzeitig unterrichten. Abgesehen davon, dass dies alles andere als umweltfreundlich ist, führt es dazu, dass man in keiner Schule wirklich langfristig planen und die Schüler langfristig begleiten kann. Dem gegenüber stehen endlose Wartelisten an zahlreichen Musikschulen unseres Landes.

 

„Sich als Lehrer in unserem Schulsystem zurechtzufinden ist schwieriger als man glauben würde. Daher möchten wir ein modernes Zusatzangebot bieten“

 

Simon: Ganz genau auf den Punkt gebracht! Das Grundprinzip unserer Musikschule ist es unsere Kompetenzen mit der seit längerem anhaltenden Situation in Südtirols Schulen zu bündeln und so ein modernes Zusatzangebot zu bieten.

 

Eine Idee wird nicht immer zu einem handfesten Projekt. Bei euch hat es geklappt. Wie blickt ihr auf diese Zeit zurück?

Simon: Um ehrlich zu sein gibt es nicht so viel zum Zurückblicken, denn wir befinden uns immer noch mitten in der Gründungsphase – obwohl die MusikA bereits seit 16. September operativ ist. Um eine private Schule mit fairen Preisen gründen zu können, braucht es hauptsächlich Räumlichkeiten und Beiträge. Die Räumlichkeiten haben wir im Jungendzentrum JUNGLE in Meran gefunden, doch bei den Finanzierungen haben wir bisher auf Granit gebissen, da bei einem Finanzierungszuschuss von Seiten des Landes an eine private Einrichtung sich die zuständigen Ämter ein Scheitern eingestehen müssten.

Thomas: Von einigen werden wir wohl als Konkurrenz wahrgenommen, so als würden wir jemandem etwas wegnehmen, doch wenn heute in Meran hunderte Kinder auf der Warteliste der Musikschule stehen und jahrelang warten müssen, um ein Instrument lernen zu dürfen, dann müssen wir hier gemeinsam eine Lösung finden. Wir möchten hier ein zusätzliches Angebot bieten und Teil dieser Lösung sein.

 

„Bei den Finanzierungen haben wir bisher auf Granit gebissen. Als Sozialgenossenschaft ist es uns aber wichtig eine Schule für alle zu schaffen und nicht für eine finanzielle Elite“

 

Simon: Ich darf hinzufügen, dass wir die Finanzierungen benötigen, um einen für die Student*innen kostengünstigeren Unterricht anbieten zu können und nicht um weiß Gott was für Investitionen zu tätigen oder Manager-Gehälter zu bezahlen. Zurzeit kostet ein Kurs bei uns 950,00 € für 30 Einheiten zu 50 Minuten. Im Vergleich: die Landesmusikschule kostet 220,00 € für die gleichen Stunden, was wir befürworten, aber das heißt wir „müssen“ aktuell vier Mal so teuer sein, um Kosten und Spesen zu decken. Als Sozialgenossenschaft ist es uns aber wichtig eine Schule für alle zu schaffen und nicht für eine finanzielle Elite.

 

Der Titel eurer neuen Musikschule deutet es bereits an: MusikA steht für Zweisprachigkeit und soll nicht nur ein Ort sein, wo Kinder musizieren, sondern auch, wo sich Kulturen treffen und austauschen. Wie kann Musik zum Kulturaustausch beitragen?

Simon: Musik ist eine Sprache, die wir alles sprechen und es kann nicht sein, dass Deutsche und Italiener in deutsche Musikschulen und italienische Musikschulen (zum Teil auch politisch gewollt) getrennt werden. Vor allem Kindern ist es ja total egal, ob ihr*e Freund*in Italiener oder Deutscher (oder Schwarz oder Weiß, etc.) ist. Mich nervt es ehrlich gesagt jedes Mal, wenn ich das ausführlich Beschreiben muss, denn ich erwarte mir eigentlich, dass wir im Jahr 2019 alle „Südtiroler*innen“ sind – egal welche Sprache wir sprechen. Die MusikA verkörpert dieses Bild als Räumlichkeit, als Ort, als Gedanke. Da ist das Jugendzentrum JUNGLE besonders hilfreich.

 

Wie darf man sich diese Mischung aus Musik und Multikulturalität vorstellen?

Thomas: Zum einen kann jeder zu uns kommen und in der Sprache unterrichtet werden, die er/sie gerne hätte. Wir haben z.B. deutschsprachige Eltern, die ihr Kind bei uns zum Kurs schicken und ausdrücklich möchten, dass ihr Kind auf Italienisch unterrichtet wird. So wird quasi spielerisch neben dem Instrument auch noch eine zweite Sprache erlernt und gepflegt. Das ist doch wundervoll! Zum anderen schaffen wir beim Musizieren in Gruppen einen Begegnungspunkt zwischen Kindern deutscher - und italienischer Muttersprache, aber natürlich auch Kindern anderer Herkunft. Sie haben ein gemeinsames Interesse: die Musik. Das Erlernen der Sprache geht dann fast spielerisch nebenbei. Da spielt die Herkunft oder die Muttersprache keine Rolle mehr und so entstehen Bekanntschaften und Freundschaften, welche sonst vielleicht, auch heute noch, nicht möglich gewesen wären. Unsere Gesellschaft tendiert dazu Kinder häufig - nicht nur in der Schule sondern auch bei Freizeitaktivitäten - der Muttersprache entsprechend zu trennen. Wir müssen uns endlich auf unsere Gemeinsamkeiten besinnen und nicht immer das hervorheben, was uns trennt.

 

Auch in eurer eigenen Musik spielt die Sprachenvielfalt eine wichtige Rolle. Wie kommt es, dass dieses Thema eure Musik dominiert?

Simon: Da gibt es ehrlich gesagt keine genaue Erklärung. Wir versuchen so authentisch wie möglich zu sein - und das ist halt mal mehrsprachig. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe das Sprachenlyzeum besucht, während meiner Studienzeit noch eine Sprache gelernt, reise viel. Heute spreche ich fünf Sprachen (zwei mittlerweile eher schlecht als recht aber dennoch) und bin nach wie vor überzeugt, dass Sprache und somit Kommunikation der Schlüssel zu besserem Verständnis und zu einer besseren Welt ist.

 

Wieviel von VINOROSSO fließt in die Schule mit ein? Werdet ihr selbst Kinder und Jugendliche unterrichten? Oder wird es den ein oder anderen Auftritt von euch gemeinsam mit dem jungen Nachwuchs geben?

Simon: Wir versuchen die Student*innen so objektiv wie möglich zu unterrichten, so viel ist klar. Thomas, Stefano, Christian und Dominik sind VINOROSSO-Bandmitglieder und gleichzeitig Dozenten, ich selbst unterrichte nicht, sondern kümmere mich um die verwaltungstechnischen Fragen und vertrete die MusikA nach außen.

 

„Unsere Gesellschaft tendiert dazu Kinder häufig - nicht nur in der Schule sondern auch bei Freizeitaktivitäten - der Muttersprache entsprechend zu trennen. Ich erwarte mir, dass wir im Jahr 2019 alle „Südtiroler*innen“ sind – egal welche Sprache wir sprechen. Die MusikA verkörpert dieses Bild“

 

Thomas: Ein Auftritt mit unseren Student*innen ist sicher nicht ausgeschlossen. Es wird – wie bei anderen Musikschulen auch – verschiedene Vorspiele und Konzerte geben, wer weiß was da alles passiert.

 

Wie sind die ersten Eindrücke seit der Eröffnung von MusikA am 16. September?

Simon: Die ersten Reaktionen sind super-positiv! Wir bekommen fast täglich Anmeldungen. Das freut uns sehr. Auch bekommen wir bereits Anfragen von anderen Lehrern, die gerne in der MusikA unterrichten möchten. Das schmeichelt uns, wenngleich wir aber gerne langsam beginnen und Schritt für Schritt die richtigen Ziele setzen möchten. Ich möchte unterstreichen, dass wir die MusikA wachsen lassen möchten, allerdings sind wir uns bewusst, dass es hierzu einer Finanzierung von außen bedarf – egal ob staatlich, provinziell, oder von Seiten von privaten Gönnern und Sponsoren.

 

Welches sind eure kommenden Pläne als Band? Werdet ihr eure eigene Musik nebenher dennoch weitermachen, oder widmet ihr euch jetzt hauptsächlich der Musikschule?

Simon: Eine Bedingung war immer, dass „falls“ wir eine Musikschule eröffnen, wir uns immer weiterhin auf unsere eigene Musik konzentrieren wollen. Und das tun wir auch. Wir sind leidenschaftliche Musiker und Komponisten, stehen im Durschnitt zwischen 30 und 40 Mal im Jahr auf der Bühne im In- und Ausland.

 

„Sprache und somit Kommunikation ist der Schlüssel zu besserem Verständnis und zu einer besseren Welt“

 

Thomas: Genau diese Leidenschaft möchten wir ja auch unseren Schülern weitergeben. Es sollte eigentlich normal sein, dass Instrumentallehrer auch aktive Musiker sind, welche regelmäßig auf der Bühne stehen und Konzerte geben.

 

Wer sich informieren oder das Projekt unterstützten möchte, kann die Band hier kontaktieren: [email protected]