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Werde Klimatarier!

Sich gesund und gleichzeitig klimafreundlich ernähren – geht das?

Klimafreunldlich bedeutet auch, seine Lebensmittel auf dem regionalen Wochenmarkt einzukaufen.
Foto: (c) unsplash

Früher lautete die Frage „nur“: Wie ernähre ich mich gesund?

Dazu haben viele Wissenschaftler*innen Vieles herausgefunden. Wir alle wissen inzwischen, dass eine gesunderhaltende Ernährung aus Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen und Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß aus hochwertigen, am besten biologisch hergestellten Lebensmitteln bestehen sollte und dazu abwechslungsreich und ausgewogen sein soll.

Heute, im Zeitalter des Klimawandels, hat sich die Frage verändert: Wie ernähre ich mich, damit ich gesund bleibe und meine Ernährung gleichzeitig klimafreundlich und umweltschonend ist?

Sich klimafreundliche zu ernähren bedeutet, sich so zu ernähren, dass man mit der Umwelt möglichst schonend umgeht. Legt man diesen Gedanken zu Grunde, kann das Essen auf dem Teller auf einmal stark verändern sein.

Beispiel: Ernähre ich mich „nur“ gesund, können auf meinem Speiseplan hier in Südtirol durchaus Avocados, Gojibeeren, Chiasamen, Cashewkerne, Bananen u.v.m. stehen. Schaue ich das unter dem Aspekt der Klimafreundlichkeit an, fällt Avocado ganz weg, da die Herstellung zum einen viel Trinkwasser verbraucht und Avocados einen weiten Transportweg haben. Gojibeeren aus China würden durch heimische Heidelbeeren ersetzt werden, mexikanische Chiasamen durch heimische Leinsamen. Und statt Bananen würde man Äpfel, Birnen und Pflaumen essen.

Tatsächlich hat eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sogenannte EAT-LANCET-Kommission, herausgefunden, wie DIE klimafreundliche Ernährung auszusehen hat. Diese Ernährung nennt sich Planetary Health Diet. Sie berücksichtigt neben den Aspekten zur Gesunderhaltung des Menschen auch Aspekte einer umweltschonenden Ernährung. Das Maß, in dem beide Seiten berücksichtigt werden, heißt ökologischer Fußabdruck. Auf dieses Maß werde ich im nächsten Artikel genauer eingehen.

Die Kommission hat Strategien entwickelt, die fast alle mit der Art und Weise, wie wir uns ernähren zu tun haben. Denn eines ist inzwischen ganz klar: Die Gesundheit von uns Menschen und die Gesundheit der Erde können nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden.

Ein kleines Beispiel: Jeder weiß, dass das Essen von Obst und Gemüse wichtig ist. Sie liefern uns wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe. Tatsächlich sind laut dem Planetary Health Report 35% der weltweit erzeugten Lebensmittel von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Wird diese Gruppe von Lebensmitteln weiterhin mit dem Gebrauch von Insektiziden produziert, sterben immer mehr Insekten. Die Insektenpopulation ist weltweit bereits stark geschrumpft. Wie können wir uns noch mit Vitaminen versorgen, wenn wir gleichzeitig die zur Obst- und Gemüsegewinnung notwendigen Insekten stark reduzieren?

Dasselbe Dilemma haben wir mit Fisch. Fisch liefert uns Menschen hochwertiges Eiweiß und essentielle Fettsäuren. Wie wollen wir das Vorhandensein dieses Lebensmittel in Zukunft garantieren, wenn wir zum einen die Meere überfischen, bald also keine Fische mehr vorhanden sind. Auf der anderen Seite verschmutzen wir die Meere so stark, dass Seefisch aufgrund der belastenden Inhaltsstoffe nicht mehr genießbar sein wird?

Die Strategien der Kommission kann man kurz und knapp zusammenfassen. Eine Ernährung, die die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützen soll, verdoppelt in etwa den Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen und halbiert den Verzehr von Fleisch und Zucker.

Die Empfehlungen der EAT-LANCET-Kommission entsprechen exakt dem, was man heute unter Flexitarier versteht, also Fleisch ja, aber in sehr geringen Mengen.

  1. Jeden Tag sollen mindestens 300g Gemüse gegessen werden. Davon sollten 100g rotes und 100g grünes Gemüse sein.
  2. Ebenfalls sollte pro Tag etwa 230g Vollkornprodukte verzehrt werden. Dazu zählen nicht nur Nudeln und Brot aus Vollkorngetreide, sondern auch mindestens 75g Hülsenfrüchte, wie Linsen, Bohnen oder Erbsen.
  3. Eier sollten nur sehr sparsam gegessen werden. Laut der Kommission nicht mehr als ein Ei pro Woche. Hier gilt es zu beachten, dass auch in diversen Backwaren Eier versteckt sind!
  4. Pro Woche stehen jedem Erdenbewohner 200g Fisch zur Verfügung. Spart man an anderer Stelle tierisches Eiweiß ein, darf es auch etwas mehr sein.
  5. Auch wenn die Empfehlung eher hin zu einer vegetarischen Ernährung geht, kann auch ein kleines Stück Fleisch pro Woche verzehrt werden (~200g Hühnerfleisch oder 100g Rind, Schwein oder Lamm). Diese Menge beinhaltet auch Wurst und Schinken! Voraussetzung für Fleisch und Fisch ist immer, dass es regional, biologisch und unter dem Aspekt des Tierwohls hergestellt wurde.
  6. Milch und Milchprodukte sind nur in geringen Mengen erlaubt. Täglich sollte es pro Person nicht mehr als ¼ Liter sein. Das kann Milch pur ODER 250g Käse ODER 250g Joghurt sein!
  7. Wovon man mehr essen darf, als es heute dem Durchschnitt entspricht, sind Nüsse. Nüssen enthalten hochwertige Fettsäuren und Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie können in etwas 50g pro Tag verzehren. Auch die Nüsse sollten bevorzugt heimisch sein, also hier in Südtirol Walnüsse und Haselnüsse.
  8. Von allem, was süß macht (Honig, Agavendicksaft, Ahornsirup, Zucker …) sollte nicht mehr als 30g am Tag verzehrt werden. Auch hier gilt es zu beachten, wo überall Zucker und andere Süßungsmittel versteckt sind. Man findet Zucker beispielsweise auch in Senft und Ketchup!

Alles, was wir verzehren, sollte immer biologisch hergestellt werden, aus der Region kommen und wenn es sich um tierische Lebensmittel handelt, sollte man ein Augenmerk darauflegen, dass das Tierwohl bei der Herstellung berücksichtigt wird.

Neben diesen ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten ist es auch wichtig, darauf zu achten, dass man mit seiner Art zu Essen, möglichst wenig Abfall produziert. Das bedeutet auf der einen Seite, Lebensmittel so gut es geht unverpackt zu kaufen. Wenn es nicht ohne Verpackung geht, sollte diese umweltfreundlich sein.

Das bedeutet aber auch, möglichst wenig Lebensmittel wegzuwerfen. Die täglich weggeworfenen Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteile (wie Schale einer Karotte) müssen stark sehr reduziert werden.