Politik | Geschichte und Aufarbeitung

Schützen in Nord- und Südtirol betreiben Vergangenheitsbewältigung

"Die Schützen sind ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft," sagt der Obmann der Nordtiroler Schützen, Fritz Tiefenthaler, "und das ist eine offene Wunde." Das Ausputzen dieser Wunde hat gerade einmal begonnen.

Während der Südtiroler Schützenbund sich weltoffen zeigt und die eigenen Reihen auch für neue Mitglieder aus der Dominikanischen Republik (John, der Schütze) öffnet, beschäftigen sich die Kollegen aus Nordtirol vornehmlich und aktuell mit den dunklen Zeiten der Tiroler Schützen unter dem NS-Regime.

Das aufwändigste Projekt dabei ist der Forschungsauftrag „Die Tiroler Schützen in der NS-Zeit“. Bisher ist wenig darüber bekannt, welche Rolle die Schützen unter dem Hakenkreuz gespielt haben; bereits im Frühjahr 2013 wurde der Historiker Michael Forcher im Rahmen eines auf 3 Jahre angelegten Rechercheprojekts beauftragt, dies herauszufinden. Doch auch die Südtiroler Schützen machen hier mit: „Für Nordtirol ist es Forcher, für Südtirol haben wir die Historikerin Margaret Lun mit dem Projekt beauftragt. Dabei ist zu beachten, dass wir von verschiedenen geschichtlichen Bedingungen ausgehen. In Südtirol wurden die Schützenvereine von 1922 bis 1943 verboten und der Schützenbund als solcher erst 1958 gegründet," sagt Elmar Thaler, Obmann des Südtiroler Schützenbundes. Trotzdem ist die Rolle der Schützenfunktionäre während der NS-Zeit zu durchleuchten und auch die Rolle jener, die nach dem Krieg maßgeblich am Aufbau des Bundes beteiligt waren.“

Die gemeinsame Publikation wird neues Licht auf diese Zeit werfen, jetzt hat sich herausgestellt, dass die Recherchearbeiten umfangreicher und schwieriger sind, als anfangs gedacht. Dies bestätigt der Obmann des Tiroler Schützenbundes, Fritz Tiefenthaler, in einem Interview mit dem neuen Online-Magazin Zauberfuchs.

Dabei fällt beispielsweise wieder der Name des Tiroler Marschmusikkomponisten Sepp Tanzer, dessen aktive NS-Vergangenheit erst in den letzten Wochen und Monaten von Tiroler Musikwissenschaftlern und vom Tiroler Publizisten Markus Wilhelm enthüllt wurde und von dem sich in Folge auch der Verband der Südtiroler Musikkapellen distanzierte. So schreibt VSM-Obmann Pepi Fauster:

Laut den Recherchen einiger Historiker haben sich führende Politiker in der NS-Zeit nicht nur der Hochkultur, sondern der Volkskultur und damit auch der Blasmusik bedient, um das NS-Gedankengut an das Volk zu bringen. Diese Instrumentalisierung der Blasmusik war eng verknüpft mit dem Personenkult des Gauleiters Franz Hofer, der bei Ploner und Tanzer Mitstreiter fand.“

Dieser Tanzer hat seinen „Standschützenmarsch“ nicht den Patrioten von 1915 gewidmet, sagt Schützenkommandant Tiefenthaler, sondern Gauleiter Franz Hofer und seinem Standschützenverband. „Ich glaube, dass das viele nicht wussten. Auch wenn wir es wissen hätten müssen.“

Einzelne Institutionen sind in der Zwischenzeit auf Distanz zu Gaumusikleiter Sepp Tanzer gegangen, so wurde die Landesmusikschule Kramsach wieder umbenannt.