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Treibgut Richtung Neumarkt

Samstag, 20. November 2021, 20 Uhr, „Point” Neumarkt. Das Kollektiv „Hospiz” lädt zu einem Gig mit drei elektronischen Acts, darunter Fabian Lanzmaier, alias Treibgut.
Kommt am Samstag, 20. November 2021, mit seiner Musik nach Neumarkt: Fabian Lanzmaier  innerhalb seines Gigs bei „Heart Of Noise” in Innsbruck.
Foto: Daniel Jarosch
Kommt am Samstag, 20. November 2021, mit seiner Musik nach Neumarkt: Fabian Lanzmaier  innerhalb seines Gigs bei „Heart Of Noise” in Innsbruck.
Kommt am Samstag, 20. November 2021 mit seiner Musik nach Neumarkt: Fabian Lanzmaier innerhalb seines Gigs beim „Heart Of Noise” in Innsbruck. Foto: Daniel Jarosch

 

salto.music: Du warst mit dem Traurigen Tropen Orchester 2019 bereits im Unterland. Welche Erinnerungen hast du an Hospiz, das Team UND die damalige Location, das „Klösterle”?

Fabian Lanzmaier: Die Veranstaltung im „Klösterle” war ja am 17. Mai 2019. Am selben Tag ist auch das Video, welches zur Ibiza-Affäre führte, an die Öffentlichkeit gelangt. Die Euphorie, welche diesen Tag begleitet hat, blieb mir in Erinnerung. Und das Konzert am Abend war dann natürlich von dieser Euphorie bestimmt. Ich denke, das war einer unserer besten Gigs.

Ich finde es immer sehr spannend, wie sehr ein Ort das Konzerterlebnis beeinflussen kann.

Der Ort und vor allem das rustikale „Klösterle“, ist mir natürlich auch in Erinnerung geblieben. Ich finde es immer sehr spannend, wie sehr ein Ort das Konzerterlebnis beeinflussen kann. Dasselbe Set in einem Club oder in einem alten Kloster sind zwei ganz verschiedene Erfahrungen.

salto.music: Du bist vor wenigen Jahren aus Studiengründen von Innsbruck nach Wien, bist aber nach wie vor mit dem Innsbrucker Label/Kollektiv Verschubu Records verbunden. Wie ist dein Blick auf die elektronische Musik in Innsbruck bzw. Tirol?

Fabian Lanzmaier: Ich habe schon recht jung viele Konzerte in Innsbruck besucht und wurde an diesen Orten musikalisch und gesellschaftlich sozialisiert. Es ist ja nicht nur eine Musikszene, sondern auch Freundschaften und soziales Umfeld, welche nach meinem Umzug nach Wien auch weiter bestehen. Neben der Musik geht es da ja um viele größere und wichtigere Themen, die mit Konzerten und Szenen einhergehen. Eine Plattform für sozialen und gesellschaftspolitischen Diskurs.

Aus meiner Sicht hat Innsbruck im Verhältnis zu seiner Größe eine sehr gute und auf eine Art eigenständige Musikszene. Die Anzahl an Orten, an welchen sich das abspielt, ist natürlich sehr überschaubar. Für mich und viele Menschen war und ist die p.m.k. (ein Veranstaltungsort in Innsbruck) ein sehr wichtiger Ort und das „Heart of Noise Festival”, welches eng mit der p.m.k. verbunden ist, ein jährliches Highlight in Innsbruck, wenn es um elektronische Musik geht. Was ich so mitbekomme, gibt es momentan wieder sehr viele junge Leute welche vor allem im Clubkontext sehr engagiert sind und tolle Events organisieren.

salto.music: In einem Interview mit dir haben wir die Wendung „postdigitale Tendenzen in der elektronischen Musik” gelesen. Kannst du mit dieser Umschreibung in Bezug auf deine Musik etwas anfangen, bzw. etwas herunter gebrochen: Ist postdigital und elektronische Musik 2021 überhaupt vereinbar?

Fabian Lanzmaier: Soweit ich weiß, wurde der Begriff in dem Artikel „The Aesthetics of Failure: ‚Post-digital‘ Tendencies in Contemporary Computer Music” von Kim Cascone geprägt. In dem Artikel bezieht er sich auf Musikgenres, welche mit Fehlern in der digitalen Audioproduktion arbeiten wie z.B. Glitch.
In meiner früheren Musik und meinem ersten Release habe ich viel mit der Glitch-Ästhetik gespielt. Mittlerweile denke ich gibt es diese Elemente weniger in meiner Musik, zumindest nicht an der Oberfläche hörbar. Ich versuche oft die Tools, welche ich verwende, an die Grenzen zu treiben und sie anders zu verwenden als von den HerstellerInnen gedacht. Da passieren öfters unerwartete Dinge die als Glitch verstanden werden können, aber nicht den typischen Glitch-Klangcharakter haben.

Um die Frage, ob post-digital und elektronische Musik 2021 vereinbar sind, müsste ich mich tiefer mit dem Artikel von Kim Cascone beschäftigen, um sein Verständnis des Begriffes post-digital zu verstehen. Natürlich gibt es heutzutage nahezu keine Musik, die ausschließlich analog produziert bzw. konsumiert wird.

 

Auf der Suche nach dem Neuen: Fabian Lanzmaier bei den Proben zu einer Installation im „Echoraum” in Wien.
Auf der Suche nach dem Neuen: Fabian Lanzmaier bei den Proben zu einer Installation im „Echoraum” in Wien. Foto: Thomas Grill

 

salto.music: Hört man sich dein Live-Set für das „Heart Of Noise”-Festival an, das du über deine Soundcloud-Seite vor einigen Monaten veröffentlicht hast, so ziehst du dich von einem straighten, klar erkennbaren rhythmischen roten Faden zurück und schaffst – trotz einiger Loops – ein bisweilen zerhacktes, rhythmisches Kaleidoskop. Kannst du uns diesbezüglich etwas über deine Herangehensweise und deine Intention erzählen?

Fabian Lanzmaier: Ich versuche meist innerhalb eines Tracks, aus nur einem Instrument viele verschiedene Sounds und Strukturen zu erhalten. Das hilft mir, eine Vielzahl von Klängen zu schaffen, welche eine Verwandtschaft haben bzw. aus dem vorherigen Sound heraus geformt werden können.
In meiner Audiosoftware verwende ich zumeist Software-Synthesizer, welche mit einem Midi-Track angespielt werden. Live werden dann verschiedenste Parameter dieses Instruments oder auch die Midi-Noten selbst von mir verändert. So habe ich für mich eine gute Balance aus Reproduzierbarkeit und Offenheit in einer Live-Situation gefunden. Das Abspielen von vorgefertigten Tracks oder vielen Samples würde mich schnell langweilen, da es keine Überraschungen für mich selbst mehr geben würde.

In einer gelungen Live-Performance schwappt die Konzentration, mit der ich zuhöre, auf die ZuhörerInnen über.

In einer gelungen Live-Performance schwappt die Konzentration, mit der ich zuhöre, auf die ZuhörerInnen über und ermöglicht dem Publikum dabei zu sein und so wie ich gespannt zu sein, wo die Reise hingeht. Das Suchen nach (für mich) Neuem ist mein größter Antrieb und das, was Musikmachen und -hören für mich spannend hält.

Als Zuhörer bin ich immer sehr fasziniert, wenn ich keine Ahnung habe wie das, was ich höre, produziert wird, wenn sich vor allem in der experimentellen elektronischen Musik nicht die Technik in den Vordergrund schiebt. Das Gehörte wird abstrakt, losgelöst von Technik(en) und kann ein Eigenleben bekommen.

salto.music: Zu diesem Track passt auch dein Projektname Treibgut sehr gut … man schwimmt als HörerIn dahin und trifft im Verlauf des Tracks auf unterschiedliches, plötzlich auftauchendes Klangmaterial…

Fabian Lanzmaier: Das stimmt, wobei ich mir diesen Alias schon vor längerer Zeit ausgesucht habe und mir der Name mittlerweile etwas fremd vorkommt. Deshalb verwende ich den Namen selbst immer weniger.

Sounds, welche plastisch sind und sich durch den Raum bewegen.

 salto.music: „Hospiz” versucht neue Grenzen der elektronischen Musik auszuloten, legt aber auch Wert auf einen großen Blick auf die künstlerische Wahrnehmung/Gestaltung und auf Party. Wie geht es dir mit dieser Dreifaltigkeit?

Fabian Lanzmaier: Zum Glück muss ich nicht den ganzen Abend alleine füllen und teile mir die Bühne mit „das Russolopohon“ und „MKI“.

Meine letzteren Live-Sets haben sich immer weiter weg von dem Clubkontext bewegt. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass ich in den letzten zwei Jahren einfach viel weniger in Clubs gegangen bin. Aber wenn es die Gelegenheit zum Tanzen gibt, bin ich ein sehr begeisterter Tänzer. Die Energie und die ekstatischen Zustände welche auf einem guten Dancefloor entstehen können, möchte ich nicht missen. Der Club ist ein extrem wichtiger Ort und bietet für viele Menschen eine Möglichkeit, sich frei zu fühlen und den Alltag hinter sich zu lassen. Hin und wieder spiele ich auch DJ-Sets, bin aber meistens auf der anderen Seite des Dancefloors.

salto.music: Worauf sollte sich das Publikum am kommenden Samstag, 20. November 2021, im Point in Neumarkt einstellen? Was wirst du über die Anlage schicken?

Fabian Lanzmaier: Wie in einer vorherigen Frage schon gesagt, bin ich immer auf der Suche nach neuen Klängen, welche die ZuhörerInnen ganz aktiv verfolgen können oder auch helfen, in eigene Fantasiewelten abzugleiten. Vieles spielt sich in kurzen Momenten ab, also mehr in der Klangfarbe, Textur und kleinen Motiven, als in größeren Songstrukturen. Sounds, welche plastisch sind und sich durch den Raum bewegen.

Das sind alles sehr vage Beschreibungen. Also am besten selbst vorbeikommen!

Widmet sich vor allem der experimentellen Seite der elektronischen Musik: „Hospiz Live”, diesen Samstag in Neumarkt, im Jugend- und Kulturzentrum „Point”.
Widmet sich vor allem der experimentellen Seite der elektronischen Musik: „Hospiz Live”, diesen Samstag in Neumarkt, im Jugend- und Kulturzentrum „Point”. Grafik: Hospiz

 

Links:

Facebook-Event „Hospiz Live”: https://www.facebook.com/events/2681386682168237

Soundcloud-Seite von Fabian Lanzmaier: https://soundcloud.com/fabian-lanzmaier

Treibgut auf Bandcamp: https://treibgut-music.bandcamp.com

Verschubu Records: www.columbosnext.com/projekte/verschubu-records

 

Fabian Lanzmaier
Fabian Lanzmaier war bereits einmal Gast im Unterland: Am Samstag kommt er mit seinem elektronischen Projekt Treibgut ins Jugend- und Kulturzentrum „Point” Neumarkt. Foto: Heidi Holleis