Chronik | Bürgerwehren

"Wir schauen nicht tatenlos zu"

Finger weg von militanten Bürgerwehren, das ist Aufgabe der Ordnungskräfte, sagt Quästor Lucio Carluccio. Doch gehört wird er in Südtirols Dörfern nur bedingt.

Als am vergangenen Freitag in der Kalterer Fraktion St. Nikolaus Einbrecher versuchten in ein Haus einzudringen, wusste dank des Nachrichtendienstes WhatsApp innerhalb kürzester Zeit das ganze Dorf Bescheid. Seit einer massiven Einbruchsserie über die Weihnachtstage haben die Kalterer BürgerInnen ihre Sicherheit zumindest teilweise selbst in die Hand genommen. Jede Fraktion hat mittlerweile ihre eigene WhatsApp-Gruppe, über die alle auffälligen Bewegungen und Vorkommnisse umgehend gemeldet werden können. Beinahe 600 Personen sind somit auf einfachem Weg miteinander vernetzt. „Nachdem die Einbrecher sich in der Regeln gleich mehrere Häuser hintereinander vornehmen, können wir unmittelbar reagieren, wenn  etwas passiert“, sagt Hubert Morandell.

Er ist eines der über ein Dutzend Einbruchsopfer, die in Kaltern allein über die Weihnachtsfeiertage gezählt wurden. Seitdem wird in der Überetscher Gemeinde eifrig am Thema Selbstverteidigung gearbeitet. „Bürgerwehr würde ich uns nicht nennen“, sagt Morandell, „denn die sind ja auch verboten.“ Doch immerhin haben sich in den vergangenen Wochen, zusätzlich zu den WhatsApp-Gruppen, immerhin 1000 Mitglieder bei der Facebook-Gruppe "Iats reichts" eingeschrieben, auf der – künftig südtirolweit - ebenfalls Nachrichten über Einbrüche ausgetauscht werden sollen. „In den Medien wird schließlich nur über einen Bruchteil der Vorfälle berichtet“, meint Hubert Morandell, „erst über Facebook bekommen wir langsam einen Überblick, was alles passiert.“ Noch in dieser Woche wollen die Kalterer BürgerInnen darüber hinaus bei einem Treffen entscheiden, wie künftig nächtliche Patrouillen effizient organsiert werden können. Wollen wir zu Fuß oder mit Auto patrouillieren, ist eine der Fragen, die es dabei zu beantworten geben wird. Morandell selbst ist gegen den Einsatz von Autos: „Zu Fuß ist man einfach aufmerksamer und bekommt eher mit, wenn irgendwo mit Taschenlampen  geleuchtet wird.“ Angst ist dabei für den Kalterer kein Thema. „Bei mir kommt jetzt der Urinstinkt heraus, wo ich sage, es geht um uns und unsere Sicherheit“, sagt er, „und wenn uns die nicht mehr gegeben wird, muss man über sich hinauswachsen.“

Keine Bürgerwehr in Tisens

Kaltern ist bei weitem nicht die einzige Gemeinde, in der in diesen Wochen die BürgerInnen zur Eigenwehr schreiten. Eifrig diskutiert wurde eine Bürgerwehr unter anderem auch in der knapp 1900 Einwohner starken Gemeinde Tisens, die zuletzt besonders massiv von Einbrechern heimgesucht wurde. Stattdessen wurde bei einer gut besuchten Bürgerversammlung am vergangenen Samstag beschlossen, dass die Gemeindeverwaltung einen sms-Dienst einrichten wird. Auch kündigte Bürgermeister Christoph Matscher an, dass die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt ein Projekt ins Leben rufen will, in dessen Rahmen die wichtigsten Zufahrten der daran interessierten Gemeinden mit Videokameras ausgestattet werden. Darüber hinaus bekamen die Tiesner am Wochenende jede Menge Tipps, wie sie ihr Heim ohne Patrouillen vor Dieben schützen können: Türen niemals offen lassen, Schlüssel abziehen, keine Fenster offen oder gekippt lassen, Tresore in dicken Mauern einbauen, Alarmanlagen installieren, die direkt mit den Carabinieri verbunden sind, Briefkästen in Urlaubszeiten nicht überquellen lassen. Die Carabinieri raten aber auch dazu, Wertgegenstände und Schmuck vorbeugend zu fotografieren und niemals Bargeld im Haus zu belassen.

Warnung des Quästors

So sehr die Ordnungskräfte jedoch in Zusammenhang mit den Einbruchsserien zu Bürgerbeteiligung aufrufen, so sehr warnen sie auch vor Selbstjustiz und organsierten Patrouillen. „Bürgerwehren kann ich nichts abgewinnen“, erklärte Quästor Lucio Carluccio erst in den vergangenen Tagen in einem Interview, „weder als organisierte Initiativen, die ihre Wachrunden drehen, noch als private Eingreiftrupps.“ Sein Appell an die aufgebrachten BürgerInnen: „Finger weg von militanten Bürgerwehren! Das ist Aufgabe der Ordnungskräfte.“

Für Hubert Morandell sind  dies „zwar schöne Aussagen, aber letztendlich bleibt es doch nur Gerede“.  Denn wenn die Carabinieri  imstande wären, uns ein Gefühl der Sicherheit zu geben, bräuchten wir uns das alles nicht antun, meint er. Zumindest in Kaltern scheint man sich deshalb nicht von nächtlichen Kontrollpatrouillen abbringen zu lassen. Egal, wie die Gesetzeslage aussieht  - wir werden aktiv, kündigt Hubert Morandell an. „Denn wir können schließlich nicht tatenlos zuschauen, wie unsere Häuser ausgeräumt werden – und das Recht, unser Eigentum zu verteidigen, werden wir wohl noch haben.“

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Oskar Egger Sa., 24.01.2015 - 15:10

Die Ordnungshüter tun ja auch ihr Möglichstes, um unser verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Schutz des Eigentums und Unversehrtheit zu gewährleisten. Sie sind in der Überzahl und äußerst frei im Handeln. Die Folgen der Straftaten sind abschreckend, keiner würde sie auf sich nehmen wollen. Also, wieso sollten die Kalterer selbst tätig werden, es ist doch alles ok.

Sa., 24.01.2015 - 15:10 Permalink