Politik | Interview

Brixner Bestandsaufnahme

Peter Brunner spricht über bisherige Erfahrungen als Bürgermeister von Brixen, seine wichtigsten Projekte, die Plose, Flüchtlinge, Sicherheit. Und sein Erfolgsgeheimnis.

Seit acht Monaten leitet Peter Brunner als Brixner Bürgermeister die Geschicke der drittgrößten Stadt des Landes. Als einzige Gemeinde mit mehr als 10.000 Einwohnern benötigte Brixen im vergangenen Frühjahr keine Stichwahl. Mit 51,2 Prozent der Stimmen wurde Brunner bereits am 10. Mai 2015 als eingesetzt. Im Gemeinderat kann er auf eine solide Mehrheit zählen, seine Koalition zwischen Volkspartei und Partito Democratico hält 17 der 27 Sitze. Es hat den Anschein, als gebe es in der Bischofsstadt keine größeren politischen Zwiste oder Probleme – im Gegensatz zu Bozen und Meran. Vor Skandalen und Skandälchen scheint Brixen gefeit. Ein Grund, nachzufragen: Woran und vor allem wie arbeitet Peter Brunner seit seiner Wahl?

Herr Brunner, wie schaut es aus in der Brixner Stadtpolitik?
Peter Brunner: Ich glaube, wir haben insgesamt in Brixen eine ruhige Situation. Man muss aber eines sagen: Wir arbeiten sehr intensiv mit allen Gruppierungen im Gemeinderat zusammen. Deshalb ist dort auch die Stimmung alles in allem relativ gut. Sofern es geht, versuchen wir, bevor Beschlüsse verabschiedet werden, im Vorfeld zu informieren. Wo es Sinn macht oder wo wir überzeugt sind, nehmen wir auch Vorschläge von den anderen Parteien auf. Und es hat gar einige Beschlüsse während der letzten Sitzungen gegeben, die mit großer Mehrheit oder sogar einstimmig beschlossen wurden.

Diskussion statt Konfrontation – ist das Ihr Stil?
Wir versuchen, dem Willen und dem Wunsch, gemeinsam zu arbeiten, Rechnung zu tragen. Obwohl wir doch eine relativ solide Mehrheit haben. Trotzdem versuchen wir, auch darüber hinaus alle einzubinden. Und ich glaube, das ist auch richtig so.

In der Zwischenzeit ist die Sicherheit auch bei uns ein Thema geworden.

Und die Koalition zwischen SVP und PD steht auf stabilen Füßen?
Absolut. Wir haben sehr engagierte und kompetente Leute im Stadtrat. Aber auch im Gemeinderat. Es gibt eine monatliche Sitzung aller Fraktionssprecher, wo bereits im Vorfeld der Gemeinderatssitzungen Themen besprochen werden. Wenn es dann Unklarheiten gibt oder Zusatzwünsche, dann wird versucht, diese noch zu berücksichtigen, sofern es möglich ist und auch Sinn macht. Also wir versuchen, wo es geht, die Leute über die Koalition hinaus einzubinden. Wir sind schließlich alle gewählt worden, um das beste für unsere Stadt zu leisten und dementsprechend glaube ich sind wir wohl alle in der Verantwortung.

Es gibt also praktisch keine Opposition in Brixen?
Natürlich gibt es auch irgendwo die Rolle der Opposition, das ist klar und legitim. Es ist nicht so, dass keine Anfragen oder Beschlussanträge eingehen. Aber auch bei den Beschlussanträgen haben wir gesehen, dass es aus Sicht der Mehrheit Sinn macht, gewisse Sachen zu unterstützen.

Unter den wesentlichen Projekte in Ihrem Regierungsprogramm finden sich zahlreiche Mobilitätsprojekte. Wie ist dort der Stand der Dinge?
Manche Projekte haben sich ja bislang in der Warteschleife befunden, obwohl sie so gut wie spruchreif waren. Nun haben wir es geschafft, den Knoten zu entwirren, etwa, was die Westumfahrung, die Umfahrung von St. Andrä oder die Autobahnausfahrt Brixen Süd angeht. In den ersten beiden Fällen soll noch heuer die Ausschreibung über die Bühne gehen. Was Brixen Süd betrifft: Dort hat man bislang auch gewartet, bis sicher war, dass die Konzession effektiv wieder an die Brennerautobahn geht. Wir hoffen, dass das bereits vom A22-Verwaltungsrat genehmigte und finanzierte Projekt hoffentlich noch heuer ausgeschrieben werden kann. Spätestens 2017 soll die Ausfahrt dann in die Realisierungsphase gehen.

Der Gemeinderat müsste imstande sein, im Spätsommer oder Herbst eine Entscheidung in Sachen Direktanbindung Stadt-Plose zu treffen.

Wie schaut es hingegen in Sachen Plose aus? Der Hausberg hat sich in den vergangenen Jahren zum wirtschaftlichen Sorgenkind entwickelt.
Wir haben immer gesagt, dass es eine attraktive Anbindung von der Stadt auf den Berg braucht. Aber das hat nur einen Sinn, wenn man sich vornimmt, die Plose sowohl für den Sommer als auch für den Winter zu retten. Aus diesem Grund hat es eine Reihe von kurzfristigen Maßnahmen gegeben. Dazu gehört einmal der Pfannspitzlift, der lange Zeit in der Schwebe war und noch heuer erneuert werden soll. Die Finanzierung ist zu 100 Prozent gesichert. Auch in Sachen Speicherbecken sind wir an einem guten Punkt. Dort haben wir einen Alternativstandort ausgemacht und peilen an, das Projekt allerspätestens im kommenden Jahr zu realisieren. Das wären erst einmal die zwei dringendsten Maßnahmen.

Langfristig wird es jedoch noch weitere Maßnahmen brauchen?
Damit die Plose überleben kann, ist zum Beispiel der Neubau von Hotelbetten eine dringende Angelegenheit, die es zu klären gilt. Einer der drei Hotelbetreiber auf der Plose, Markus Huber, möchte heuer noch mit der Aufstockung beginnen. Mit den Gebrüdern Sanoner sind wir im Gespräch. Was hingegen die Tourdolomit-Athesia betrifft: Dort haben wir im Dezember die Bauleitplanänderung genehmigt. Diese muss jetzt noch von der Landesregierung genehmigt werden und dann müssen wir noch ins Gespräch kommen, wie es mit der konkreten Realisierung ausschaut. Aber ohne die Betten ist auch eine Bahn zum Scheitern verurteilt.

Liegt auch eine Direktanbindung von der Stadt auf die Plose nach dem negativen Ausgang des Referendums vergangenen Sommer immer noch auf dem Tisch?
Ja. Wir haben das Thema auch im Gemeinderat bereits ganz kurz angesprochen. Und mit allen Fraktionen vereinbart, dass wir uns noch im Jänner/Februar treffen, um die gemeinsame Vorgehensweise zu diskutieren.

Wie wird diese aussehen?
Fest steht, dass wir uns professionell begleiten lassen müssen. Wir haben ja bereits damals in der alten Verwaltung schon diese Mediation eingeleitet, die allerdings aufgrund der Gemeinderatswahlen dann abgebrochen wurde. Obwohl die beiden Damen aus München sehr gute Arbeit geleistet haben. In den Gesprächen mit den Parteien habe ich das Gefühl gehabt, man könnte mit dieser Beratung weitermachen. Konkret möchten wir die verschiedenen Standorte evaluieren. Sie sollen auch technisch geprüft werden. Und ich bin überzeugt, dass, wenn ohne Vorbehalte alle Für und Wider für die einzelnen Standorte an- und ausdiskutiert werden, man auch im Gemeinderat imstande sein müsste, im Spätsommer oder Herbst eine Entscheidung zu treffen.

Ich glaube, mein Erfolgsgeheimnis kann auch gut funktionieren.

Das heißt, ein zweites Referendum wird es in dieser Sache keines mehr geben?
Nein. Die Menschen haben uns auch gewählt, damit wir Entscheidungen treffen. Und wir können garantieren, dass alle Positionen andiskutiert und anschließend transparent und neutral bewertet werden. Sicherlich fundamental ist eine direkte Anbindung an den Bahnhof. Dort wird ein neues Mobilitätszentrum entstehen und er wird morgen mehr denn je ein Verkehrsknoten sein, regional und international. Daher ist eine direkte Anbindung – ich sage schon gar nicht mehr Seilbahn, es kann auch eine Standseilbahn sein – in meinen Augen schon sinnvoll.

Themenwechsel: In Brixen sind, wie in vielen anderen Gemeinden des Landes, seit einiger Zeit Asylbewerber untergebracht. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
In Brixen wohnen die Asylbewerber im Haus Miriam, einem Gebäude, das der Cusanus Akademie gehört. Und ich muss sagen, dass es bei uns nicht allzu viele Bedenken gegeben hat. Auch habe ich keine Klagen gehört. Natürlich ist die Situation in einer Stadt eine andere als in einem Dorf, da fallen die Menschen nicht so auf. Aber man muss auch sagen, dass es eine überschaubare Anzahl an Asylbewerbern ist, die in Brixen untergebracht ist. Wenn allerdings zu einem späteren Zeitpunkt mehr kommen würden, kann ich mir schon vorstellen, dass nicht jeder weiß Gott wie erfreut sein wird.

Im Sommer war das ja schon bereits einmal der Fall. Als die Stadt Brixen infolge des anhaltenden Flüchtlingsstroms nach Deutschland zeitweilig Menschen in Turnhallen untergebracht hat.
Da hat es mehr Bedenken gegeben. Obwohl ich auch sehr viel Solidarität in der Bevölkerung gespürt habe. Aber man braucht nicht weit über den Brenner zu schauen, um zu sehen, dass, wenn die Anzahl der Flüchtlinge zunimmt, der Grad der Belastbarkeit der Bevölkerung auch seine Grenzen kennt. Daher gilt meine Devise, die Situation aufmerksam zu beobachten.

Wir haben es geschafft, den Knoten in einigen Projekten zu entwirren.

Wobei die Gemeinde Brixen selbst eine Reihe von Projekten und Initiativen zur Integration ins Leben gerufen hat…
Auf alle Fälle. Brixen hat schon immer versucht ein Vorreiter zu sein, um Bedürftige, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund eine erste Anlaufstelle zu bieten. Seit jeher hat man versucht, offen auf diese Menschen zuzugehen. Wissentlich, dass es auch in der einheimischen Bevölkerung immer wieder Härtefälle gibt, die man in keinster Weise vergessen darf.

In den beiden größten Städten des Landes ist letztlich wieder verstärkt eine Debatte um das Thema Sicherheit entbrannt. Gibt es auch in Brixen ein – gefühltes oder reelles – Sicherheitsproblem?
Da muss ich etwas differenzieren. Auf der einen Seite gibt immer wieder den ein oder anderen Einbruch. Erst kürzlich wieder. Das ist dann natürlich ein Thema in der Bevölkerung. Und es gibt die eine oder andere Schlägerei. Prozentuell liegen wir weit hinter Bozen, aber in der Zwischenzeit ist die Sicherheit wie gesagt auch bei uns ein Thema geworden. Deshalb ist es nicht einfach unter den Tisch zu reden. Zu sagen, die Leute würden sich überhaupt nicht mehr auf die Straße getrauen oder Angst haben, ist jedoch übertrieben. Die Gemeindeverwaltung ist in engem Kontakt mit den Sicherheitskräften und wir haben die Lage unter Beobachtung. Aber es gibt ein weiteres Thema, mit dem ich nicht ganz zufrieden bin und auch den Polizeiorganen aufgetragen habe, ein wacheres Auge darauf zu werfen.

Wir haben insgesamt in Brixen eine ruhige Situation.

Sie sprechen vom Betteln?
Genau. Sehr viele Leute, darunter auch Gäste, haben uns immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Es gibt gewisse Gassen, wo zum Teil fünf, sechs Bettler stehen. Und man hat stark den Eindruck, dass es sich dabei um organisiertes Betteln handelt. Da muss man schauen, dass man dieses zwar nicht verbietet, aber eindämmt.

Noch dieses Jahr sollen die Arbeiten an einem neuen Jugend- und Kulturzentrum im alten Astra-Kino starten. Welche Idee steckt hinter diesem Projekt?
Wir haben lange nach irgendeiner Nutzung für das Ex-Astra-Kino gesucht. Nun soll es ein Treffpunkt für junge Kultur werden. Weil sich das Gebäude und die Lage einfach dafür anbieten. Die Architektur ist sehr interessant und es liegt direkt am Forum. Dadurch können Synergien geschaffen werden.

Das Ex-Astra soll also in die Hände der Jugend übergehen?
An dem Projekt arbeitet vor allem der Gemeinderat Ingo Dejaco, der in der Jugendszene sehr aktiv ist. Und ja, wir möchten – und auch die Jugend selbst –, dass nicht die Gemeinde die Struktur führt, sondern die Führung von Jungen und Jugendlichen in Form eines Trägervereins übernommen wird. Damit ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich sowohl kulturell als auch in der Veranstaltungszene zu entfalten. Und ein Treffpunkt für die Kulturszene, also auch Ausstellungen, Theater oder Musik, zu schaffen.

Brixen hat seit jeher versucht, offen auf alle Menschen zuzugehen.

Es ist zwar noch früh, aber würden Sie eine kurze Zwischenbilanz nach acht Monaten als Brixner Bürgermeister wagen?
Die Zeit bisher war sicher positiv. Da geht mein Dank sowohl an den Stadtrat als auch an den Gemeinderat. Weil wir es doch geschafft haben, das eine oder andere weiterzubringen. Auch Sachen, die seit Längerem in der Warteschleife waren. Ein Meilenstein ist sicher die Unterbringung der Stadtbibliothek am Domplatz. In den kommenden Wochen werden wir den Vertrag unterschreiben, um das ehemalige Gefängnis zu übernehmen.

Teamarbeit – das Erfolgsgeheimnis von Peter Brunner?
Zusammenarbeit ist für mich ganz wichtig: im Team arbeiten, den eigenen Kompetenzbereich wahrnehmen und auch über die Gemeinde hinaus gut vernetzt sein. Daher glaube ich, dass dies ein Erfolgsgeheimnis ist, das auch gut funktionieren kann. Das sind wir nicht nur uns, sondern vor allem den Menschen schuldig. Denn von ihnen haben wir schließlich unseren Auftrag bekommen.