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Von Ablässen und Kaplänen

Streiflichter auf Tiroler Burgkapellen im späten Mittelalter. Ein Gastbeitrag von Gustav Pfeifer.
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Foto: Quelle: Universitäsverlag Wagner

Trotz der hohen Bedeutung von Burgen für das Selbstverständnis des spätmittelalterlichen Ritteradels waren Burgkapellen in Tirol für das adlige Stiftungsverhalten lediglich zweitrangig. Dies ist weniger auf ein Überlieferungsproblem zurückzuführen, sondern wohl in erster Linie mit den – im Regelfall – fehlenden Bestattungsrechten zu erklären. Die mit auf möglichst ungebrochene Kontinuität setzenden Memorialstiftungen verbundenen liturgischen Pflichten waren an besser dotierten Einrichtungen wie Pfarr-, Stifts- und Klosterkirchen eher zu gewährleisten als an den – trotz des Präsentationsrechts der Patronatsherren – personell oft prekär besetzten Burgkapellen. Mit mehreren Geistlichen zu begehende feierliche Anniversare mit anschließender Almosengabe bedurften aus Repräsentationsgründen einer gewissen Öffentlichkeit und waren an Kapellen schwer zu leisten. Eckhart III. von Vilanders-Trostburg († 1386) bestimmte in seinen beiden Testamenten von 1359 und 1382 die Pfarrkirche von Villanders beziehungsweise die von ihm gestiftete Liebfrauen- und Jodok-Kirche in Waidbruck unterhalb der Trostburg als Schauplatz eines mit zehn (1359) beziehungsweise zwanzig (1382) Priestern zu begehenden Jahrtags, sein Erbbegräbnis hatte Eckhart im Augustinerchorherrenstift Neustift.

Sein Enkel, der Dichter Oswald von Wolkenstein († 1445) vermachte für die Kapelle auf Hauenstein testamentarisch zwar 100 Gulden, über deren konkreten Verwendungszweck können wir aber lediglich Vermutungen anstellen. Zentral für seine Memoria waren ältere Verfügungen: Bereits 1407 hatte der Wolkensteiner zwei Benefizien an der Oswald-Kapelle auf der Empore zwischen den beiden Glockentürmen der Brixner Kathedrale gestiftet und sich im November 1411 bei den Augustinerchorherren in Neustift eingepfründet, wohin sein Leichnam nach dem im August 1445 in Meran erfolgten Ableben auch überführt und beigesetzt wurde.

Burgkapellen sind eingebunden in ein dichtes Beziehungsgeflecht von Pfarrei, Gemeinde und Herrschaft. Das Völser Calendarium von 1518 zeigt eine intensive Interaktion zwischen diesen drei Akteuren. In manchen Fällen wurde augenscheinlich versucht, auch die seelsorgerische, das heißt die sakramentale Betreuung für die Umwohner an Burgkapellen zu ziehen, vielleicht lässt sich der bei der Neuweihe der Burgstaller Dreikönigs-Kapelle 1360 genannte Friedhof so deuten, zu einer Dismembration der Mutterpfarrei, wie sie etwa in Graubünden zu beobachten ist, kam es in unserem Beobachtungszeitraum nicht. In den Diözesen Brixen und Trient überwiegen, anders als in der Diözese Chur, bei weitem die bischöflichen Eigenpfarren, die Bischöfe hatten daher „natürlich wenig Interesse an einer Ausgliederung vollberechtigter Tochterpfarren.“ (M. Mitterauer) Die sich damit gegen Ende des Mittelalters verschärfende pastorale Krise in der Peripherie der übergroßen Altpfarrensprengel sollte sich im Bauernaufstand von 1525/26 entladen.

Bleibt das Sozialprofil der vielfach aus anderen Diözesen des deutschsprachigen Raums stammenden Burgkapläne meist unscharf, so lässt sich wenigstens zwischen Kapellen einfacher Burgen des Ritteradels und solchen politisch bedeutenderer landesfürstlicher und fürstbischöflicher Burgen unterscheiden, waren letztere doch erheblich besser dotiert und daher auch für Mitglieder des höheren Klerus, der zum Teil adliger Herkunft war, attraktiv. Aber auch Kaplänen an Adelsburgen stand der Aufstieg zum Pfarrherrn oder Pfarrvikar offen. Was die materielle Ausstattung der Mess-, Kapellen- oder Kaplaneistiftungen betrifft, so lassen sich kaum belastbare Aussagen treffen, da die Belege allzu punktuell und schwer vergleichbar sind. Über das Wirtschaften von Burgkaplänen im Meraner Raum sind wir dank der dichten notariellen Quellenüberlieferung ungewöhnlich gut unterrichtet, die Geistlichen gaben nicht selbst bewirtschaftete Flächen zu Erbbaurecht aus und fungierten auch als Kreditgeber. Offen bleibt, warum im Einzugsgebiet der Meraner Imbreviaturen mit seiner hohen Burgendichte mit Ausnahme der Kapellen von Tirol, Lebenberg und Jaufenberg kaum Rechtsgeschäfte zu Kaplaneien oder Kapellen älterer Burgen verzeichnet sind und sich die Überlieferung auf die späten Burgengründungen Burgstall und Fragsberg konzentriert.

Ablässe für Burgkapellen können über ihre frömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung hinaus ein Hinweis auf Baumaßnahmen sein, im Fall der reich illuminierten, auf Sicht gearbeiteten Avignoneser Sammelindulgenzen liegt als Zielpublikum ein breiterer, nicht zur Burgbesatzung gehörender Personenkreis nahe. Ob mit solchen Prunkablässen ausgestattete Burgkapellen (wie etwa Reifenstein, Greifenstein oder Altstarkenberg) Ziele von Nahwallfahrten waren, müsste im Einzelfall geprüft werden.