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Lust, die

Tamara Tenenbaum fordert in ihrem Buch “Das Ende der Liebe” den Widerstand für eine schöne, neue Welt.
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Foto: salto books

Als “Reiseblog in die Welt der Sehnsucht und Begierde” bezeichnet Tamara Tenenbaum ihr 2019 erschienenes Buch “El fin del amor”. Das Buch, das letztes Jahr für Fandango Libri ins Italienische übersetzt (La fine dell’amore. Amare e scopare nel XXI secolo) und für Prime Video in eine TV-Serie gegossen wurde, folgt der in Buenos Aires lebenden Philosophiedozentin, Journalistin und Autorin in ihren Überlegungen zu Liebe und Sex im 21. Jahrhundert. 

Überlegungen, die sich durch Tenenbaums Ausbruch aus dem jüdisch-orthodoxen Once-Viertel in Buenos Aires, in dem sie aufgewachsen ist, nicht nur der neu gewonnenen Freiheit zuwenden, sondern diese gleichzeitig infrage stellen. Nicht, weil sexuelle Freiheit nicht begehrenswert sei: Als Frau, die mit den strikten Regeln der Once-Gemeinschaft aufgewachsen ist, würde sie — stellt Tenenbaum im Buch fest — immer die Freiheit der “modernen Welt” wählen. Sondern weil auch die sexuelle Freiheit der modernen Welt von eingerosteten Vorstellungen und Strukturen durchtränkt ist. Vorstellungen und Strukturen, die Abhängigkeit, Individualisierung und Einsamkeit zur Folge haben. 

 

Zahlen, Fakten und Liebeskolumnen

 

So begibt sich Tenenbaum in acht Kapiteln — und zwischen Zahlen und Fakten,  dem Studium von Liebeskolumnen und Gesprächen mit Freundinnen — auf die Suche nach der weiblichen Sehnsucht und Begierde. Dabei wendet sich die 1989 geborene Autorin explizit an Frauen, wobei “Frausein” für Tenenbaum eine historisch verwurzelte soziale Position und keine angeborene Identität beschreiben will. 

Ihr Mantra auf dieser Reise: “Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es das, dass Sehnsucht und Begierde immer divers und vielfältig sind. Wenn also viele Personen das Gleiche machen [zum Beispiel ihre Lebenserfüllung in einer romantischen Beziehung mit einem Mann suchen], bewegt sie etwas, das stärker ist als Sehnsucht und Begierde”.

In ihrem Anspruch, Sehnsucht und Begierde von eingerosteten Strukturen zu befreien, schreckt Tenenbaum aber davor zurück, die freie Liebe als liberal-individualistische Fantasievorstellung zu malen, die sich jeglichen Regeln entzieht: Existierende Strukturen wollen erkannt — und mit viel Liebe, Freundschaft und Respekt gewählt oder aktiv verändert werden.

Das Buch begleitet Tenenbaum dabei nicht nur in ihren Gewissheiten, sondern auch in ihren Zweifeln und der Erkenntnis, kein Rezept für die Zukunft der Liebe zu haben. Was sie stattdessen vorschlägt, ist der Widerstand: “der Wahl zwischen vererbten Strukturen und wildem Individualismus zu widerstehen.”

 

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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Fr., 26.05.2023 - 06:47

Gut verständlich, wenn auch die Frauen Sehnsüchte + Wünsche + Begierden haben.
Aber wie verträgt sich das mit den Bedürfnissen, die Kinder bis zu ihrem Eintritt in das Berufs-Leben haben?
Keine soziale Ersatz-Einrichtung kommt auch nur annähernd, an die Leistungen einer halbwegs funktionierenden Familie heran.

Fr., 26.05.2023 - 06:47 Permalink