Gesellschaft | Berufskammern

Südtiroler Sonderweg

Die Landesregierung will jetzt die Einsprachigkeit bei Eintragungen in die Berufskammern per Gesetz einführen.
Palais Widmann
Foto: LPA/ohn
Die Landesregierung hat sich am Dienstag für die Gleichstellung der deutschen und der italienischen Sprache bei der Einschreibung in eine Berufskammer ausgesprochen. Damit genügt es die Sprachkenntnis entweder in Deutsch oder in Italienisch nachweisen zu können. „In Südtirol ist die deutsche Sprache der italienischen Sprache per Verfassungsgesetz gleichgestellt, im Sinne aller Wirkungen. Wir sind daher überzeugt, dass die Kenntnis der deutschen Sprache für die Eintragung in die Berufsverzeichnisse im Geltungsbereich Südtirol ausreichen müsste“, betont Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Als Anlassfälle nannte Landeshauptmann Kompatscher die Ärztekammer und die Kammer der Pflegeberufe, wo aufgrund einer falschen Interpretation der geltenden Bestimmungen Personen, die „nur“ die Kenntnis der deutschen Sprache nachweisen konnten, die Eintragung ins Berufsverzeichnis verweigert wurde.
Um künftige Unklarheiten auszuschließen, hat die Landesregierung jetzt die Entwürfe zweier Durchführungsverordnungen gutgeheißen, welche nun an Rom übermittelt werden. Während eine der beiden Entwürfe den Gesundheitsbereich betreffe, ist der zweite Entwurf für alle anderen Verzeichnisse gedacht, um damit eventuelle Zweifel zu bereinigen. „Wir handeln dabei im Sinne des Autonomiestatuts“, ist Landeshauptmann Kompatscher überzeugt. Ungeachtet dessen gelten weiterhin die Proporzbestimmungen.
 

Los von Rom

 
Schon jetzt ist klar, dass diese Entscheidung zu einem harten, politischen Tauziehen zwischen Rom und Bozen führen wird. Die Regelung der Berufskammern ist gesamtstaatlich ausgelegt. Wer in eine Kammer eingeschrieben ist, ist berechtigt den entsprechenden Beruf in ganz Italien auszuüben.
Eine territoriale Beschränkung dieser Einschreibung auf Südtirol kommt der Einführung eines neuen Rechtsprinzips gleich. Damit wird es notgedrungen in Zukunft zwei Kategorien von Eingeschriebenen geben: Normale Kammermitglieder und solche deren Einschreibung nur für Südtirol gilt. Folgerichtig wird Letzteren eine Art Berufsverbot im restlichen Italien auferlegt werden. Ob diese Regelung dem EU-Niederlassungs- und Gleichheitsrecht entspricht, wird sich zeigen.
 
 
Besonders interessant wird es auch werden, wenn sich die erste Rechtsanwältin, die kein Wort Italienisch spricht, oder der erste Notar oder Wirtschaftsprüfer, der nur Deutsch kann, in die entsprechende Kammer eintragen lassen.
Zudem wird man auch eine ganze Reihe von Staatsgesetzen und Regelungen abändern müssen. So etwa heißt es im Staatsgesetz, das nach den EU-Vorgaben die Studientitelanerkennung regelt und dem 2007 auch Südtirol zugestimmt hat: „per l'esercizio della professione i beneficiari del riconoscimento delle qualifiche professionali devono possedere le conoscenze linguistiche necessarie.“
Die einzige mögliche Erklärung um dieses Gesetz zu erfüllen: Es ist in Südtirol nicht mehr nötig, Italienisch zu sprechen.
Dabei ist auch im Palais Widmann  klar, dass der Ministerrat diese Durchführungsverordnungen vor dem Verfassungsgericht anfechten wird.
 

Abweichung vom Proporz

 
Auf ihrer Sitzung hat sich die Landesregierung aber auch mit einer zeitlich beschränkte Abweichung vom Proporz in der Sanität beschäftigt. „Der Ärzte- und Pflegekräftemangel stellt die Grundversorgung ganz massiv in Frage. Wir wollen diese jedoch garantieren und haben darum notwendige Maßnahmen getroffen", sagt Landesrat Thomas Widmann. Momentan verfügen 493 Personen von insgesamt 4128 besetzten Stellen aus den Berufsbildern „Arzt/Ärztin, Krankenpfleger/Krankenpflegerin und Geburtshelfer/Geburtshelferin“über keinen ausreichenden Zweisprachigkeitsnachweis verfügen. „Das betroffene Personal muss innerhalb von drei Jahren beide Landessprachen erlernen, sodass eine Unterhaltung sowohl mit italienischsprechenden, als auch mit deutschsprechenden Mitbürgern möglich ist. Dies ist eine verpflichtende Voraussetzung, um einen unbefristeten Arbeitsvertrag im Südtiroler Gesundheitswesen zu erhalten", erklärte der Gesundheitslandesrat nach der Sitzung der Landesregierung.