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Im Geschwurbel-Trend

Emanuel Maeß‘ Debüt „Gelenke des Lichts“ hebt sich von vielen Neuerscheinungen dieses Jahres ab. Nun ist der Roman für den Franz-Tumler-Literaturpreis 2019 nominiert.
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Foto: Emanuel Maeß

Unlängst schrieb Julia Encke in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Artikel über „schwülstige neue Bücher“. Im Grunde würde ihr Kommentar zu einem Roman von Feridun Zaimoglu reichen, um auch das Debüt von Emanuel Maeß auf den Punkt gebracht zu besprechen: „Da schreibt einer eine Prosa, die wie ausgedacht klingt für Feuilletonredakteure, mit möglichst viel Hochkultur im Gepäck, in einem hohen Ton, der in Wirklichkeit alles gleichmacht – und die Kritik ist begeistert. Die Rechnung geht auf. Die Lektüre wird zum Distinktionsgewinn. Man fühlt sich offenbar irgendwie schlau oder in seinem Gebildet-Sein bestätigt“.


Vom selben schweren und prätentiösen „Bedeutungssound“ befallen ist auch Maeß. Ein opulentes Bild drängt sich an das nächste, lange Aufzählungen von Straßen-, Berg- und Kirchennamen fließen in schwelgerische, aufgebauschte Beschreibungen von jedem noch so kleinen Detail der Umgebung über. In einer gefühlten Statistik machen die Landschaftsbeschreibungen in „Gelenke des Lichts“ wohl 95 Prozent des Buchumfangs aus.

Dem Autor sei zugestanden, dass seine Landschaftsbeschreibungen an manchen Stellen zauberhaft beflügelnd wirken...

Der Inhalt ist hingegen schnell erzählt: Der Protagonist, Ende der 70er in der DDR geboren, verliebt sich als 11-Jähriger in einem Feriencamp in Angelika. Er wird älter, geht irgendwann auf das Gymnasium, dann zur Universität, vertieft seine Studien in Cambridge. Immer mal wieder taucht gedanklich oder physisch seine Angebetete auf. Etikett: Bildungsroman. Wobei das Ganze angesichts des teilweise altklug anmutenden Erzählers sowie des literaturhistorischen Name-Droppings eher in Richtung Bildungsdünkel geht. Es ist ein Buch, das aus allen Ecken altertümelt, das aber, um trotzdem authentisch in die erzählte Zeit zu passen, unschön herausstechende Versatzstücke aus ebendieser Zeit einbaut, sodass hier mal eben „Supreme“ von Robbie Williams gespielt oder später wie beiläufig eine Folge „Dawson’s Creek“ geschaut werden darf, während die restliche Zeit über Wagner und Nietzsche geschlaumeiert wird. Ebenso unangenehm stößt der kecke Tonfall einiger eher wahllos eingestreuter Sätze auf („Zehn Jahre später, und alles wäre sentimentaler E-Müll gewesen, so aber war’s ein Berg pathetisches Papier.“). Wohl ein Versuch, das Romantisch-Opulente doch noch mit ein wenig Ironie zu brechen.
Dem Autor sei zugestanden, dass seine Landschaftsbeschreibungen an manchen Stellen zauberhaft beflügelnd wirken („Sperber und Schwebfliegen parkten in der Stille“) und seine Reflexionen über den akademischen Betrieb ein fundiertes Wissen durchklingen lassen, jedoch: Der Zugang zu den Figuren bleibt durch die pompöse Sprache verstellt. Der Protagonist, seine Jugendliebe Angelika, aber auch das übrige Personal bleiben enttäuschend unscharf, ebenso das Zwischenmenschliche, dessen lasche Beschreibungen ihren Höhepunkt (oder Tiefpunkt?) in einer Liebesnacht finden.


Höhepunkte – auch innerhalb der Episoden – sucht man in „Gelenke des Lichts“ übrigens vergebens, die überladenen Beschreibungen nehmen jede Spannung und vor allem jedes Tempo heraus. Es gibt zwar Bücher, bei deren Lektüre man in eine wohlig-schleppende Langsamkeit gerät, als wäre man ein*e Sonntagsfahrer*in in einer zauberhaften Landschaft. Dieses Buch allerdings führt dazu, dass man sich fühlt wie die Person im Auto hinter dem oder der Sonntagsfahrer*in: dazu genötigt, im Knattertempo hinterherzufahren, immer unentspannt und mit dem Fuß an der Bremse, einen Fluch auf der Zunge und – erleichtert, wenn man endlich den Blinker aufleuchten sieht und das Ganze vorbei ist.