Politik | Mehr Kaufkraft

Gesetzlicher Mindestlohn macht Sinn

In die Tarifhoheit der Sozialpartner kann das Land nicht eingreifen,aber es könnte die Zuständigkeit für die Festlegung eines eigenen gesetzlichen Mindestlohns anstreben.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

In ihrem vor 3 Wochen präsentierten „Pakt für Südtirol“ weisen die Konföderierten Gewerkschaftsbünde auf die seit 25 Jahren stagnierenden Reallöhne hin: ein beträchtlicher Teil der Arbeitnehmer bezieht nur den kollektivvertraglichen Mindestlohn laut nationalen Kollektivverträgen (z.B. im Handel, im Gastgewerbe, in gering qualifizierten Dienstleistungen) und ein Viertel der Arbeitsverträge sind befristet. Obwohl in Südtirol durchschnittlich etwas höhere Löhne als in Restitalien gezahlt werden, reicht die Kaufkraft für einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer (30-40% laut AFI) nicht aus, die hierzulande relativ höheren Lebenshaltungskosten zu schultern.

„Es braucht ein Rahmenabkommen, das auf lokale Lohnerhöhungen abzielt, das das Recht auf Weiterbildung und ergänzenden Wohlfahrtsleistungen vorsieht, die auf Südtirol zugeschnitten sind. Der neu gewählte Landtag muss die lokalen Vertragsverhandlungen fördern,“ schreibt der SGB-CISL. Derartige Pflichten oder Anreize für die Unternehmen bei den Steuern (IRAP-Senkung) und bei den Subventionen (soziale und ökologische Auflagen) machen Sinn, reichen aber nicht aus. Denn der bloße Vertragsabschluss bedeutet noch nicht wesentlich höhere Löhne. Um in Südtirol ein Lohnniveau zu gewährleisten, das den hiesigen Lebenshaltungskosten, Immobilienpreisen und Produktivitätsniveaus angemessen ist, muss beim entscheidenden Hebel angesetzt werden, nämlich dem Lohn. Hier liegt der Haken. Landeszusatzabkommen für ganze Wirtschaftssektoren werden oft gar nicht abgeschlossen. Betriebsabkommen, die Zusatzvergütungen und Prämien vorsehen, kommen in vielen Betrieben nicht zum Tragen.

In die Tarifautonomie der Sozialpartner kann das Land nicht eingreifen, das lehnen die Gewerkschaften grundsätzlich ab. Doch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ist gerade in Italien überfällig, wie fast in allen übrigen EU-Ländern schon geschehen. In diesem Rahmen könnte das Land Südtirol die Zuständigkeit für die Festlegung sektorenspezifischer Mindestlöhne für die in Südtirol Beschäftigten anstreben. Dann könnte das Land für jeden Sektor zumindest eine Untergrenze für die kollektivvertraglichen Löhne festlegen. Damit kann gerade im Bereich der Niedriglöhne das Lohnniveau in Südtirol auf ein menschenwürdigeres Niveau angehoben werden. Wenn Südtirol wie auch andere Regionen im Rahmen einer entsprechenden gesamtstaatlichen Regelung diese Zuständigkeit erhält, kann es seinen eigenen Weg sozialen Ausgleichs gehen und dem Phänomen „Armut trotz Arbeit“ (working poor) entgegenwirken. Sonst bleibt die Forderung der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer der SVP und anderer Kandidaten nach „Stärkung der Kaufkraft der Löhne“ nichts als ein frommer Wahlkampfwunsch.