Umwelt | Bio

100% ökologisch

100 Prozent ökologische Landwirtschaft ist möglich und nötig. Bioland-Präsident Jan Plagge im Interview zu Bio-Linien im Supermarkt und den Chancen für die Produktion in Südtirol.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: ©Bioland

Vom 23.11 bis 26.11 präsentieren rund 200 Betriebe die Vielfalt der Produkte aus biologischer Landwirtschaft in der Bozner Messe. Höhepunkt ist der Fachkongress „Organic 2030“ am ersten Messetag, bei dem auch Bioland-Präsident Jan Plagge auftreten wird. Wir haben ihn vorab interviewt.

salto.bz: Herr Plagge, wie sehen Sie die Zukunft von Biolandwirtschaft in Zeiten, wo die Produktionsbedingungen durch den Klimawandel immer schwieriger werden und Monsanto und Bayer zu einem noch mächtigeren Konzernkomplex fusionieren?
Jan Plagge: Ich sehe Biolandwirtschaft als die einzige verfügbare Alternative. Nur mit einer ökologischen Bewirtschaftungsweise bleibt unsere Erde fähig auch in Zukunft noch fruchtbar für unsere Nachkommen zu sein. Und nur mit einer ökologischen Landwirtschaft, frei von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden bleibt die Artenvielfalt erhalten – zum Beispiel die Bienen, die eine so grundlegende Voraussetzung für das Leben auf der Erde sind!
Die Landwirtschaft muss widerstandsfähiger gegenüber Klimaeinwirkungen werden und selber weniger CO2- Emissionen zu verursachen. Wir müssen die Anzahl der Tiere an die verfügbare Fläche anpassen und Landwirte sollten Äcker so bewirtschaften, dass die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten bleibt. Zum Beispiel durch vielfältige Fruchtfolgen.

 

Es gibt Studien, die sagen, biologische Landwirtschaft hätte das Potential, alle Menschen auf dem Planeten auch in Zukunft zu ernähren. Andere Studien kommen zum Ergebnis, nur industrialisierte Landwirtschaft kann das leisten. Was ist Ihre Einschätzung?
Das klare langfristige Ziel von Bioland sind 100 Prozent ökologische Landwirtschaft, da nur mit dieser Art der Landwirtschaft Tierwohl, der Erhalt der Artenvielfalt, Umweltschutz und damit auch die Zukunft der Menschheit gewährleistet werden können.
Um die Menschen dieser Welt auch in Zukunft ernähren zu können, muss auf jeden Fall der Fußabdruck der Tierhaltung reduziert werden – allein Deutschland benötigt für seine Tierhaltung eine Fläche von 8 Mio ha – das entspricht der Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche! Eine notwendige Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft zur Ernährung aller Menschen auf unserer Erde ist möglich, wenn wir die Tierhaltung an die verfügbare Fläche anpassen.

 

 

 

Das heißt, wir müssten weniger Tierprodukte verbrauchen. Was müsste sich noch ändern, damit eine Versorgung durch Biolandwirtschaft funktioniert?
Da spielen mehrere Faktoren rein. Zunächst einmal müsste die Politik endlich handeln und nachhaltigem Wirtschaften und Konsumieren auch einen ökonomischen Vorteil verschaffen.  Nur wenn Preise die ökologische Wahrheit sprechen, schaffen wir alle zusammen den notwendigen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft. Jeder Verbraucher kann heute damit anfangen, mit der Nachfrage die Erzeuger zum Handeln zu zwingen: Weniger Fleisch konsumieren und ökologisch erzeugte Waren einkaufen. Steigt die Nachfrage, kann das Prinzip der ökologischen Landwirtschaft in die Breite getragen werden und unsere gemeinsamen lokalen, europäischen und globalen Umweltziele erreicht werden.

 

Im Moment kaufen vor allem diejenigen Bio, die einerseits viel Geld haben, sich andererseits moralisch dadurch definieren. Was tun Sie dazu, um aus der Nische herauszukommen?
Bio ist schon lange nicht mehr in der Nische. Der Trend zeigt, dass eine Veränderung stattfindet und „Bio“ inzwischen in allen Regalen etabliert ist. So werden fast zwei Drittel der Ausgaben der Bundesbürger für Bio-Lebensmittel inzwischen in Deutschlands Discountern, Supermärkten und Drogeriemärkten ausgegeben. Aber auch der Fachhandel erfreut sich steigender Käuferzahlen. Wichtig ist, dass an allen Orten, an denen die Menschen einkaufen gutes und glaubwürdiges Bio mit Bezug zu den Erzeugern erhältlich ist – dann werden immer mehr Menschen auf Bioprodukte umsteigen.

 

 

In Südtirol gehen viele Bauern, vor allem in der Apfelproduktion, einen Zwischenweg: Die integrierte Landwirtschaft. Ist das nicht ein gelungener Kompromiss zwischen Nachhaltigkeit und Produktionssicherheit?
Die integrierte Landwirtschaft ist genau das, ein Kompromiss. Dieser Kompromiss ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Er spiegelt im Kern die gute fachliche Praxis wieder, aber in der Regel bekommen die Betriebe für ihre Zusatzleistungen keine höheren Preise. Dadurch besteht der Druck auf die Betriebe und die Ökologie weiter fort.

Besser wäre es, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam einen konsequenten Umbau Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit zu betreiben. Die Chancen für Südtirol sind dabei sehr gut, dass dieser Umbau so gelingt, dass alle davon profitieren.

 

 

Was nutzt es im Großen und Ganzen, hier bei uns auf immer mehr Ökologie zu setzen, während anderswo der Regenwald abgeholzt wird für Genmais, der zu Sprit verarbeitet wird?
Der Genmaisanbau und der Agrosprit sind ja nicht zuletzt durch unser System der Agrarpolitik und industrialisierten Landwirtschaft verursacht worden. Daher müssen wir hier vor unserer eigenen Haustüre kehren und unser System Schritt für Schritt umbauen. Das wird dann auch Vorbild für andere Regionen in der Welt sein – wir sehen schon heute, dass sich in Südamerika und Indien große Anbaugebiete von der Gentechnik, Glyphosat und Co verabschieden.

 

Wenn Sie sich einen Bereich aussuchen könnten, in welchem dann große Fortschritte Richtung Bio-Produktion geschafft würden, welcher wäre es, und warum?
Da bleibe ich gerne bei einem sehr aktuellen Thema. Die gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist ein großes Anliegen von mir. Mit 55 Milliarden Euro jährlichen Zahlungen an Landwirte ist die GAP das zentrale Steuerungsinstrument für die Art der Landnutzung in der gesamten EU. Der Großteil der EU-Agrar-Gelder wird derzeit mit der Gießkanne über alle Agrarflächen ausgeschüttet und landet so bei Verpächtern und Bodenspekulanten anstatt bei den Bauern. Die nun anstehende Reform der GAP bietet die große Chance, die bestehende falsche Lenkungswirkung zu korrigieren.

 

Wie könnte das aussehen?
Gefordert sind jetzt mutige Politiker, die die Gießkannenförderung stoppen und gezielt gesellschaftliche Leistungen der Landwirte honorieren. Im Ringen um die Verteilung der Agrargelder sollen diejenigen Landwirte unterstützt werden, die sauberes Wasser und eine hohe Artenvielfalt sicherstellen, Klima- und Tierschutz auf höchstem Niveau betreiben und so wertvolle Lebensmittel erzeugen.

Unser aller Steuergelder sollten also dafür eingesetzt werden, Verbraucherforderungen nach mehr Tierwohl, Artenvielfalt und sauberem Grundwasser zu erfüllen. Nur so kann bei Verbrauchern Akzeptanz für die Landwirtschaft und die realen Kosten von Lebensmitteln geschaffen werden.