Wirtschaft | Polemik

„Der RAI wird Null geschenkt“

Kriegerische Töne zwischen Mazziniplatz und Weinbergweg in Sachen RAI-Finanzierung. Wie üppig fällt diese tatsächlich aus?
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Foto: Rai

Noch-RAI-Chefredakteur Wolfgang Mayr und Koordinator Markus Perwanger mögen nicht immer einer Meinung sein. Am Donnerstag lagen die beiden Führungskräfte von RAI Südtirol jedoch ganz auf einer Linie. „Geärgert?“, schnaubte Wolfgang Mayr ins Telefon, „das ist Rufschädigung“. „Mit ernsthaftem Journalismus hat dies nicht viel zu tun“, empörte sich auch Markus Perwanger. „Mit solchen Gehässigkeiten, Halbwahrheiten und hinkenden Vergleichen kommen wir nicht weiter.“ Grund für die Aufregung am Mazziniplatz? Der Lokalaufmacher der gestrigen Dolomiten-Ausgabe. „RAI verschlingt 27,2 Millionen Euro“ wurde dort über einem nicht namentlich gezeichneten Artikel verkündet. In dem überschlagsmäßig hochgerechnet wird, wie viel öffentliches Geld für die deutschen und ladinischen Redaktionen bereit gestellt würde. Zu den berühmten 20 Millionen Euro aus dem Mailänder Abkommen würden demnach noch geschätzte sieben Millionen Euro über die Fernsehgebühr kommen: Und: Nachdem „das alles anscheinend nicht ausreiche für das TV-Programm von Rai Südtirol“, finanziere das Land zusätzlich mit rund 200.000 Euro jährlich eine Reihe von Sendungen, so das Tagblatt. Das in einer Grafik einen Überblick gibt, von welchen Landesressorts in den vergangenen drei Jahren für TV-Sendungen insgesamt 650.000 Euro ausgegeben wurden.

Doch, wie Chefredakteur Mayr am Donnerstag auch in einem Kommentar des RAI-Mittagsmagazins klärte: Vieles von dem, was „uns das Tagblatt um die Ohren haut“, entspreche einfach nicht der Wahrheit. Angefangen bei den 27,2 Millionen, die bereits im Artikel selbst mit der Antwort auf eine Landtagsanfrage von Freiheitlichen-Obmann Walter Blaas korrigiert werden. Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher darin erklärt, flossen in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 25,6 Millionen Euro an die beiden lokalen RAI-Redaktionen. Sprich: „Im Schnitt 12,8 Millionen und nicht 27 Millionen Euro im Jahr“, wie Wolfgang Mayr vorrechnet.

Leere Schachtel

Hintergrund für all die Zahlenspiele ist der Deal, der noch unter Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder 2012 mit einer ersten Konvention zwischen Land, RAI und Ministerratspräsidium eingefädelt wurde. Darin wurde nicht nur ein Ausbau der deutschen und ladinischen Programme samt technologischer Neuerungen vorgesehen. Vor allem wurde damals vereinbart, dass die Finanzierung der Minderheitenprogramme im Rahmen des Mailänder Abkommens von Rom auf das Land übergeht – indem 20 der 100 Millionen Euro des Solidaritätsfonds für die RAI anerkannt werden sollten. Allerdings erwies sich die Konvention vor allem in den ersten drei Jahren finanziell als leere Schachtel. Denn während in Bozen Sendezeiten ausgebaut und neue Studios eingerichtet wurden, erkannte man im römischen Finanzministerium vorerst nur die Hälfte der vereinbarten Summe an. „Dort argumentierte man, dass der Staat davor auch nur 10 Millionen Euro für die Minderheitenprogramme überwiesen hatte“, erklärt RAI-Koordinator Perwanger. Tatsächlich sei in der RAI daher zwischen 2013 und 2015 weit mehr für den Bozner Sitz ausgegeben worden als tatsächlich über zurückbehaltene Steuergelder hereinkam. „Die RAI insgesamt, und auch ich hier, haben oft mit viel Mühe alles erfüllt, das in der Konvention vereinbart worden war“, sagt Perwanger. „Doch wir haben nie das große Geld erhalten, von dem seit damals inmer wieder die Rede ist und für das uns regelmäßig ans Bein gepinkelt wird.“ In Gesamtsumme seien so aus den ersten drei Jahren über 50 Millionen Euro ausständig geblieben, rechnet der RAI-Koordinator vor.

Gelöst wurde dieser Engpass erst Ende 2015 als unter Landeshauptmann Arno Kompatscher und mit Hilfe der Südtiroler Senatoren eine zweite Konvention geschlossen wurde, mit der die 20 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis 2018 tatsächlich  garantiert wurden. „Nun besteht erstmals eine realistische Chance, dass die RAI das Geld ersetzt bekommt, das sie für die deutschen und ladinischen Sendungen ausgibt“, so Perwanger. Dabei müsse allerdings jeder Cent belegt werden. „Ich kann ruhigen Gewissens sagen, der RAI wird Null geschenkt.“

Äpfel und Birnen

Umso mehr in Rage versetzte dann auch Chefredakteur Wolfgang Mayr der - O-Ton – „irreführende Vergleich“, der vom Tagblatt zwischen dem RAI-Budget und jenen 1,4 Millionen Euro gemacht wurde, den die ORF-Sendung "Südtirol heute" an Landesbeitrag erhalte. Vor allem, wenn laut Mayr nicht präzisiert würde, dass mit ersterem 5300 Radio-Stunden und 760 TV-Stunden (RAI Südtirol) sowie 352 Radio-Stunden und 100 TV-Stunden (RAI Ladinia) finanziert würden. „Viele dieser Stunden widmen sich der Südtiroler Tradition, Kultur oder Volksmusik, die ausgerechnet der walsche Sender fördert“, stichelt der Chefredakteur der deutschen Redaktion. „Südtirol Heute“ produziere dagegen fünf Mal die Woche 20 Minuten -  also umgerechnet nicht einmal 90 Stunden im Jahr.

Wolfgang Mayr verwehrt sich aber auch dagegen, die Einnahmen aus den Fernsehgebühren zum eigenen Budget zugerechnet zu bekommen. „Davon sehen wir keinen Cent“, sagt Mayr. „Diese Gelder fließen großteils in Umsetzer und den Empfang der gesamtstaatlichen Programme.“ Ähnlich sei es mit den Beiträgen des Landes für einzelne Sendungen. Diese kommen vor allem den rund 40 Produktionsfirmen im ganzen Land zu gute,  die „von unserem Haus leben“, wie es Markus Perwanger ausdrückt, statt der RAI zuzufließen. Wenn auch der Koordinator zugibt, dass dadurch die Senderechte günstiger werden, die von der RAI für solche Sondersendungen gezahlt werden.

Im Interesse der Institutionen

Genau hier liegt aber explosives Material begraben, das weit über die aktuellen Spannungen zwischen dem Mazziniplatz und dem Weinbergwerg hinauswirken wird. Denn das, was am Donnerstag detailliert in den Dolomiten abgedruckt wurde, ist vor allem ein Blick in die Vergangenheit. Künftig sollen diese Geldflüsse komplett versiegen. Das hat Landeshauptmann Kompatscher höchstpersönlich im vergangenen November bei einem Treffen in der RAI-Generaldirektion besiegelt. Wohl auch angesichts der Kritik und der Befürchtungen, die eine „Landes-RAI“ und die von der Opposition immer wieder als „Belangsendungen“ bezeichneten gesponserten Produktionen hervorrufen, wurde dort vereinbart, dass die für die Sendungen im Schnitt investierten 200.000 Euro im Jahr künftig aus dem 20-Millionen-Topf mitfinanziert werden sollen. Bereits im vergangenen Jahr sind die Landesbeiträge für TV-Sendungen spürbar zurückgegangen; bis 2018 will man sie nun völlig auslaufen lassen, heißt es von Seiten des Landes.

Ein Vorhaben, mit dem sich zumindest der RAI-Koordinator noch nicht wirklich angefreundet zu haben scheint. „Ich kann nicht hergehen und sagen, jetzt zahlen wir indirekt nichts mehr“, meint Markus Perwanger. „In den allermeisten Fällen sind solche Sendungen im Interesse der Institutionen.“ Noch ist die Sache nicht gegessen, lässt Perwanger durchklingen. Zumindest das Programm 2017 sei wie gehabt geplant worden. „Mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, wollen wir das Programm so attraktiv wie möglich gestalten“, sagt er. „Sollten irgendwo tatsächlich indirekte Finanzierungen wegbrechen, muss man die Entscheidung treffen, ob wir etwas anders machen bzw. ob wir bestimmte Sachen überhaupt weiterführen.“

Keineswegs beruhigende Aussagen für all jene Produktionsfirmen, die die Kosten für Sendungen bislang nur mit einer Finanzspritze durch das Land decken konnten. „Wir müssen natürlich darauf schauen, dass wir uns das, was wir kaufen, mit unserem Budget auch leisten können“, meint Markus Perwanger. „Und wenn eine Produktion plötzlich doppelt so teuer wird, werden wir beurteilten müssen, ob es dafür steht.“ 

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Hartmuth Staffler Fr., 20.01.2017 - 17:53

Die "Dolomiten"-Kritik an der Finanzierung von RAI-Südtirol ist natürlich vollkommen überzogen und ungerechtfertigt. Wenn die Programme gut wären, wäre das Geld mehr als gerechtfertigt. Was aber wegen der wohl aus Athesia-Eigeninteresse vorgebrachten plumpen Kritik an der Finanzierung leider zu kurz kommt, ist die durchaus berechtigte Kritik an der Qualität von RAI-Südtirol. Als Journalist kann ich über die extreme Einseitigkeit, Oberflächlichkeit und Fehlerhaftigkeit der Nachrichtensendungen nur den Kopf schütteln, als normaler Radiohörer kann ich nur darüber staunen, mit welcher Sturheit und Arroganz die Moderatoren ihren eigenen, höchst diskutablen Musikgeschmack den Hörern auszwängen wollen, obwohl sie genau wissen, dass die Mehrheit der Hörer sich dadurch verarscht fühlt. Einige wenige gute bis hervorragende Sendungen, die bei Bedarf als Feigenblatt herangezogen werden, können daran nichts ändern. Die Formel "das Land zahlt, der Staat kommandiert", hat sich für den sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunk als verhängnisvoll erwiesen.
Vor Jahren hat mich der damalige RAI-Sender-Bozen Chefredakteur Hansjörg Kutschera gefragt, ob ich zur Mitarbeit bei der RAI bereit wäre. Nach einigen Monaten kam das Nein aus Rom. Offenbar hatte man dort die Dossiers der Carabinieri und der politischen Polizei studiert und festgestellt, dass meine Italophilie zu wünschen übrig ließ. Diese Methoden haben sich bis heute nicht geändert, weshalb man sich über die Tendenz der Nachrichtensendungen eigentlich nicht zu wundern braucht.

Fr., 20.01.2017 - 17:53 Permalink
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Sell Woll Sa., 21.01.2017 - 12:18

Als Anhänger des aktuellen Dienstes der RAI Südtirol muss ich Herrn Staffler in einigen Punkten beipflichten. Bei den erst kürzlich wieder diskutierten Gehältern sind gewisse inhaltliche und sprachliche Fehler inakzeptabel. Wenn Begriffe aus dem angelsächsischen Kulturkreis französisch ausgesprochen werden, ist das dilettantisch. Wenn eine junge Mitarbeiterin mit einer Aussprache daherkommt, dass ich jedesmal Sender wechsle, dann könnten einem - trotz souveräner Mitarbeiter wie Zeno Breitenberg - Zweifel an den Auswahlkriterien für das Personal kommen. Und ja, bei aller Subjektivität des Musikgeschmacks der Hörer, ich glaube, ich könnte bei den meisten ModeratorInnen sagen, in welchem Jahrzehnt sie ihre Jugend durchlebten.
Zu Olympia schrieb bereits die Tageszeitung unübertroffen: Südtirol scheint mehr Journalisten in Rio zu haben als Sportler.

Sa., 21.01.2017 - 12:18 Permalink