Politik | Bozen-Rom

Keine Waffenruhe auf der A22

Das Hü und Hott in Sachen A22-Konzession geht weiter. Minister Toninelli wirft der Lokalpolitik vor, die A22 als “Goldesel” zu missbrauchen. Hier reagiert man irritiert.
Schnecken
Foto: Pixabay

Foto gibt es keines. In der Nachricht aber, die am Donnerstag Abend um 20.15 Uhr von der Landespresseagentur verschickt wird, steht es schwarz auf weiß: Danilo Toninelli war bei dem Termin dabei. Doch liest man die Aussagen des 5-Sterne-Ministers im Anschluss an das Treffen, kommen Zweifel auf, ob er tatsächlich im selben Zimmer wie Arno Kompatscher gesessen hat. Denn während sich der Landeshauptmann zuversichtlich zeigt, dass die verschleppte Vergabe der A22-Konzession an die BrennerCorridor AG endgültig auf ein glückliches Ende zusteuert, bremst der Minister. Wieder einmal. Dem nicht genug, Toninelli attackiert Südtirol und das Trentino. Wo man sich wiederum erstaunt zeigt – und mit mehr oder weniger diplomatischen Worten auf die jüngsten verbalen Entgleisungen Toninellis reagiert.

 

“Vom Tisch”

In Rom stand am Donnerstag die Vereinbarung zur öffentlichen Führung der A22 auf der Agenda des Interministeriellen Ausschusses für Wirtschaftsplanung, kurz CIPE. Dieser muss die Konzessionsvergabe absegnen. “Wir sind auf einem guten Weg, um die Frage endlich zu einem guten Abschluss zu bringen”, meldet Arno Kompatscher danach. Der gerade wieder gewählte Landeshauptmann war als Präsident der Region Trentino-Südtirol nach Rom gereist, um über den Vereinbarungstext zu verhandeln, unter anderem mit Ministerpräsident Conte, Wirtschaftsminister Tria, Regionenministerin Stefani, Staatssekretär Giorgietti – und Infrastrukturminister Toninelli.

Nachdem der Zwist um die Nominierung des Präsidenten des neu einzurichtenden Kontrollausschuss der öffentlichen Inhouse-Gesellschaft BrennerCorridor AG gelöst war, galt es weitere Stolpersteine zu beseitigen. Unter anderem die Rückforderung der Einnahmen der Brennerautobahn AG der vergangenen vier Jahre. In dem am 28. November 2018 genehmigten CIPE-Beschluss Nr. 68 heißt es:

“Il MIT (das Ministerium für Infrastrukturen und Transport, Anm.) deve assicurare che […] alla data della nuova stipula, al netto dei benefici registrati per il protrarsi della gestione della concessione oltre la scadenza del 30 aprile 2014, tale valore, ove a debito del concessionario, sia versato all’entrata del bilancio dello Stato in quanto spettante al concedente.”

“Unter diesen Voraussetzungen werden wir gar nichts unterschreiben”, drohte Landeshauptmann Kompatscher, den Deal mit dem Verkehrsministerium platzen zu lassen – und kehrte schließlich an den Verhandlungstisch zurück. Am vergangenen Donnerstag dann die (vorläufige) Erfolgsmeldung: “Unsere Hauptsorge, nämlich dass die Autobahngesellschaft die nicht wieder investierten Gewinne der vergangenen vier Jahre an den Staat rückerstatten müsste, ist vom Tisch”, meldet Kompatscher.

 

“Beute von 120 Millionen Euro”

Tags darauf geht Danilo Toninelli mit einer völlig anderen Botschaft an die Öffentlichkeit. “Non è accettabile che qualcuno ancora oggi non voglia apporre l’ultima firma e tagliare il traguardo solo perché, diciamocelo, ha l’obiettivo di tenersi il vecchio bottino, beginnt die Aussendung des Ministers zur A22-Konzession am Freitag. Es ist klar: Toninellis Attacke geht Richtung Kompatscher, der als Präsident die Region und damit die Mehrheitseigentümerin der neuen Autobahngesellschaft vertritt.

“Il vecchio bottino”, die “alte Beute”, von der der Minister spricht, seien 120 Millionen Euro an “Extragewinnen”, die die Brennerautobahn AG in den vergangenen vier Jahren eingefahren habe. Dass die Gesellschafter diese 120 Millionen Euro “nicht zurückgeben” wollten, wie Toninelli in den Raum stellt, sei “vorhersehbar” gewesen – “hat der Goldesel allein 2017 33 Millionen Euro an Dividenden abgeworfen”.

Die A22 als “Goldesel” für “Private” und “einige Lokalpolitiker”, die mit der “Beute” “Vetternwirtschaft” betrieben – diese schweren Anschuldigungen kommen von Infrastrukturminister Toninelli. Bestärkt vom Südtiroler M5S-Landtagsabgeordneten Diego Nicolini: Der Minister habe sich mit den lokalen M5S-Sprechern besprochen bevor er “diese wichtigen Erklärungen” abgegeben habe, applaudiert Nicolini auf Facebook, bezeichnet die A22 als “Bankomat der Politik”.

 

Polemik vorporgrammiert

Auf der anderen Seite sehen Toninelli und seine Anhänger die Regierung und sein Ministerium, die sich als einzige um das öffentliche Interesse sorgten: “Abbiamo sbloccato la situazione, risolvendo i problemi, sciogliendo tutti i nodi giuridici e convincendo, dopo una trattativa difficile, la Ue della bontà dello schema di convenzione, evitando che la gestione dell’A22 ed i relativi profitti finissero ai privati e siamo pronti a valorizzare i territori attraverso l’affidamento al settore pubblico locale.”

In der letzten Zeile seiner Aussendung schickt der Minister eine leise Drohung mit: “Die Zeiten haben sich geändert und man muss aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen, denn dann zerbricht er.” (“I tempi sono cambiati e bisogna stare attenti a tirare troppo la corda, perché la corda poi si spezza.”)

Einem ist der Geduldsfaden jedenfalls bereits gerissen: Der ehemalige Trentiner Landeshauptmann Ugo Rossi verurteilt die Worte Toninellis scharf. Sie seien “beschämend und eines Ministers nicht würdig”, twittert Rossi. In der Region gebe es keine “Beute” und keine Politiker, die sie verteilten.

Tatsächlich verzichten die A22-Konzessionäre seit 1998 auf die Ausschüttung des Gewinnes aus den Mauteinnahmen. Auch bei einer Inhouse-Vergabe würde der neue Konzessionär, die BrennerCorridor AG, auf Dividenden verzichten. “Die neue Gesellschaft wurde zu ebendiesem Zweck gegründet – um das öffentliche Interesse zu wahren und nicht mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, sondern die Gelder wieder zugunsten des Territoriums zu investieren.” Es ist ein sichtlich irritierter Arno Kompatscher, der Danilo Toninelli nach monatelangen Verhandlungen nun “Nachhilfe” in Sachen A22-Konzessionsvergabe gibt. Das neue, zu hundert Prozent öffentliche Führungsmodell für die Brennerautobahn, “haben ich und Ugo Rossi gewollt”, rückt Kompatscher das schiefe Bild, das Toninelli zeichnet, zurecht.

Im Gegensatz zu seinem ehemaligen Trentiner Amtskollegen muss Kompatscher diplomatischere Töne anschlagen. Toninellis Aussagen – “sicher ein Missverständnis, das wir bei der nächsten Sitzung ausräumen werden”, so der Landeshauptmann. Er bleibe “zuversichtlich und ich werde kein weiteres Öl ins Feuer gießen”, sagt Kompatscher. Der neue Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti (Lega) meint lapidar: “Das Problem ist der Minister.”

 

Feuer am Dach

Irritation hin, Polemik her – die Zeichen scheinen ernsthaft weniger gut zu stehen als Arno Kompatscher öffentlich kundtut. Am 28. Dezember wurde der CIPE-Beschluss im Amtsblatt der Republik veröffentlicht, samt Punkt 4, der die Rückgabe der Einnahmen der Brennerautobahn AG der vergangenen vier Jahre an den Staat vorsieht. “Daher steht es außer Diskussion: Wir werden innerhalb des letztmöglichen Termins, dem 27. Jänner, Rekurs beim Verwaltungsgericht im Latium einreichen”, verkündet der Präsident der Brennerautobahn AG Luigi Olivieri.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Erfolgsmeldung des Landeshauptmannes in Sachen A22 als verfrüht herausstellt. Am Mittwoch (23. Jänner) findet indes das nächste Treffen in Rom statt. Gesprächsbedarf herrscht nach dem langwierigen Hü und Hott ganz offensichtlich noch reichlich.