Gesellschaft | Ehrenzeichen

Verdiente Tiroler(innen)

Hervorragendes Wirken zum Wohle des Landes Tirol wurde am heutigen Andreas-Hofer-Gedenktag in Innsbruck geehrt. Die Laudatios für die Südtiroler Preisträger.
alle.jpg
Foto: Land Tirol

Symbolträchtige Feierlichkeit für zwölf verdiente Persönlichkeiten aus Tirol und Südtirol: Am heutigen Andreas-Hofer-Gedenktag verliehen Tirols Landeshauptmann Günther Platter und sein Südtiroler Amtskollege Arno Kompatscher im Riesensaal der Hofburg in Innsbruck des Ehrenzeichens des Landes Tirol. Jedes Jahr am 20. Februar wird diese hohe Tiroler Landesauszeichnung an Persönlichkeiten aus Tirol und Südtirol für ihr hervorragendes öffentliches oder privates Wirken zum Wohle des Landes vergeben.

In diesem Jahr hat das Datum eine besondere Bedeutung, wie Landeshauptmann Platter mit Verweis auf das Gedenkjahr 2018 unterstrich: „Tirol wurde in Folge des Ersten Weltkriegs zerrissen und die Unrechtsgrenze am Brenner schmerzt bis heute. Wir begehen diesen Tag gemeinsam, als Zeichen, dass Tirol heute in der Europaregion geeint ist, im Sinne des europäischen Geistes zusammenarbeitet und dabei nicht rückwärtsgewandt, sondern zukunftsorientiert ist.“ 

„Persönlichkeiten aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen in Wirtschaft, Kultur, dem Sozial- oder dem Gesundheitsbereich haben ihren Teil dazu beigetragen haben, um Tirol zu einem so lebenswerten Land zu machen“, sagte der Tiroler Landeshauptmann. „Verantwortung zu übernehmen und für andere da zu sein, das ist heute wichtiger denn je. Ich danke den neuen Ehrenzeichenträgerinnen und Ehrenzeichenträgern für ihren persönlichen Einsatz“, ergänzte Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Neben den drei Südtiroler Ausgezeichneten, Margit Fliri-Sabbatini, der ehemaligen Präsidentin des Jugendgericht Bozen, dem Gründer und Leiter Verlag Edizioni alphabeta Aldo Mazza und dem Geistlichen Assistenten des Katholischen Verbandes der Werktätigen und Arbeiterpriester Josef Stricker wurde das Ehrenzeichne an folgende Tiroler verliehen:

  • Gregor Bloéb, Schauspieler
  • Jakob Bürgler, Bischofsvikar der Diözese Innsbruck
  • Günther Gastl, Direktor Innere Medizin Innsbruck
  • Elisabeth Grassmayr, Seniorchefin Glockengießerei Grassmayr
  • Hermann Hotter, Ehrenpräsident Tiroler Kameradschaftsbund
  • Herlinde Menardi, Direktorin des Tiroler Volkskunstmuseums a. D.
  • Georg Rammlmair, ehemaliger Präsident des Weißen Kreuzes
  • Johanna Schwab, Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern
  • Marianne Stöger, Lepra-Krankenschwester in Südkorea

In den Laudatios wurden die frischgebackenen TrägerInnen des Ehrenzeichens entsprechend gewürdigt. Hier die Auszüge aus den Reden von Aldo Mazza, Margit Fliri-Sabbatini und Josef Stricker.

Margit Fliri Sabbatini, frühere Präsidentin des Jugendgerichts in Bozen

Sie wurde in Salzburg geboren und wuchs in Meran auf. Nach Abschluss der Mittelschule empfahlen die Professoren der Mutter, ihre Tochter Margit doch ins Humanistische Gymnasium von Meran zu schicken: damit ihr die Tür zu jedem Universitätsstudium offen stehe. Nach der erfolgreichen Reifeprüfung fand die junge Frau eine Stelle als Deutschlehrerin an der Dolmetscherschule von Ancona. So war es ihr möglich, in Macerata, an einer der ältesten Universitäten Italiens, Rechtswissenschaften zu studieren – ohne ihrer Mutter, einer Witwe mit vier Kindern, „auf der Tasche zu liegen“, wie sie selbst formuliert.

Margit Fliri Sabbatini wurde 1970 die erste Richterin in der Region Trentino-Südtirol – bis 1963 war Frauen der Zugang zum Richteramt kraft Gesetzes verwehrt gewesen. Ihre Laufbahn führte sie zunächst an die Bezirksgerichte Meran und Kaltern, danach an das Landesgericht Bozen. 1996 wurde ihr als Präsidentin der Vorsitz des neu gegründeten Jugendgerichtes in Bozen übertragen. Von 2008 bis zur ihrer Pensionierung im Jahr 2010 vertrat sie als leitende Staatsanwältin die Anklagebehörde. Beim Jugendgericht handelt es sich um eine autonome, spezialisierte Gerichtsbehörde erster Instanz für alle Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren, die Minderjährige unter 18 Jahre betrifft. Zuständigkeiten bestehen für Strafhandlungen, Wiedereingliederungsmaßnahmen sowie die Ausübung des elterlichen Sorgerechts, der Vormundschaft, der Sachverwaltung, dem Beistand, der Pflegekindschaft und der Adoption von Minderjährigen.

Über ihre beruflichen Pflichten hinaus zeichnete sich Dr. Fliri Sabbatini durch ihren ehrenamtlichen Einsatz für die Kontaktpflege mit Einrichtungen der Rechtspflege im deutschsprachigen Ausland aus. Im selben Atemzug ist ihre engagierte Lehrtätigkeit für Richter und Staatsanwälte zu nennen genauso wie ihr mit Charme und Augenmaß ausgestatteter Einsatz für Frauenrechte. Nicht zuletzt trat sie in der Öffentlichkeit regelmäßig für den Kinder- und Jugendschutz ein.

Das Jugendgericht hat in Italien die Möglichkeit, einen Strafprozess bis zu drei Jahre auszusetzen, um den Angeklagten die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung zu geben. Die Minderjährigen werden für diese Zeit einem „Erziehungsprojekt“ übergeben: Meist ist dies eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft. Bei Erfolg wird keine weitere Strafe verhängt. Auch existiert in Italien die Möglichkeit der „gerichtlichen Vergebung“: Jugendliche mit positiver Sozialprognose, die einmal „ausgerutscht“ sind, können so straffrei ausgehen.

Über die Verfehlung Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte. Ziel ist es, die Rückfallkriminalität heranwachsender Menschen zu vermeiden. Als Richterin und Staatsanwältin hat sich Dr. Fliri Sabbatini immer in vorbildlicher Weise in jedem einzelnen Fall für das Wohl jener Kinder und Jugendlichen eingesetzt, deren Schicksale ihr im Rahmen des Jugendgerichts anvertraut wurden. Überhaupt hat sich diese integre Persönlichkeit des Justizwesens größte Verdienste um die Gerichtsbarkeit in Südtirol erworben. Dies ist mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol zu würdigen.

 Aldo Mazza, Gründer und Leiter des Verlages Edizioni alphabeta

Aldo Mazza stammt aus Kalabrien, lebt in Meran und wird im April 70 Jahre alt. Wegen seiner Frau, mit der er bald 50 Jahre verheiratet ist, war er von Salerno in Süditalien nach Südtirol gekommen. Er unterrichtete zunächst Italienisch in der deutschsprachigen Mittelschule. Mit seinen Schwiegereltern sprach er immer nur Deutsch, besser gesagt Südtiroler Dialekt und hat auch bei ihnen irgendwann das Eis brechen können. Er empfand dieses Land zunächst aber als „Wildwest“. Meran war für ihn „exotisch“.

Der studierte Jurist Aldo Mazza gründete den Verlag Edizioni alphabeta, der seit rund 30 Jahren in Südtirol tätig ist und Bücher in beiden großen Landessprachen Deutsch und Italienisch veröffentlicht. Die Verlagstätigkeit ist ein Teil der Gesamtphilosophie von alphabeta, welches sich als globales Bildungs- und Kulturprojekt in der mehrsprachigen, multi- und interkulturellen Region Südtirol versteht. Außerdem wird eine Sprachschule in Bozen und Meran betrieben. Mit alphabeta versuchte Aldo Mazza einen Ort des praktizierten Zusammenlebens zu schaffen, um getrennte Gesellschaften zu verknüpfen. Er hat drei große Leidenschaften: neben der Sprachvermittlung Fußball und Rauchen.

Die verlegerische Tätigkeit hat mit der Veröffentlichung von didaktischen Materialien zum Spracherwerb, mit Essays und Forschungsarbeiten zu den Themen Spracherwerb, Soziolinguistik und Interkulturalität begonnen. In der Zwischenzeit erscheint eine Belletristik-Reihe mit Erzählungen in deutscher und italienischer Sprache sowie Romanen. Mit „Stille Post“ wurde die erste Anthologie in deutscher Sprache zur Südtiroler Literatur verwirklicht, die auch italienischsprachige Autoren vorstellt. Dr. Mazza wirkte auch als Hochschuldozent in Somaliland, Klagenfurt und Bozen.

„Stare insieme è un’arte“ heißt der Titel des Buches, das er gemeinsam mit dem Journalisten Lucio Giudiceandrea schrieb: Ein funktionierendes Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen ergibt sich demgemäß für Aldo Mazza nicht von allein. Dafür muss man etwas leisten. Es geht um ein Handwerk, mehr noch um eine Kunst, die man erlernen und pflegen muss. Jeder Einzelne ist aufgerufen, daran zu arbeiten. Sind die gegenseitigen Sprachkenntnisse besser, gestalten sich auch die Beziehungen zwischen den Sprachgruppen besser. Damit man miteinander und nicht nur nebeneinander leben kann, trägt dafür ein jeder Verantwortung.

Eine Sprache zu lernen, heißt sich eine neue Welt zu erschließen: Unter diesem Motto hat sich Dr. Aldo Mazza unermüdlich und konsequent für die Verständigung der deutschen und italienischen Sprachgruppe in Südtirol eingesetzt. Diese ausgezeichneten Verdienste werden mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol gewürdigt.

Josef Stricker, Geistlicher Assistent des Katholischen Verbandes der Werktätigen in Südtirol

Er war der älteste Bauernsohn vom höchsten Kornhof Tirols, nicht nur Südtirols, auf stolzen 2.000 Metern Seehöhe, wo heute noch Roggen angebaut wird: Ein Kind aus dem hintersten Martelltal im Vinschgau, das über viel Neugier und große Leselust verfügte. Der jüngere Bruder übernahm den elterlichen Stallwieshof. Josef Stricker maturierte hingegen am Johanneum in Dorf Tirol und wurde ein Priesterseminarist in Trient, der mit größter Aufmerksamkeit das damals gleichzeitig in Rom stattfindende Vatikanische Konzil verfolgte.

Die Tätigkeit als Kooperator in Mölten am Tschögglberg nach der Priesterweihe im Jahr 1964 war nicht von Dauer. Obwohl ein ausgesprochener Bergnarr zog es ihn nach Bozen, wo er für den Katholischen Verband der Werktätigen aktiv wurde. Anfang der 1970er-Jahre gab es auch in Südtirol eine Gruppe junger Priester, die Seelsorge auf eine neue, lebensnähere Weise betreiben wollten. Josef Stricker wurde einer von ihnen. Bischof Gargitter wagte damals das Experiment und schickte Arbeiterpriester. Der Arbeitsplatz des Priesters Stricker wurde die Fabrik in der Bozner Industriezone.

Josef Stricker wurde Arbeiter, blieb aber Priester. Der kompetente, sprachgewandte und konfliktstarke Arbeiter wurde bald hauptamtlich Gewerkschafter: 26 Jahre lang, bis 2001. Josef Stricker zählt zu Südtirols besten Gewerkschaftern der 1980er und - 90er-Jahre. Anstelle endloser Diskussionen zog er die klare, scharfe Wortmeldung vor. Josef Stricker blieb dabei immer auch Geistlicher. Er galt als „Priester am Kirchenrand und für Randständige vor allem“.

In der Folge leistet der ehemalige Arbeiterpriester Aushilfen in Pfarreien, übernimmt Predigten, referiert auf Tagungen und geht als Geistlicher Assistent des Katholischen Verbandes der Werktätigen einem Beruf nach. Josef Stricker ist heute eine Autorität, die das soziale Gewissen Südtirols verkörpert. 2010 erhielt er den Bischof Gargitter- Preis. 2014 feierte der Geistliche sein 50jähriges Priesterjubiläum.

Josef Stricker nimmt nach wie vor die Zeiterscheinungen kritisch unter die Lupe. Vor allem die Rolle der Arbeit in unserer Gesellschaft, die Sozialpolitik und die Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Leben beschäftigen den Priester. Er teilt die Kritik des Philosophen Martin Heidegger an einem technischen Fortschritt, der dem rein rechnenden Denken gegenüber dem besinnlichen Denken die Oberhand verschafft habe. Es gelte, das Wesen des Menschen zu retten. Darum sei das Nachdenken wach zu halten.

Die hervorragenden Verdienste Josef Strickers, der sich als Geistlicher mit Unerschrockenheit, Eindeutigkeit und Überzeugungskraft stets für die soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat, werden mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol gewürdigt.