Kultur | Salto Afternoon

Liebestoll und gottesfürchtig

Der junge Regisseur Joachim Goller spricht über das Stück, welches ab 22.3. auf der Dekadenz-Bühne in Brixen zu sehen sein wird: "Die Präsidentinnen" von Werner Schwab.
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Foto: Foto: Michaela Zetzlmann

salto.bz: Sie sind Jahrgang 1992. Beinahe gleich alt wie das Stück „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab, welches 1990 uraufgeführt wurde. Was verbindet Sie mit diesem Stück sonst noch?
Joachim Goller:
Die Direktheit und der Humor. Natürlich sind die Präsidentinnen nochmal etwas schmerzfreier als ich. Im Stück wird generell viel gesprochen, vielleicht ist das auch etwas, das sich mit mir verbinden lässt. Aus mir sprühen häufig Anekdoten und ich rede sehr gern in Bildern um Sachverhalte oder Emotionen für mich zu erklären. Und ich versuche häufig durch das Aussprechen gewisser Diskurse für mich eine Position zu finden. Da konstruiere ich eine Verbindung. Und natürlich finde ich auch Reizmomente im Stück, wenn ich es im Hinblick auf meine persönlichen Entwicklungen sehe. 

Wie aktuell ist das Stück von Werner Schwab 2018?
Ich bin überzeugt davon, dass sich Aktualität in sehr vielen Fällen durch eine bewusste Lesart steuern lässt. Wir leben in einer Zeit, in der sich gesellschaftliche Kategorien über unterschiedliche Positionierungen und Sichtweisen – die ich als Folge solcher Prozesse sehe – mehr oder weniger subtil abzeichnen und sich auch in der Politik, im Konsum, in der Kultur wiederspiegeln. Aus diesem Gesichtspunkt finde ich den Text enorm treffend für 2018. 

Der Text nimmt durch seine Derbheit und auch die hermetische Denkweise den Charakter der Hasspostings auf.

Bei „Die Präsidentinnen“ habe ich den Eindruck, dass es sich um eine Parabel darüber handelt, wie sich Glaubensüberzeugungen und Dogmatismen durch unterschiedlich gefilterte Informationsaufnahmen festigen. Klingt sehr technisch. Konkret: Wir alle werden den ganzen Tag bespielt und bebildert; sei es von den Medien oder auch dem persönlichen Umfeld. Aus den daraus gesammelten Eindrücken und gefundenen Leitfiguren baut sich eine Grundhaltung oder eine Überzeugung, mit der wir dann rückgekoppelt auf die Welt reagieren. Und diese Sichtweise entwickelt sich bei jedem von uns anders - je nach Informations- oder auch Bildungszugang. 

Als gottesfürchtig, liebestoll und minderbemittelt, werden „Die Präsidentinnen“ beschrieben. Wie werden sie in Brixen von Ihnen in Szene gesetzt?
Natürlich kann man sich von den auch leicht parodistisch angehauchten Adjektiven gottesfürchtig, liebestoll und minderbemittelt bei der Figurenzeichnung nicht völlig abwenden. Trotzdem haben wir uns in den ersten Probenwochen darum bemüht, die Figuren näher zu locken, sogenannte „ehrliche“ Töne zu finden, die Sorgen und Leiden der Figuren auch eher anzunehmen als auszustellen und ruhige Momente im Text zu finden. Anschließend muss sich die Figur natürlich auch im Hinblick auf den Gesamtrhythmus und dem Stückgenre mitformen, ebenso tritt die Gesamtentwicklung des durchaus unterhaltenden Textes in den Mittelpunkt. Was dabei rausgekommen ist, festigt sich gerade in den letzten Zügen.

Es passiert nicht selten, dass die Texte am schönsten rauskommen, wenn alle erschöpft sind - da kommen sie nämlich einfach nur noch raus - ohne große Überlegung, sondern schlichtweg „…wie sie heraus wollen“

Deftige Ausdrücke, skurrile Wortverbindungen, um die schöngeistige Literatursprache zu demaskieren und zu verhöhnen: Das war Schwabs Anspruch. Wie derb und deftig klingt Schwab in Zeiten von Hass-Postings…
Der Text nimmt durch seine Derbheit und auch die hermetische Denkweise den Charakter der Hasspostings auf. Allerdings flechtet Schwab diese ganzen Auswürfe und Reizworte hochpoetisch zusammen. Was der Derbheit trotzdem wenig wegnimmt. Grade seine Sicht auf den menschlichen Körper hat auch Potential bei dem Publikum auf  starke Ablehnung oder lieber auch Befreiung zu stoßen.

Im Stück heißt es „Man muss die Wörter sprechen, wie sie heraus wollen...“ Umgemünzt auf ihre Arbeit als Regisseur, empfinden Sie dieses Schwab-Zitat, als Fluch oder Segen?
Ich glaube es kann beides sein. Die Wörter sprechen wie sie herauswollen, ist für mich eigentlich eine Art Idealvorstellung, nach der man ja ständig im Probenprozess sucht. Gerade wenn man auch eigensinnige ästhetische Überlegungen mit in die Arbeit bringt, ist es oft schwierig in dem visuellen Prozess auch die stimmigen Töne zu finden. Je nachdem wie sich die Suche nach dem Ton gestaltet, handelt es sich dann wahrscheinlich um Fluch oder Segen. Es passiert nicht selten, dass die Texte am schönsten rauskommen, wenn alle erschöpft sind - da kommen sie nämlich einfach nur noch raus - ohne große Überlegung, sondern schlichtweg „…wie sie heraus wollen“