Gesellschaft | Digitalisierung

Leere Mauthäuschen?

Fallen die Mauteinheber der fortschreitenden Automatisierung zum Opfer? Über ein unaufhaltsames Phänomen, das nun auch Pius Leitner Kopfzerbrechen bereitet.
Mauthäuschen
Foto: upi

Die Nachricht, dass die fortschreitende Digitalisierung über kurz oder lang rund neun Prozent aller Jobs gefährdet, sorgte vergangene Woche für reichlich Schlagzeilen und Diskussionsstoff in Österreich. 360.000 Arbeitsplätze könnten laut einer Studie des österreichischen Instituts für Höhere Studien (IHS) mittelfristig von maschinellen Prozessen übernommen werden. Eine ähnliche Studie der OECD war Mitte 2016 zum Schluss gekommen, dass in Deutschland zwölf und und in Italien acht Prozent der Jobs dem Risiko ausgesetzt sind, künftig von Maschinen, Roboter oder Computern durchgeführt zu werden. Eine weitere Studie eines deutschen Beratungsunternehmens geht sogar davon aus, dass bis 2030 bis zu 35 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland durch Automatisierung wegfallen könnten. Eines zeigt sich trotz zum Teil stark schwankenden Prozentsätzen deutlich: Die Digitalisierung und Automatisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt schreitet voran und verändert viele Berufe. Dass mit dieser Entwicklung nicht nur Vorteile wie Arbeitserleichterung, schnellere Abwicklung von Arbeitsprozessen und mehr Flexibilität einhergehen, will nun Pius Leitner an einem Fallbeispiel aufzeigen. Dem Freiheitlichen Ehrenobmann ist der Wandel, den die digitale Revolution mit sich bringt, nicht verborgen geblieben. Ein Blick auf die Brennerautobahn genügt.

Im Jahr 2011 wurden bei den Autobahnausfahrten automatische Kassen eingeführt, an denen die Autofahrer in bar oder bargeldlos die Maut bezahlen können. Dadurch wurde eine Möglichkeit geschaffen, neben dem Telepass-System, den Verkehr schneller abzufertigen und die Staugefahr an den Mauthäuschen zu reduzieren. Eine wünschenswerte Absicht, stimmt Pius Leitner zu. Andererseits ist er auch besorgt, denn die fortschreitende Automatisierung der Verkehrsabläufe habe dazu geführt, dass viele Bedienstete in den Mauthäuschen inzwischen um ihre Arbeit bangten. Seit 2011 ist die Anzahl der Mauteintreiber aus Südtirol, die die Brennerautobahn AG mit unbefristetem Vertrag beschäftigt, von 124 auf 107 zurück gegangen – und wird wohl weiter sinken, wie aus der Antwort von Regionalratspräsident Arno Kompatscher auf eine Anfrage von Pius Leitner hervorgeht. Darin heißt es: “Die Anzahl der Mauteinheber wird aufgrund der heute bereits vorhandenen Technologien und der zukünftigen Installation neuer Technologien (…) ständig angepasst werden müssen.”

“Der massive Einsatz von modernen Technologien ist Garant für den weiteren Abbau von Arbeitsplätzen”, klagt Leitner, der davor warnt, dass Automatismen zusehends Arbeitsplätze “vernichten” würden. So geht er unter anderem davon aus, dass “das Berufsbild des Mauteintreibers für die Zukunft nicht gesichert” sei. Die zunehmend geringere Zahl der Bediensteten in Mauthäuschen widerspreche im Übrigen “dem ursprünglichen Versprechen der Politik, als Ausgleich für die Belastungen durch die Autobahn Arbeitsplätze für die Menschen vor Ort zu schaffen”, so Leitner. Doch ganz so schwarz muss der Freiheitliche nicht sehen. “Der Beruf des Mauteinhebers ist keiner, den es künftig nicht mehr geben wird. Vielmehr werden die Aufgaben, die ein Mauteinheber verrichtet, überdacht und neu organisiert – zunehmend in Richtung Kontroll- und Instandhaltung”, hatte der Geschäftsführer der Brennerautobahn AG Walter Pardatscher Ende Februar versichert. Wandel ja, der Automatisierung zum Opfer fallen nein, soll es also für den Beruf des Mauteintreibers heißen – wie für so viele andere auch. Ein weiteres Trostpflaster für Pius Leitner: Laut einer Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und der Universität Utrecht zerstört die Digitalisierung zwar Arbeitsplätze, schafft gleichzeitig aber auch neue – mit positiven Folgen für die Arbeitsnachfrage. Konkret haben die Forscher die Auswirkungen des technologischen Wandels zwischen 1999 und 2010 in mehreren europäischen Regionen untersucht und sind zum Schluss gekommen: “Der Mensch rennt vielmehr mit anstatt gegen die Maschine”. Das zeigt sich auch bei der Brennerautobahn. Während die Mauteineber seit 2011 weniger geworden sind, ist die Zahl der Büroangestellten aus Südtirol seither von 28 auf 33 gestiegen.

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gorgias Do., 20.04.2017 - 14:58

Pius Leitner hat sich nun in den modernen Maschinenstürmer eingereiht.
Warum verbieten wir nicht den Self-Service bei Tankstellen wie es in den US-Bundesstaaten New Jersey und Oregon der Fall ist.
In Japan werden Liftbediener von Unternehmen bezahlt als soziale Maßnahme.
Warum nicht auch für Ampeln gesetzlich einen Aufpasser vorgesehen der im Fall eines Stromausfall den Verkehr regelt.

Ja mit ein bisschen Phantasie kann man sich eine Menge bescheuerte Jobs ausdenken.

Ein anderer Ansatz wäre vielleicht das bedingungslose Grundeinkommen. Wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinander setzen möchte kann sich das Buch Extrem Gerecht vom Ökonomen Thomas Straubhaar mal ansehen.

Do., 20.04.2017 - 14:58 Permalink