Wirtschaft | Arbeitsmarkt

Wunder mit Kehrseite

Wirtschaftsaufschwung, Jobwunder und positive Stimmung. “Südtirols Arbeitnehmer haben im Moment eher wenig davon”, heißt es aus dem AFI.
Jobwunder
Foto: upi

Eine Medaille hat bekanntlich immer zwei Seiten. Da macht jene des “Jobwunders”, von dem in Südtirol aktuell gesprochen wird, keine Ausnahme. Seit Jahresanfang hat sich der positive Trend am Arbeitsmarkt fortgesetzt. So lag die Arbeitslosenrate zuletzt bei 3,7 Prozent, wie Arno Kompatscher vor Kurzem zufrieden feststellte. “Wir erwarten uns, dass die Rate weiter fällt und sich bei 3,2 Prozent einpendeln wird”, so der Landeshauptmann. Zuversichtlich zeigen sich auch die heimischen Unternehmer: 92 Prozent rechnen laut dem WIFO der Handelskammer Bozen für 2017 mit einem positiven Geschäftsergebnis. “Das ist der höchste Wert in den vergangenen zehn Jahren”, betonte der Präsident des Südtiroler Wirtschaftsrings Leo Tiefenthaler Anfang April.

Die Kehrseite des Ganzen? Die zeigt nun das Arbeitsförderungsinstitut AFI auf. Der wirtschaftliche Aufschwung, darin stimmt AFI-Direktor Stefan Perini der allgemeinen Zufriedenheit zu, festigt sich, aber: “Südtirols Arbeitnehmer haben im Moment eher wenig davon.” Mit Sorge blickt man beim AFI etwa auf den Anteil der Festanstellungen, der “noch nie so gering war wie derzeit”: 2016 waren 74 Prozent der Arbeitnehmer mittels unbefristetem Vertrag beschäftigt. Zum Vergleich: Im Jahr 1998 waren noch 82,4 Prozent der Arbeitsverhältnisse unbefristet. Der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse ist im selben Zeitraum von 17,6 auf 26 Prozent angestiegen. “Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Beschäftigungszuwachs in Südtirol ausschließlich auf den Vormarsch von Teilzeitarbeit zurückzuführen ist”, gibt man beim AFI zu bedenken. So sind die Teilzeit-Arbeitsverhältnisse zwischen 2002 und 2016 von 15.000 auf 52.000 angestiegen. “Das neue Jobwunder kommt also vielfach durch die Vermehrung der ‘Jobs mit Ablaufdatum’ und der ‘Jobs mit reduzierter Arbeitszeit’ zustande”, kommentiert AFI-Präsidentin Christine Pichler. In ihrem Institut spricht man daher vom “Jobwunder des Prekären und der Teilzeit”.

Ein weiterer Beweis, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigt das momentane Stimmungsbild der Arbeitnehmer, das im Gegensatz zu jenem der Unternehmer deutlich negativer ausfällt. Trotz der wirtschaftlichen Erholung auf internationaler Ebene, dem zusehends freundlicheren Südtiroler Arbeitsmarkt und optimistischen Prognosen für das Wirtschaftswachstum – das AFI rechnet mit einem Plus von 1,4 Prozent für 2017 –, ist die Stimmung bei den Arbeitnehmern weiter gedrückt. “Aktuell geben 31 Prozent an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht”, meldet das AFI. Damit der Aufschwung auch bei den Arbeitnehmern ankommt, sei es notwendig – und auch machbar –, “die Arbeitsplätze zu stabilisieren und die Löhne nach oben anzupassen”, fordert AFI-Präsidentin Pichler.

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Sell Woll Do., 20.04.2017 - 15:10

Die Teuerungen im Gastgewerbe lassen jedenfalls einen einheimischen Arbeitnehmer wie Friedl mit der leeren Tasche dastehen: Schokolade +15%, Wasser +10%, Pizza +1 €, Espresso kaum mehr unter 1,40 - alles seit Jahresbeginn ...

Do., 20.04.2017 - 15:10 Permalink