Wirtschaft | Pestizide

Erste Einigung

Mit einer Vereinbarung zwischen den Vinschger Obstproduzenten und Bioverbänden soll das Abdriftproblem in den Griff bekommen werden. Doch reicht das tatsächlich aus?
Vereinbarung Abdrift
Foto: LPA

Es sind gewissermaßen friedenstiftende Bilder, die zum Wochenausklang aus einem Kriegsgebiet der Südtiroler Landwirtschaft geschickt wurden: Vertreter der VI.P, also des Verbands der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse, und aller drei Bioverbände Südtirols an einem Tisch, um gemeinsam mit Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler eine Vereinbarung zur Vermeidung der Abdrift zu unterzeichnen. Ein erster Schritt zur Vermeidung von Konflikten zwischen den beiden landwirtschaftlichen Anbauweisen, wie es in einer Pressemitteilung aus dem Ressort Schuler heißt. Darin wird zwar indirekt, aber doch deutlich zu verstehen gegeben, dass man nunmehr auch politisch die Tragweite der Spritzmittel-Problematik erfasst hat. Sprich, der Tatsache, dass die Rückstände der chemisch-synthetischen Spritzmittelbehandlung von Apfelflächen der integrierten Produktionsweise auf biologischen Grünlandflächen, Getreide- , Gemüse-, Beeren- und Kräuterflächen landen.

Das ist vor allem angesichts der Rahmenbedingen unvermeidlich: Denn Landwirtschaft in Südtirol werde seit jeher auf engstem Raum betrieben, heißt es in der Mitteilung des Landespresseamtes.  Darüber hinaus gelte für biologisch wirtschaftende Betriebe in Italien eine Null-Toleranz-Grenze. Anders als in vielen anderen Ländern Europas sei hierzulande also nicht nur die Wirtschaftsweise ausschlaggebend. Um als biologisch produziert eingestuft zu werden, müssen die Rückstände von konventionellen Betriebsmitteln aus Abdrift auf einem Bio-Produkt oder einem biologischen Futtermittel unter 0,01 Milligramm pro Kilogramm liegen. Andernfalls wird der Bio-Betrieb wegen Falschauslobung zur Verantwortung gezogen.

Nachdem allein im Vorjahr die biologisch bewirtschaftete Kernobstfläche um fast 20 Prozent zulegte, hat man auch beim Land eingesehen, dass es vor allem im Vinschgau Zeit zu Handeln ist. Auf Basis von Untersuchungen der Biogrünlandflächen auf Kontaminationen durch Abdrift, die das Versuchszentrum Laimburg im vergangenen Jahr im Obervinschgau durchgeführt hat, wurden Maßnahmen entwickelt, deren Wirksamkeit nun heuer durch eine Fortsetzung des Monitoring-Programms getestet werden soll.

Die Maßnahmen

Bei der Behandlung konventioneller Flächen soll demnach auf die neuesten Sprüh- bzw. Applikationstechniken, den Verzicht auf einige Wirkstoffe, eine Abstandsregelung bei Neupflanzungen, die Pflanzung von Hecken als Abdriftschutz und auf günstige Wettervoraussetzungen bei der Ausbringung abgezielt werden. Letzteres bedeutet konkret, dass Behandlungen nur bei einer Windstärke von unter zwei Metern pro Sekunde durchgeführt werden dürfen. Auf die Anwendung der Wirkstoffe Chlorpyriphosethyl bzw. -methyl und Fluazinam wird verzichtet. Die ersten zwei Baumreihen und in jedem Fall die ersten fünf Meter werden ausschließlich in Richtung Grundstückinneres behandelt. Bei den Behandlungen muss ein Sprühgerät mit einem Abdeckblech eingesetzt werden und auf allen Düsenpositionen müssen Injektordüsen verwendet werden. Entlang der verlaufenden Grundstücksgrenze muss vom integriert wirtschaftenden Landwirt gegen die Abdrift eine Barriere errichtet werden und zwar in einer Höhe, die mindestens jener der zu behandelnden integrierten Kultur entspricht.

Ziel ist es, die direkte Abdrift auf die angrenzenden Bioflächen auf einen Randstreifen von maximal fünf Metern zu begrenzen. Dieser Bannstreifen ist nach den Plänen des Landes ebenso vorgesehen wie eine Schlichtungsstelle für Fälle, in denen Rückstände auf Bio-Flächen festgestellt werden.

PAN bleibt skeptisch

Während die Laimburg noch das laufende Jahr nutzen will, um zu überprüfen, ob das 5-Meter-Ziel mit den nun vereinbarten Maßnahmen tatsächlich erreicht werden kann, winkt das Anti-Pestizid-Netwerk PAN unmittelbar ab. „Das Problem der Abdrift wird man mit dieser Vereinbarung nicht lösen“, prophezeit Sprecher Koen Hertoge. „Denn die Abdrift geht weiter über das Nachbargrundstück hinaus.“ Gemäß einer Diplomarbeit an der Universität Bozen habe man beim Versuchsfeld im Obervinschger Laatsch bei allen Windverhältnissen und selbst beim Einsatz abdriftmindernder Sprühtechniken bis zu einer Distanz von 45 Metern von der Grundstücksgrenze Rückstände gefunden. Auch sei die Abdrift-Problematik keineswegs nur auf das Vinschgau begrenzt.

Viele der aufgezählten Maßnahmen sind laut Hertoge darüber hinaus bereits in den Agrios-Richtlinien oder im nationalen Aktionsplan verankertt. „Unserer Meinung nach braucht es solche Vereinbarungen nicht, wenn die Landwirte gemäß guter Agrarpraxis arbeiten“, so Koen Hertoge.