Gesellschaft | Phase II

„Unbürokratische Hilfen nötig“

Alfred Ebner des AGB/CGIL sprach mit Salto über die Phase II der Corona Maßnahmen, Sicherheitsauflagen und Auswirkungen auf die Arbeit der Zukunft.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Alfred Ebner
Foto: Alfred Ebner

Herr Ebner, am 11. Mai startete in Südtirol die Phase II der Corona-Maßnahmen-Strategie. Etliche Unternehmen konnten so ihre Tätigkeit wiederaufnehmen. Ist der Südtiroler Weg ein gutes Zeichen für die Arbeitnehmer?

Die weitreichende Lahmlegung der Wirtschaft hat zweifelsfrei riesige Auswirkungen. Ziel der Maßnahmen war, eine sanitäre Katastrophe zu vermeiden. So haben im März auch viele Arbeitnehmer auf eine vorübergehende Schließung gepocht. Eine Öffnung kann ein Zeichen sein, dass sich die Situation zum Besseren gewandt hat. Es ist der Versuch, einen tragbaren Kompromiss zwischen Gesundheit und wirtschaftlichen Interessen zu finden. Aber auch heute muss der Gesundheitsschutz immer im Vordergrund stehen. Ein neues Aufflackern der Epidemie hätte katastrophale Auswirkungen. Das Virus ist noch unter uns. Daher braucht es Verantwortungsbewusstsein vonseiten der Bürger sowie ein schnelles Eingreifen bei neuen Infektionsherden durch deren Eingrenzung und durch angemessene Gesundheitsleistungen.

 

Finden Sie, der Staat bzw. das Land hat während des Lock-Downs ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer gesetzt?

Es wurden Gesetze zugunsten der Einkommen der Bediensteten verabschiedet, deren Durchführung ist aber zu zaghaft. Die Gelder für die sozialen Abfederungsmaßnahmen sind oft noch ausständig. Das NISF/INPS ist überlastet. Politik und Banken einigten sich zwar darauf, einen Teil der Beträge vorzustrecken, dabei kam es aber wieder zu Verzögerungen. Wer keine Rücklagen hat, steht schlecht da. Schnelle Hilfe und wenig Bürokratie wurden versprochen, die Ergebnisse sind leider ernüchternd. Mit dem neuen Paket geht die Regierung einen neuen Weg, aber auch die Landesregierung muss weiterhin ihren Beitrag leisten.

 

Was müssen Betriebe, aber auch Kunden und natürlich die Arbeitnehmer selbst besonders beachten, damit diese zweite Phase ein Erfolg wird, und gleichzeitig die Gesundheit der Arbeitnehmer schützt?

Die Arbeitgeber haben die Verpflichtung, die strengen hygienischen Regeln einzuhalten, die Arbeitnehmer zu informieren und die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Verantwortung zu deren Einhaltung liegt beim Arbeitgeber. Gleiches gilt auch den Kunden gegenüber. Dies ist vor allem in der Gastronomie ein heikles Thema. Aber auch der Arbeitnehmer oder der Kunde/Gast muss für die eigene Gesundheit und für jene der Mitbürger Verantwortung übernehmen. Aufgrund sinkender Infektionszahlen steigt das Risiko für einen bestimmten Schlendrian. Auch wird man mit der Zeit meist auch lässiger. Das wäre momentan aber eine gefährliche Entwicklung.

 

Die Phase zwei schreibt strenge Sicherheits-und Hygieneauflagen vor. Sind diese Auflagen angebracht und ausreichend, oder eher ein Hindernis für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer?

Die Auflagen sind in dieser Phase eine absolut notwendige Vorsichtsmaßnahme, da wir über das Virus immer noch zu wenig wissen und es auch kein erprobtes Medikament gegen die Krankheit gibt. Eine Aufweichung der Hygienemaßnahmen, auch wenn sie den Arbeitsablauf erschweren und wirtschaftliche Einbußen bewirken, kann nur aufgrund neuer Erkenntnisse von Virologen, Epidemiologen und Medizinern erfolgen. Künftige politische Entscheidungen sollten nur nach Absprachen mit Fachleuten getroffen werden. Hier wäre die Eile ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

 

Landeshauptmann Kompatscher kündigte an, gewisse Bereiche, die in Phase II noch unzureichend angesprochen oder gelockert wurden, könnten per Verordnung nachgebessert werden. In welchen Bereichen sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Die größten Probleme hat der Tourismus und das Gastgewerbe, aber nicht nur wegen der strengen Auflagen, sondern wegen der momentanen Reisebeschränkungen. Der Vertrauensverlust aufgrund der Ereignisse in einigen Wintersportzentren kann nur durch strenge Auflagen wettgemacht werden. Natürlich muss man auf eine Öffnung der Grenzen hinarbeiten, ob man die Saison dadurch retten kann, ist ungewiss.

Es werden vor allem unbürokratische Hilfen für die stark gebeutelten Arbeitnehmer und die Betriebe benötigt. Die Krise wird zusätzlich ein Auslöser für einschneidende Veränderungen sein. Die Wirtschaftsstruktur muss notgedrungen überleben, man sollte gleichzeitig aber auch über die zukünftige Welt nachdenken. Vermehrt auf zukunftsträchtige Wirtschaftstätigkeiten bauen ist eine Priorität. Investitionen in Innovation, Infrastrukturen, Umwelt und Forschung brauchen viel Geld, aber daran führt kein Weg vorbei. Die kleinen Wirtschaftskreisläufe sind sicherlich notwendig, aber unsere Zukunft liegt verstärkt in Europa. Die Gelder, die gegen die Rezession zur Verfügung stehen, sollten zukunftsorientiert eingesetzt werden.

 

Glauben Sie, die Phase II und generell diese Coronakrise wird die Arbeit langfristig verändern?

Selbst die Wissenschaftler sind sich über die Zukunft der Arbeit uneinig. Politik und   Gewerkschaften stehen vor neuen Herausforderungen. Die Politik muss die notwendigen Gesetze und Regeln verabschieden, die Sozialpartner müssen Vorschläge einbringen und Verträge abschließen. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt noch mehr zweiteilen. Mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte einerseits und einen Abbau mittlerer Qualifikationen und von monotonen und einfachen Arbeiten andererseits. Ein Verlust an Arbeitsplätzen ist unvermeidlich. Unklar ist nur, wie viele Menschen im Dienstleistungs- und Sozialbereich unterkommen werden. Dabei handelt es sich bereits heute um meist eher schlecht bezahlte Berufe. Eine neue Umverteilung durch Löhne und Gehälter ist sicherlich notwendig.

 

Regionenminister Francesco Boccia kündigte an, Rom würde das Landesgesetz anfechten, weil ein Teil davon im Widerspruch zu den staatlichen Bestimmungen zur Arbeitssicherheit stünde. Zu Recht?

Politik hat eigene Regeln. Der Druck auf den Landeshauptmann wurde zu stark und die Flucht nach vorne ist nachvollziehbar. Anderseits muss die Regierung darauf reagieren, um zu verhindern, dass auch die anderen Regionen nachziehen. Ab Montag wäre das Problem eigentlich erledigt. Die römischen Juristen haben zwar viele Punkte beanstandet, die Regierung hat sich aber bisher sehr ruhig und besonnen verhalten. Eine Entschärfung der Diskussion wäre sicherlich für beide Seiten positiv. Im Falle von neuerlichen Problemen trägt allerdings der Landtag die Verantwortung.  Im Interesse Südtirols gilt es nun alles zu unternehmen, um diese Krise so schadlos wie möglich zu meistern. Was die Arbeitssicherheit betrifft, gab es mögliche Probleme für die Betriebsinhaber aufgrund der nationalen Gesetzgebung. Eine neue Interpretation des INAIL dürfte auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt haben.