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Ein Roman, in dem es immer regnet

Ernest Hemingway verarbeitete seine Italienkriegerlebnisse in A Farewell to Arms, Produzent David O. Selznick machte aus dem guten Stoff einen schlechten Film. 
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Foto: Wikipedia

"Nein", sagte ich, "es gibt nichts zu sagen."
"Gute Nacht", sagte er, "Ich kann Sie nicht zu Ihrem Hotel bringen?"
"Nein, danke."
"Es war das Einzige, was ich machen konnte. Die Operation erwies sich …"
"Ich will nicht darüber reden", sagte ich.
"Ich würde Sie gern zu Ihrem Hotel bringen."
"Nein, danke."
Er ging den Flur hinunter. Ich ging zur Zimmertür.
"Sie können jetzt nicht hereinkommen", sagte eine der Schwestern.
"Doch, ich kann", sagte ich.
"Sie können noch nicht hereinkommen."
"Raus hier", sagte ich. "Und die andere auch."
Doch als ich beide draußen hatte und die Tür zu war und ich das Licht ausgemacht hatte, half das nichts. Es war, als würde man sich von einer Statue verabschieden. Nach einer Weile ging ich hinaus und verließ das Krankenhaus und ging im Regen zurück zum Hotel. 

Wenn es stimmt, dass Ernest Hemingway den Schluss seines Romans A Farewell to Arms, deutsch: "In einem andern Land", 47-mal umgeschrieben hat, hat er gut daran getan. Das Ergebnis ist perfekt. Keine überflüssige Zeile, kein überflüssiges Wort, und nichts, was man hinzufügen müsste. Catherine Barkley, die Frau, die der Ich-Erzähler Frederic Henry liebt und mit der er gemeinsam aus dem Krieg geflohen ist, ist gerade gestorben, an dem Kind, das beide in die Welt gesetzt haben und das den Vater von einer Minute auf die andere – und doch irgendwie nachvollziehbar – nicht mehr interessiert. Was bliebe da noch zu tun oder zu lamentieren? 

Es ist ein Italien fernab aller Idylle und aller touristischen Klischees, das Hemingway schildert; ein Land, in dem nicht einmal die Sonne scheinen will.

Hemingway hat die Geschichte vom verwundeten Sanitätsoffizier, der sich in eine Lazarettkrankenschwester verliebt, 1929 veröffentlicht. Der erste Teil des Romans ist an der Isonzofront im weltkriegsgeschüttelten italienisch-slowenischen Grenzgebiet angesiedelt, der Rest der Handlung spielt während der letzten Kampftage, aber abseits der Front in Mailand, in Stresa am Lago Maggiore und am Schweizer Nordufer des Sees. Es ist ein Italien fernab aller Idylle und aller touristischen Klischees, das Hemingway schildert; ein Land, in dem nicht einmal die Sonne scheinen will.

Ein Vierteljahrhundert sollte noch vergehen, bis sein Autor den Literaturnobelpreis bekam. Am 28. Oktober 1954 war das, und das Stockholmer Komitee lobte Hemingways „kraftvolle Meisterschaft des Wortes“. Leider nur diejenige, die sich „in The Old Man and the Sea manifestiert hat“, obwohl die preisgekrönte Erzählung über den Kampf eines einsamen Fischers zunächst mit einem Schwertfisch und anschließend mit den ebenfalls an der Beute interessierten Haien bei weitem nicht die Lakonik der Dialoge und das dramatische Understatement von A Farewell to Arms erreicht. 

Vieles bleibt ungesagt. Trotzdem entfaltet der Roman seine Wirkung als Antikriegsbuch.

Hemingways Abgesang an den Krieg hat seine besten Szenen in den Beschreibungen abseits des Kampfgeschehens. Der Roman ist das subtile Gegenstück zum im selben Jahr erschienenen Roman Im Westen nichts Neues. Wo Erich Maria Remarque seine Leser mit realistischen Frontbildern schockiert, lauert bei Hemingway das Grauen eher unterschwellig. Statt Kriegs- und Sterbeszenen zu schildern, werden in A Farewell to Arms Stimmungen transportiert. Vieles bleibt ungesagt. Trotzdem entfaltet der Roman seine Wirkung als Antikriegsbuch. Das Unbehagen, das Hemingways Icherzähler befällt, geht schleichend auf den Leser über. Am Ende ereilt den Protagonisten in anderer, nicht minder grausamer Form das Schicksal, dem er auf dem Feld, wenn auch schwer verwundet, scheinbar entronnen ist. Der sinnlose Tod der geliebten Frau macht auch sein Leben sinnlos. „Wenn Menschen so viel Mut in der Welt aufbringen“, schrieb Hemingway einmal über A Farewell to Arms, „wird die Welt sie töten, um sie zu brechen. Und natürlich werden sie gebrochen.“
In der Welt und über ihre Bewohner triumphiert der alles kaputtmachende Krieg, der sich ein letztes Opfer geholt hat. Entstanden ist so ein Roman über gefallene Helden, die ihr Leben verlieren, aber wenigstens ihre Würde bewahren; ein Roman, in dem es ständig nieselt, plätschert oder schüttet. Selten ist ergreifender über Regen geschrieben worden.
Das Buch gefiel auch David O. Selznick. Lange hinderten Rechtstreitigkeiten den Hollywoodproduzenten an der geplanten Verfilmung. Im Herbst 1956 endlich erhielt er grünes Licht. Doch irgendwie war der Wurm drin. Es gab neuen Streit, diesmal mit dem Regisseur. Selznick feuerte John Huston kurzerhand und engagierte Charles Vidor. Auch mit dem Ersatzmann kam Selznick nicht klar. 

Was gibt es sonst noch über den Film zu berichten? Nichts!

Immerhin waren die Drehorte klug gewählt. Das erste Drittel spielt in Venzone. Wer also die Stadt noch einmal so sehen möchte, wie sie vor dem großen Friauler Erdbeben von 1976 aussah, kann sich den Streifen ja mal auf Youtube ansehen. Die Schlussszenen wiederum spielen in Bruneck. Auch die sind sehenswert, sie zeigen den Graben mit alter Gemeinde, Sparkasse, Post – in allertrübstem Regenwetter. Da ist es dem Regisseur, ganz am Ende, wenigstens ansatzweise gelungen, die Stimmung in Hemingways Vorlage einzufangen.
Was gibt es sonst noch über den Film zu berichten? Nichts! Er war der mittlere und am gründlichsten misslungene von drei Versuchen. Der erste stammt aus dem Jahr 1932, Regisseur war Frank Borzage, es gab zwei Oscars, wenn auch nur für die beste Kamera und den besten Ton. Richard Attenborough legte 1996 eine mediokre Version nach. Es blieb die bislang letzte.

 

Ein weiterer Grund für Selznicks und Vidors Fehlschlag war die Besetzung. Rock Hudson in der männlichen Hauptrolle mochte noch angehen, obwohl Hemingway sich in dem gutaussehenden Schwarm aller Geschlechter kaum wiedererkannt haben dürfte. Noch weniger konnte er mit dem weiblichen Star des Films anfangen. Es war Selznicks Ehefrau Jennifer Jones. Der Produzent hatte wohl neuen Ärger geahnt, denn er bot dem Romanautor eine Gewinnbeteiligung von 50 000 Dollar an. Hemingway lehnte ab. Er fand die 38-jährige Jones entschieden zu alt, um Catherine Barkley zu spielen, die im Roman gerade mal 24 Lenze zählt. Hemingway wäre nicht Hemingway gewesen, hätte er seinem Unmut nicht wortstark Luft gemacht. Seine Antwort an Selznick ist in gleich zwei Autorenbiografien (Carlos Baker, Aaron E. Hotchner) überliefert: „Sollte es Ihrem Film durch welchen Zufall auch immer gelingen, 50 000 Dollar Gewinn zu machen, dann nehmen Sie das ganze Geld, gehen zu Ihrer Bank, lassen sich die Summe in Fünfcentstücken auszahlen und schieben sich diese sukzessive in den Arsch, bis sie aus Ihrem Mund wieder herauspurzeln.“
Ein Goldesel, der, statt zu scheißen, kotzt: Das Projekt war Selznick sauer aufgestoßen. A Farwell to Arms kam 1957 in die Kinos, floppte jedoch bei Kritik und Publikum. Selznick stieg aus dem Geschäft aus und produzierte seitdem keinen einzigen Film mehr.